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Matthias Reim im Interview: "Es kommen harte Zeiten auf uns zu"


Interview
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Matthias Reim
"Es kommen harte Zeiten auf die Musik in Deutschland zu"

  • Florian Wichert
InterviewVon Robert Hiersemann und Florian Wichert

Aktualisiert am 01.01.2020Lesedauer: 7 Min.
Matthias Reim: Hier bei der Schlagernacht des Jahres in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart.Vergrößern des Bildes
Matthias Reim: Hier bei der Schlagernacht des Jahres in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle in Stuttgart. (Quelle: imago-images-bilder)

Der "Verdammt, ich lieb' dich"-Sänger verrät seine Rituale, spricht über Helene Fischer und Florian Silbereisen und kritisiert den Wandel in der Musikbranche.

Sein größter Hit "Verdammt, ich lieb' dich" hielt sich 1990 insgesamt 16 Wochen auf dem ersten Rang der deutschen Hitparade. Es ist damit das erfolgreichste deutschsprachige Lied seit Einführung wöchentlicher Charts in Deutschland und verkaufte sich weltweit 2,5 Millionen Mal. Matthias Reim hat viel Geld verdient und viel verloren. Nach dem Höhenflug kamen Schulden in Höhe von 13 Millionen Euro, eine Privatinsolvenz und Konzerte vor nur 13 (!) Leuten.

Der 62-Jährige kämpfte sich zurück, veröffentliche diverse Alben und füllt längst wieder Konzerthallen. Langweilig wird ihm auch heute nicht. Reim hat sechs Kinder von fünf Frauen, darunter eine Tochter mit der Sängerin Michelle. t-online.de traf Reim vor seinem Konzert in der Mercedes-Benz-Arena am Samstag.

t-online.de: Herr Reim, in ihrem Leben ist es immer laut. Auch über die Feiertage?

Um ehrlich zu sein: ja. An Weihnachten waren vier Kinder und drei Hunde bei mir. Dazu meine Lebensgefährtin. Es war schön. Es war fröhlich. Es war laut.

Sie haben eine echte Schlagerfamilie. Gehört da die Weihnachtsshow von Schlagerkönigin Helene Fischer im TV zum Programm?

Ich habe die Show tatsächlich nicht gesehen. Ich hatte zu viel um die Ohren und wäre auch gar nicht dazu gekommen. Bei aller Liebe: Mit meiner Lebensgefährtin Christin, meinen Kindern Marie und Julian und mir hatten wir vier Schlagersänger im Haus. Wir haben uns alle gegenseitig unsere neuen Songs vorgespielt.

Haben Sie wenigstens das Debüt von Florian Silbereisen beim "Traumschiff" verfolgt – Sie gehen immerhin gemeinsam auf Tour?

Ja, das "Traumschiff" habe ich gesehen. Ich kenne ihn wirklich sehr gut, vor allem als Moderator und coolen Typen hinter der Bühne, deshalb musste ich mich erst daran gewöhnen, ihn in einer ganz neuen Rolle zu sehen. Er hat das in meinen Augen aber sehr gut gemacht. "Traumschiff"-Kapitän ist ohnehin ein überragender Job. Schön auf dem Traumschiff stehen und rufen: "Nein, wir laufen nicht auf Grund." Die Rolle hätte ich auch angenommen (lacht). Ich werde ihn fragen, ob ich zumindest eine Gastrolle übernehmen darf.

Mit welchen Vorsätzen starten Sie in das neue Jahr?

Ich möchte weiter gute und erfolgreiche Songs schreiben. Und ich habe mir vorgenommen, weniger zu rauchen. Außerdem habe ich bei Instagram wunderbare Fotos von Lena Gercke aus einem Winterurlaubs-Resort gesehen. Da würde ich über Weihnachten auch wahnsinnig gerne mal hin. Das nehme ich mir für dieses Jahr vor, an Weihnachten nicht Zuhause sein, sondern mal die Stille in einem Urlaubs-Resort genießen.

Wollen Sie wirklich weniger rauchen oder vielleicht gar nicht mehr?

Ich möchte weniger rauchen. Ganz aufhören, kann ich nicht. Ich habe meine festen Rituale. Dazu gehört, dass ich exakt eine Stunde vor einem Konzert mein Bier trinke und eine Zigarette rauche, um meine Nervosität unter Kontrolle zu bekommen. Darauf kann ich nur schwer verzichten.

