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"Frau Jordan stellt gleich": Warum über ernste Themen gelacht werden muss


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Katrin Bauerfeind
"Das ist eine wahnsinnig private Angelegenheit"

  • Steven Sowa
InterviewVon Steven Sowa

01.04.2020Lesedauer: 8 Min.
Katrin Bauerfeind: In der Comedy-Serie "Frau Jordan stellt gleich" von "Stromberg"-Autor Ralf Husmann steht sie im Mittelpunkt.Vergrößern des Bildes
Katrin Bauerfeind: In der Comedy-Serie "Frau Jordan stellt gleich" von "Stromberg"-Autor Ralf Husmann steht sie im Mittelpunkt. (Quelle: Joyn/ProSieben/Johanna Brinckman)
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Katrin Bauerfeind zeigt künftig immer mittwochs, wie aus einem tristen Büroalltag und ernsten Themen Comedy-Gold werden kann. Im Interview mit t-online.de verrät sie uns das Rezept dahinter.

Comedyserien mit ernsten Themen und einer Frau in der Hauptrolle sind Mangelware in Deutschland. Gut, dass Katrin Bauerfeind und "Stromberg"-Macher Ralf Husmann das nun ändern. Mit "Frau Jordan stellt gleich" zeigt ProSieben immer mittwochs um 20.15 Uhr zwei Folgen einer Comedyserie, die den Geist der Zeit trifft.

Das Experiment ist gewagt. Witze über Sexismus am Arbeitsplatz oder die sensible Rolle einer Gleichstellungsbeauftragten können in Shitstorm-Zeiten und schnell losgetretenen Empörungswellen leicht nach hinten losgehen. Warum es dennoch wichtig ist, über ernste Themen zu lachen, ohne sich über sie lustig zu machen, erklärt Hauptdarstellerin Katrin Bauerfeind im Interview mit t-online.de.

Außerdem erzählt die 37-Jährige, wie sie heute über ihren "Humorlehrer" Harald Schmidt denkt und welche privaten Details sie neben der jahrelangen Saxophon-Leidenschaft noch über sich preisgibt – wenn auch unter dem Deckmantel der Kunst.

t-online.de: Frau Bauerfeind, kurz vorab: Haben Sie mit "Frau Jordan stellt gleich" eine Feminismus-Serie mit Comedy-Elementen gemacht oder eine Comedyserie mit Feminismus-Elementen?

Katrin Bauerfeind: Wir haben weder die Witzeseite der "Emma" verfilmt, noch sind wir die Serie zum Feminismus – wir sind eine Comedyserie mit einem gesellschaftlich relevanten Thema, nämlich Gleichstellung inklusive Feminismus und #metoo. Das Thema wird zu Recht sehr ernst genommen, aber wir fanden, es ist Zeit, auch drüber lachen zu dürfen – was übrigens auch nicht dasselbe ist, wie sich drüber lustig zu machen. Die Kombination aus ernstem Thema und einer Comedyserie gab es bislang in Deutschland nicht. Deswegen wollten wir das ausprobieren.

Die Rolle, die Sie in der Serie spielen, wirkt Ihnen sehr ähnlich. Warum ist das so?

Ich hab ja 2016 ein Buch mit lustigen Kurzgeschichten geschrieben, wie es sich als Frau in Deutschland heutzutage lebt und was man da vor allem erlebt. Es heißt "Geschichten, die Männern nie passieren würden". Die Produzentin Nanni Erben hatte es gelesen und kam auf mich und Ralf Husmann, unseren Head-Autor, der auch schon die Serie "Stromberg" geschrieben hat, zu und fragte, ob wir das nicht kombinieren wollen: meine Geschichten und das Büro. Kurzum: ob wir eine Serie über eine Gleichstellungsbeauftragte machen wollen. Wir fanden das sehr einleuchtend und haben direkt zugesagt. Insofern ist Eva Jordan nie sehr weit von mir weg gewesen.

