Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Nachruf auf Sinéad O'Connor Mit der Stimme eines Engels
"Nothing Compares 2 U" wird für immer mit Sinéad O'Connor verbunden bleiben. Der Song war aber auch wie ein Fluch für sie, denn nie wieder konnte sie an diesen Welterfolg anknüpfen.
Für immer wird sie diese engelsgleiche Stimme bleiben, die ihren Schmerz über das Ende einer Liebe hinausschreit. Eine schöne junge Frau, die ihn am liebsten zurück hätte, diesen unvergleichlichen Mann, der sie verlassen hat. "Nothing Compares 2 U" machte Sinéad O'Connor schlagartig weltberühmt. Prince hatte den Song geschrieben und komponiert, aber verbunden bleibt er mit Sinéad O'Connor, der schönen jungen Irin mit dem kurz geschnittenen Haar.
Wer so auf die Bühne der Welt katapultiert wird, 1990 war das, ist ein großes Versprechen auf mehr. Auf eigene Lieder. Auf Großes. Wenige Künstler können diese hochfahrenden Erwartungen erfüllen – auch Sinéad O'Connor vermochte es nicht. Es lag nicht an ihrer Stimme, ganz bestimmt nicht. Vielleicht traf sie einfach nicht auf den richtigen Produzenten, der den richtigen Texter gekannt hätte und auch den richtigen Komponisten. Wenig fügte sich in diesem Leben, das immer mehr aus den Fugen geriet.
In ihr war diese große Sehnsucht nach Stabilität im Leben durch Musik. In ihr muss aber vor allem dieser große Schmerz und eine große Wut gewesen sein. Sie erzählte von der bösartigen Mutter, die Schläge für die angemessene Erziehung hielt. Später erzählte sie von der Vergewaltigung im katholischen Internat; da war sie wohl 16 Jahre alt gewesen. Traumatische Erlebnisse, die sich offenbar nicht auflösen ließen. Der Hass auf die katholische Kirche loderte in ihr.
In der berühmten amerikanischen Sendung "Saturday Night Live" sollte sie im Jahr 1992 Bob Marleys klassischen Protestsong "War" singen und zerriss mittendrin eine Fotografie des Papstes Johannes Paul II. Damit machte man sich damals keine Freunde, nirgendwo.
Sinéad O'Connor war kein Liebling
Der Zufall will es, dass gestern ein berühmter Kollege einen runden Geburtstag feierte. Mick Jagger, der Inbegriff des "Forever Young", der ewige Derwisch auf der Bühne, rank und schlank wie je, der Hedonist mit den vielen Frauen und den vielen Kindern wurde 80. Mit ihm verbinden sich Dutzende großartiger Texte und riesige ausverkaufte Arenen, solange er sich ohne Rollator bewegen kann. Gebildete Abendländer würden ihn einen Liebling der Götter nennen.
Sinéad O'Connor war kein Liebling der Göttinnen. Viermal war sie verheiratet, bekam vier Kinder. Sie blieb nicht ewig jung. Ihr sah man an, was das exzessive Leben auf Tour einem Menschen anhaben kann. Aus dem Kurzhaarschnitt entstand die Glatze. Sie sang selbst verfasste Lieder wie "Feel so different", sie erklärte die Wut und den Schmerz mit ihrer Bipolarität, sie sagte, ohne Sex sei sie depressiv. Sie gab sich komplizierte neue Namen und legte sie wieder ab. Sie verschwand tagelang aus dem Hotel, man befürchtete, dass sie Suizid begangen hatte. Ihr schwieriges, schweres Leben schob sich vor die Songs, die nie an den Erfolg von "Nothing Compares 2 U" heranreichten.
- "Nothing Compares 2 U": Was hinter Sinéad O'Connors größtem Hit steckt
In Irland hat die Melancholie eine Heimstatt. Van Morrison, der Mann, der keine falsche Note singen kann, hat nicht zufällig ein Lied darauf geschrieben: "Melancholia", in dem es heißt "Every Single Day / It won't go away". Oder Dolores O'Riordan, die Sängerin der "Cranberries", die mit 48 Jahren in einer Badewanne im Hotel ertrank. Sie teilte mit Sinéad O'Connor das doppelte Schicksal, vergewaltigt worden zu sein und unter depressiven Schüben zu leiden.
Sinéad O'Connor war auf einer langen Suche nach innerer Ruhe, die ihr versagt blieb, wie traurig. Wer ihr wohlgesinnt ist, hört sich noch mal diese Hymne eines Verlustes an, die so anhebt: "It's been seven hours and fifteen days / since you took your love away".
- Eigene Beobachtungen