Haben Sie weitere Rituale?

Wenn ich Zuhause bin, hole ich morgens meine Zeitung aus dem Briefkasten, mache mir meinen Cappuccino, schmiere mir mein Nutella-Toast, trinke einen Gemüsesaft und einen Ingwer-Shot, lese die Zeitung, trinke einen zweiten Cappuccino und rauche dabei eine Zigarette. Ja, ich habe viele Rituale.

Ingwer-Shot und Gemüsesaft klingen nach gesunder Ernährung. Sind Sie eitel?

Eitel ist das falsche Wort. Ich möchte gut aussehen, vor allem wenn ich auf die Bühne gehe und im Fernsehen auftrete. Sagen wir, ich versuche, das Beste aus mir rauszuholen. Gutes Aussehen ist auch eine Frage der Definition. Ich persönlich finde zum Beispiel, dass Keith Richards großartig aussieht. Zum Altern gehört es eben dazu, dass man Falten bekommt. Ich kann damit sehr gut umgehen. Das einzige, was mich am Älterwerden stört: dass man nur eine begrenzte Zeit auf dieser schönen Welt hat. Ich finde es furchtbar, wie schnell man 40, 50 oder 60 Jahre alt wird. Aber ich kann mich dem Alter anpassen.

Wie?

Früher habe ich nach Auftritten bis fünf Uhr morgens Party gemacht, heute verabschiede ich mich gegen halb eins und sage den Kollegen: "Tschüss, ich gehe ins Bett und freue mich auf die Show morgen." Mit 35 konntest du drei Nächte mit den Jungs durchfeiern, heute ist das keine Option mehr für mich. Und mir geht es heute auch besser ohne den ständigen Kater.

Sind Sie froh, dass Sie schon alles hinter sich haben oder wären Sie gerne noch mal 20 Jahre alt und würden Ihre Karriere als Sänger heute beginnen?

Ich beobachte sehr kritisch, was im Moment in der Musikwelt passiert. Meine Kinder sind gerade in dem Alter und haben ihre Karrieren gestartet. Ich weiß gar nicht, was ich Ihnen raten soll.

Warum?

Weil sich so viel verändert hat. Früher haben wir eine Platte oder eine CD aufgelegt, die Tür zugeschlossen, das Zimmer abgedunkelt, eine Kerze angemacht und ein Album durchgehört. Dazu haben wir uns das Album-Cover mit den Songtexten durchgelesen. Das war Musik. Ich habe mir auch immer sehr viele Gedanken um den Ablauf und die Dynamik meiner Alben gemacht. Ich habe den aktuellen Stand auf CD gebrannt und dann auf dem Weg zum Einkaufen, Bahnhof oder Flughafen angehört und festgestellt, wo etwas nicht wirklich zusammenpasste – zum Beispiel die Reihenfolge.

Und heute?

Heute streamst du einen Song – und wenn er dir nicht gefällt, klickst du einfach schnell weiter. Heute schaust du nebenbei noch, was auf Instagram los ist. Die großen Balladen und tiefergehenden Songs kommen zu kurz, weil sie weniger Klicks, Aufrufe oder was auch immer einbringen. Und das ist schade. Ich konnte für mein Auto nicht mal mehr einen CD-Player kaufen. Gibt es nicht mehr. Die haben mich angeguckt wie einen Außerirdischen.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Das bedeutet zum einen, dass es über kurz oder lang gar keine Musikalben mehr geben wird. Das Durchhören eines Albums stirbt. Die Zeiten des CD-Verkaufs sind in ein, zwei Jahren vorbei. Und für mich heißt das: Ich muss weg von der Alben-Produktion. Doch das fällt mir schwer, weil ich nicht einfach nur diesen einen Gassenhauer aufnehmen will.

Was bedeutet die Entwicklung finanziell für einen Künstler – gerade im Vergleich zu den 80er Jahren?

Die Plattenfirmen verdienen auch heute noch gutes Geld. Spotify, Werbung, das alles bringt Geld. Den großen Firmen ist egal, ob der eigene Künstler 50.000 oder 100.000 CDs verkauft oder ob die Konzerte ausverkauft sind. Erst recht in Deutschland. Deutschland wird so ein verschwindend kleiner Markt in der Musikwelt. Spotify schaut auf die international vermarkteten Künstler und fragt sich: Weshalb sollen wir Geld in ein Land stecken, das uns weltweit gar nicht interessiert? Es kommen harte Zeiten auf uns zu. Auf der anderen Seite natürlich immer mit der Chance, als unbekannter Künstler von heute auf morgen durchzustarten. Diese Möglichkeit gab es früher so nicht.