Wie würden Sie die Figur der Eva Jordan beschreiben?

Ich würde sagen, sie hat Eier und sie schießt lieber übers Ziel hinaus, als gar nichts zu erreichen. Ihre Mittel sind recht unkonventionell, was heißt, wenn sie mit ihrem Dekolleté mehr Budget für die Gleichstellung, also die gute Sache rausholen kann, dann wird sie es einsetzen. Sie wirkt sehr tough, hat aber Herz und sie kämpft immer für Gerechtigkeit. Quasi eine moderne Robin Hood.

Ist es bei solch ernsten Themen wie Sexismus am Arbeitsplatz oft schwieriger, Comedy zu machen, weil die Gefahr besteht, in ein Fettnäpfchen zu treten?

Könnte man denken, aber nein, das finde ich nicht! Wir nehmen das Thema durchaus ernst, direkt in unserer ersten Folge haben wir Belästigung am Arbeitsplatz aufgegriffen, weil #metoo und auch die Vorwürfe gegen Harvey Weinstein aufgekommen sind, als wir die Serie konzipiert haben. Deswegen braucht es gerade in unserer Serie den Mut, das Thema anzusprechen. Eine Frau kommt ins Gleichstellungsbüro, weil sie nicht weiß, wie sie die Annäherungsversuche ihres Chefs deuten soll, während Eva Jordan gerade versucht, mit besagtem Dekolleté mehr Budget für ihr Büro beim Bürgermeister rauszuholen. Die Kombination der unterschiedlichen Positionen und der Umgang der Charaktere damit machen es lustig, auch wenn Belästigung am Arbeitsplatz natürlich ein ernstes Thema bleibt, das wir auch entsprechend behandeln.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Ja, in einer Folge geht es zum Beispiel darum, dass eine Frau bei der Aufnahme der Feuerwehr diskriminiert wird. Der Frauenanteil bei den Berufsfeuerwehren in Deutschland liegt tatsächlich bei nur zwei Prozent, obwohl häufig über Personalmangel geklagt wird. Das Thema ist der Anlass, eine lustige Folge zu erzählen. So meine ich das: ernstes Thema und Comedy!

Das klingt, als wäre es hierzulande eine große Herausforderung, aus ernsten Themen Comedy zu machen. Wie würden Sie Humor in Deutschland beschreiben?

Es geht gar nicht um den Humor an sich, aber ich stelle fest, dass man hier oft mit der These konfrontiert wird, wenn gelacht wird, ist ausgeschlossen, dass man das Thema ernst nimmt. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die besten Comedians in Amerika haben oft die heftigsten, traurigsten und existenziellsten Themen. Humor ist ein Ventil, eine Art, mit Dingen umzugehen, und ein Weg, auch mit schwierigen Situationen im Leben zurechtzukommen. Wir lachen, weil wir das alle kennen und das verbindet die Menschen.

Der Humor in der Serie ist oft sehr scharf. Passt das zur Gleichstellungsbeauftragten oder erwartet man von ihnen, dass sie sich immer politisch korrekt verhalten?

Ich glaube, man versucht, mit den Dingen, die einem im Leben begegnen, so umzugehen, dass sie den eigenen Werten und Überzeugungen entsprechen. Niemand schafft es, sich immer hundert Prozent richtig zu verhalten, genauso wenig, wie jemand immer nur das Falsche tut. Das trifft auch auf die Gleichstellungsbeauftragte zu. Das macht sie echt und glaubwürdig.

Zu Beginn der Serie erfahren wir sehr wenig über Eva Jordan, sie wirkt unnahbar und cool. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist das Private. Wenn ich das mit Ihnen vergleiche, ist die nächste Parallele erkennbar. In Ihrem Wikipedia-Artikel steht unter "Privates" lediglich, dass Sie seit dem siebten Lebensjahr Saxophon spielen. Warum ist das so?

