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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Partei in der Krise Roland Kaiser: "Wenn die SPD mich fragt, werde ich helfen"
Roland Kaiser ist seit Jahren überzeugter Sozialdemokrat: Die Schlagerlegende hat schon mal Wahlkampf für die SPD gemacht und bringt etwas mit, das der Partei in Krisenzeiten fehlt.
Früher stieg Roland Kaiser die Steintreppen herab, saß auf den Bänken der legendären Berliner Waldbühne und schaute sich Konzerte an – von Tina Turner, Paul McCartney, den Rolling Stones, Stevie Wonder, Neil Diamond oder Joe Cocker.
Am Freitagabend stand er vor 22.000 Zuschauern auf der Bühne und sang zum ersten Mal die Hymne an seine Heimatstadt, die er gerade geschrieben hat. Im Interview vergleicht er die Hauptstadt mit einer Geliebten. Dazu erklärt das SPD-Mitglied, wie seine Partei wieder auf die Beine kommen kann.
t-online.de: Herr Kaiser, was ist das Schönste und was das Schlimmste an Berlin?
Roland Kaiser (67): Ich finde an Berlin nichts schlimm. Was manche Menschen als schlimm empfinden, ist die Hektik, die Unruhe, die Bewegung – aber Bewegung heißt für mich auch Weiterentwicklung. Berlin ist eine pulsierende Stadt. Ich bin in ihr geboren und aufgewachsen. Natürlich gibt es ruhigere Ecken als Kreuzberg oder Neukölln, es gibt aber auch dort viele rührende Bilder – wenn man sieht, wie Menschen ganz unterschiedlicher Kulturen miteinander auskommen. Ich bin ein Freund einer multikulturellen Gemeinschaft – deshalb gibt es für mich nichts Negatives an Berlin.
Sie haben mit "24/7" eine Hymne für Berlin geschrieben.
Die ist gerade erst fertig geworden. Wir haben es noch nicht veröffentlicht, weil es keinen Veröffentlichungsdruck gibt. Der Plan war: Wir machen das Lied fertig, präsentieren das hier in Berlin und packen es auf die nächste Edition. Es ist kein Lied mit Bildern des Ku‘damm oder der Krummen Lanke. Es ist eine moderne Umsetzung der Stadt, wie sie sich für mich darstellt, fast wie eine Geliebte. Umso emotionaler ist es, auf der Bühne in meiner Geburtsstadt aufzutreten – dass es nicht leer, sondern zum zweiten Mal ausverkauft ist, das ist sehr berührend.
Nach 45 Jahren auf der Bühne, mehr als 90 Millionen verkauften Platten und 27 Studioalben füllt Roland Kaiser auch mit 67 Jahren Hallen und Säle – wie hier die Berliner Waldbühne mit 22.000 Zuschauern. Er spielt seine größten Hits wie "Santa Maria", "Ich glaub, es geht schon wieder los" oder "Dich zu lieben" und wird dafür immer wieder euphorisch gefeiert. Auf der Freilichtbühne ein Konzert zu geben, war für die Schlagerlegende immer ein Lebenstraum.
Sie füllen immer noch Hallen, sind in ganz Deutschland bekannt – und SPD-Mitglied. Warum kandidieren Sie nicht für den Vorsitz der Partei, der es an Lichtgestalten mangelt?
Das sollte jemand machen, der das wirklich kann – der Zeit und vor allem die Berufung hat, das zu leisten. Ich glaube, ich bin dafür nicht der richtige Mann.
Sie wählen die SPD aber noch?
Selbstverständlich – und das werde ich auch immer tun.
Wer kann die Partei als neuer Vorsitzender retten – der Niedergang ist seit Jahren massiv?
Es gibt viele interessante Kandidaten. Das muss eben von allen Mitgliedern entschieden werden. Dem will ich auch nicht vorgreifen. Es ist einfach eine schwere Zeit für die Partei, die durch den Selbstfindungsprozess den Wählerinnen und Wählern nicht gerade Sicherheit vermittelt. Das ist das Problem.
Was muss passieren?
Es muss eine neue Führung her, die in der Lage ist, an die Werte der Sozialdemokratie zu erinnern. Die SPD ist eigentlich eine Aufbruchpartei gewesen, die für mehr Gleichberechtigung kämpft, für bessere Bildung, für alle Menschen – unabhängig davon, aus welchem sozialen Umfeld sie kommen. Das müssen wir wieder mehr vermitteln. Das ist generell die Aufgabe der großen politischen Parteien, den Menschen in schwierigen Zeiten das Gefühl zu geben: Wir wissen, wo der Weg hinführt. Wir können euch da hinbringen. Wir wissen, wie das Land funktionieren kann.
Würden Sie noch mal selbst aktiv werden, um der Partei aus der Krise zu helfen?
Ich habe das jahrelang gemacht mit gemeinsamen Auftritten – gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier, auch mit Sigmar Gabriel, bei Gerhard Schröder und auch bei Peer Steinbrück. Wenn man mich fragt, werde ich helfen – ganz klar.
Die SPD ist am Boden, die AfD steht dagegen vor den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen vor großen Erfolgen. Wie gehen Sie mit der Partei und den Wählern um? Im Berliner Friedrichstadt-Palast oder bei Eintracht Frankfurt sind Wähler unerwünscht. Bei Ihnen auch?
Das ist eine wenig durchdachte Einstellung. Wie wollen Sie das feststellen? Die Leute müssen ja nicht die Wahrheit sagen – und sie können in der Wahlkabine wählen, wen sie wollen. Ich möchte keine Gewalttäter haben in meinen Konzerten. Aber wenn Leute mit mir eine Vereinbarung treffen, dass sie Unterhaltung bekommen für zwei, zweieinhalb Stunden, dann kann ich nicht an der Kasse abfragen, ob sie die AfD wählen. Ich kann das nicht nachvollziehen.
Wie begegnen Sie den AfD-Wählern dann?
Man muss mit den Leuten diskutieren. Wer den Dialog verlässt, verlässt jede Chance, sie zurückzuholen.