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Werden Ihre Kinder durchstarten?

Ich habe an Weihnachten den neuen Song von Julian gehört. Der ist wirklich großartig. Julian schreibt seine Songs selbst, drückt sich selbst aus. Marie kommt auch mit einer neuen Single, die etwas einfacher gestrickt ist. Sie spielt kein Instrument und singt Songs, die Ihr vorgeschlagen werden. In der Schlagerwelt wird leider nur wenig Gutes angeboten. Ich drücke beiden die Daumen und berate sie gerne – auch kritisch. Um Julian mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Er wird sich im nächsten Jahr etablieren und seine Miete selbst zahlen. Bei meiner Tochter Marie bin ich gespannt, was die nähere Zukunft bringen wird.

Wie schafft man es denn heute noch, Geld zu verdienen und seine Miete selbst zu zahlen?

Selbst wenn du einen kleinen Hit, also ein Hitchen schaffst, reicht das noch lange nicht für eine Karriere. Du musst die Leute dahin bekommen, dass sie zu deinen Konzerten kommen. Dann verdienst du Geld. Dafür wiederum musst du dem Publikum etwas bieten. Die Leute sind Shows gewohnt wie die von Helene Fischer. Da wird aufgefahren, dass die Schwarte kracht. Du kannst das allerdings nur mit Ticketpreisen um 150 Euro refinanzieren. Wie sollen das normale Bands machen? Ihnen bleibt nur übrig, sich eine Nische zu suchen, um dann zu ackern ohne Ende.

Sie haben viel geackert in Ihrem Leben – und gehören heute zu einer Generation, die von jungen Menschen für alles Negative verantwortlich gemacht wird, zum Beispiel die Klimakrise. Wie fühlt sich das an?

Die eine Generation hat nach dem Krieg das Land aufgebaut, die nächste für bessere Lebensbedingungen für ihre Kinder und Enkel gekämpft. Diese Generationen haben einen riesigen Respekt verdient. Natürlich müssen wir uns den Problemen auf der Welt stellen – die Frage ist nur, in welcher Art und Weise wir das tun. Der falsche Weg ist es, Eltern und Großeltern zu verteufeln. Und auch Verbote sind keine gute Art und Weise.

Warum nicht?

Es geht heute nur noch um Verbote. Nehmen wir das Tempolimit oder die Dieselfahrverbote. Wer fährt denn heute noch viel schneller als 130? Es geht nur darum, irgendwas zu verbieten. Ist es besser, wenn ich mit einem Diesel nicht durch die Innenstadt fahre, sondern außen herum die Luft verpeste? Nein. Aber Hauptsache, es wird etwas verboten. Die Grünen und die SPD sind leider ganz weit vorn dabei. Aus meiner Sicht ist ein Bewusstwerdungsprozess viel effektiver als jede Art von Verboten.

Findet der nicht gerade statt?

Es hat sicherlich ein Denkprozess eingesetzt und das ist positiv. Ich mache mir durchaus Gedanken, was für ein Auto ich mir kaufe. Ich würde sofort auf ein Hybridfahrzeug oder ein Elekroauto switchen. Das Problem ist, dass das alles nicht zu Ende gedacht ist und alle Varianten auf ihre Art genauso umweltunfreundlich sind. Allein dank Greta Thunberg hat eine Aufklärungswelle eingesetzt, das ist immer gut. Wir brauchen Greta Thunberg aber auch nicht zu einer Göttin zu machen. (Lacht) Vielleicht sollte ich in die Politik gehen.

Und dann?

Vertrauen schaffen und gemeinsam überlegen, wie wir Probleme lösen. Wenn ich mich aktuell in der Politik umschaue, kommt mir das größte Grauen. Ich sehe weit und breit keine charismatischen Köpfe in der Politik, wie es sie früher gab.

An wen denken Sie?

Mein Vater war SPD-Mitglied und Funktionär. Für uns waren Willy Brandt oder Helmut Schmidt echte Helden. Aus heutiger Sicht stelle ich fest: Das waren wirklich Helden. Auch Genscher. Wir hatten mal so charismatische Politiker. Es kommt niemand nach mit einer Vision, der die Leute mitnimmt und eine Parteispitze zusammenbringt.

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