Auch in guten Serien lernt man eine Figur kennen wie Menschen im echten Leben – nach und nach. Für mich ist am schlimmsten, wenn in Folge eins einer Serie behauptet wird, die Figur sei meinetwegen clever, und dann bleibt es aber immer nur bei der Behauptung und die Figur sagt nie auch nur einen überdurchschnittlich intelligenten Satz. Die Dinge wollen erzählt werden und dafür haben wir zehn Folgen, in denen man Eva Jordan natürlich auch privat kennenlernt. Im echten Leben hingegen spiele ich privat ausschließlich Saxofon.

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Also ist das auch persönlich bei Ihnen so und in ein paar Jahren sind unter "Privates" mehr Details über Katrin Bauerfeind zu finden?

Nein (lacht). Das will ich nicht hoffen. Ich finde nicht, dass man etwas Privates über mich wissen muss, um mich zu kennen. Alles, was ich mache, sei es "Frau Jordan stellt gleich" oder auch mein Podcast "Frau Bauerfeind hat Fragen", ist total persönlich, das ist doch viel mehr, als private Infos je bieten könnten. Ob ich Seiten- oder Rückenschläfer bin, sind doch völlig banale Infos.

Also müssen Ihre Fans Sie über Ihre Rollen besser kennenlernen?

Man gibt auf der Bühne in einer Rolle sehr viel preis. Man steht da immer auch selbst. Ein Beispiel: Wenn Eva Jordan niedergeschlagen ist in der Serie, weil sie vorschnell gegen ihre Chefin als Bürgermeisterkandidatin angetreten ist und sie dann doch Zweifel befallen, ob sie gut genug ist, dann sieht man mich auch privat in dieser Situation, weil ich nur meine eigenen Emotionen zur Verfügung habe. Das ist eine wahnsinnig persönliche, wenn nicht sogar private Angelegenheit.

Sind Sie in Ihrem privaten Umfeld auch so schlagfertig wie Eva Jordan?

Meistens schon (lacht). Und wenn nicht, dann bin ich es trotzdem, allerspätestens nach drei Stunden. Denn dann fällt mir immer der passende Konter ein ... gut, die Person, die es betrifft, ist dann natürlich lange weg, aber immerhin. Also, ja ja, das ist auf jeden Fall eine riesengroße Parallele zwischen Eva Jordan und mir (lacht).

Wie wichtig ist Ihnen eine gute Humorschule? Sie waren unter anderem von 2009 bis 2011 Teil des Teams von Harald Schmidt in dessen Late-Night-Show.

Ich bin ja Fan von Schule. Und Harald Schmidt war gut, um herauszufinden, wie man Themen angeht, wie man eine Haltung dazu findet und wie man die dann möglichst lustig ins Fernsehen bringt. Hauptsächlich hab ich gelernt, wie aus Zeitunglesen eine zehnminütige Nummer fürs Fernsehen werden kann. Dafür war es definitiv gut, dem Meister bei der Arbeit zuzuschauen.

Wie beurteilen Sie das Wirken von Harald Schmidt heute?

Macht er noch was (lacht)? Na ja, ich denke, seine Verdienste für den deutschen Humor sind unbestritten, ohne ihn sähe der wahrscheinlich finster aus. Man hat ihn ja immer als den deutschen Late-Night-Gott bezeichnet und ich finde, dafür gab es seinerzeit auch eine Berechtigung. Auch wenn die Ära vorbei ist, kann ihm das keiner mehr absprechen.

Warum haben Klaas Heufer-Umlauf oder Jan Böhmermann, die auch wie Sie unter Harald Schmidt gelernt haben, eine eigene Late-Night-Show, aber Sie nicht? Wieso gibt es keine Frau im deutschen Late-Night-Fernsehen?

Frauen können das doch gar nicht. Frauen sind doch gar nicht lustig (lacht). Aber im Ernst: Diese Diskussionen gibt es immer wieder, am Ende findet sich immer einer, der sagt: "Nee, haben wir ausprobiert mit Anke Engelke, das funktioniert in Deutschland nicht." Aber stimmt schon: Wir können jetzt problemlos fünf Männer mit einer Personality-Show nennen und ich tippe, uns würden keine zwei Frauen einfallen. Es kann nicht daran liegen, dass Frauen insgesamt alle weniger Persönlichkeit haben als Männer.

Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern?

Frauen in die Shows und an die Late-Night-Front! Gibt genug, die es machen können. Falls jemand Bedarf hat, ich hätte gerade Zeit, diverse andere Frauen hätten sicher auch Bock! Ich sage: Jetzt einfach mal machen!

Zumindest wird Ihre Comedyserie mit einer weiblichen Hauptfigur eine zweite Staffel bekommen. Wie ist der Stand der Produktion? Hat das Coronavirus alle Pläne durchkreuzt?

Ja, wir sollten eigentlich gerade die zweite Staffel drehen, können aber leider nicht.

Was machen Sie jetzt den ganzen Tag?

Also erst mal war es total hilfreich, zu sehen, was die Kollegen jetzt machen, um zu wissen, was man nicht machen will. Alle sind ja jetzt quasi 24/7 live, offenbar aus Angst, innerhalb von zwei Wochen in Vergessenheit zu geraten.

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Ist das wirklich so?

Ja, gefühlt sind alle gerade immer live und das auf allen Kanälen. Ich persönlich tendiere dann eher dazu, erst mal das Gegenteil zu machen. Wenn ich was zu sagen habe, melde ich mich, in allen anderen Fällen bin ich lieber ruhig.

Okay, also sind Sie nicht live auf Social Media unterwegs. Aber was machen Sie dann?

Man kann jetzt endlich das neue Buch schreiben oder das neue Comedyprogramm und ich hab ja auch noch einen Podcast. Alles Dinge, für die man sich jetzt was einfallen lassen kann.

Hemmt diese Isolation Sie nicht? Als Kreativschaffende brauchen Sie doch sicherlich auch den Kontakt zu Menschen für neue Inspirationen.

Meine Arbeitsweise hat sich nicht wahnsinnig geändert. Ich sitze auch sonst oft am Schreibtisch und schreibe meinen Kram. Ich mach quasi auch sonst – es sei denn, ich bin unterwegs – viel Social Distancing. Aber ich kann tatsächlich nicht ausblenden, dass die Stimmung draußen anders ist als sonst. Die Vorzeichen, unter denen man jetzt vielleicht dieselbe Arbeit macht, sind andere und das spürt man.

Ab 1. April haben die Menschen die Möglichkeit, sich via ProSieben mit "Frau Jordan stellt gleich" Ablenkung zu verschaffen – sie läuft immer mittwochs in Doppelfolgen. Warum sollten sie es sich anschauen?

Es ist eine der besten deutschen Serien der letzten Jahre. So was kommt sonst eigentlich aus Amerika. Für mich hat sie alles, was eine gute Comedyserie ausmacht: intelligenten Humor, aufrichtige Wärme und tolle Schauspieler. Wenn das außer mir noch mehr Leute so sehen, dann freue ich mich.

Tatsächlich liefert "Frau Jordan stellt gleich" eine willkommene Abwechslung in der deutschen Serienlandschaft. Gute Comedy ist nach dem Ende von "Tatortreiniger" und "Pastewka" in Deutschland ohnehin schwer zu finden, zumal "jerks." gerade verlängerten Winterschlaf betreibt.

Gut, dass mit dieser geistreichen Kombination aus "Stromberg"-bekannten Büro-Mechanismen und dem überzeugenden Auftreten von Katrin Bauerfeind Elemente zueinandergefunden haben, die diese joyn-Produktion nun zu einem Free-TV-Highlight machen.

Verwendete Quellen
  • Telefoninterview mit Katrin Bauerfeind
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