Staatsanwaltschaft gibt zu Lindemann-Ermittlungen laufen bereits länger als gedacht
Seit vergangener Woche sind die Ermittlungen gegen Till Lindemann bekannt. Doch der Rammstein-Sänger ist schon länger im Visier der Justiz.
Wenn Medien von Missbrauchsvorwürfen berichten, stehen Kritiker schnell Gewehr bei Fuß und rufen "Vorverurteilung". Es brauche erst ein richterliches Urteil, davor sei noch gar nichts bewiesen, es gelte die Unschuldsvermutung. So der Tenor – auch beim Fall Till Lindemann in den vergangenen Wochen.
So richtig es ist, den Rechtsstaat und seine Prinzipien zu würdigen, so zentral ist es auch, die Arbeitsweise des Journalismus anzuerkennen. Denn in Fällen, wie dem von Rammstein-Sänger Lindemann, greift die sogenannte Verdachtsberichterstattung und diese kennt klare Regeln. Regeln, die sich auch der Rechtsstaat zu eigen macht. Das zeigt jetzt eine neue Veröffentlichung der Berliner Staatsanwaltschaft, die damit zugibt: Die Ermittlungen gegen Till Lindemann laufen schon länger, sie wurden nur nicht öffentlich kommuniziert.*
Ermittlungen wurden schon am 7. Juni eingeleitet
Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte dem "Tagesspiegel", gegen Lindemann sei bereits am 7. Juni ein Verfahren wegen Tatvorwürfen aus dem Bereich der Sexualdelikte und der Abgabe von Betäubungsmitteln eingeleitet worden. Offiziell bestätigt wurden die Ermittlungen aber erst eine Woche später, am 14. Juni. Wieder zwei Tage später dann die Bestätigung: Auch die "Casting-Direktorin" Alena Makeeva wird als Beschuldigte geführt.
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Und jetzt kommt der Knackpunkt: Der Grund für die Verzögerung sei laut Behördenangaben "die große Gefahr einer öffentlichen Vorverurteilung der Betroffenen" gewesen. Die Staatsanwaltschaft habe daher die Regeln für eine "zulässige Verdachtsberichterstattung" zu beachten, weshalb vor einer öffentlichen Mitteilung ein "Mindestbestand an Belegtatsachen" erforderlich sei. Ein Prinzip, das sich auch Medien wie t-online auf die Fahnen schreiben und welches bei den anderen Lindemann-Recherchen von "Süddeutscher Zeitung" über "Welt" bis "Spiegel" angewandt wurde.
Welche "Belegtatsachen" das im Fall der Berliner Staatsanwaltschaft sind, gibt die Ermittlungsbehörde nicht bekannt. Klar ist aber, dass mit dem Video der Influencerin Kayla Shayx, welches nur zwei Tage vor dem Start der Ermittlungen am Abend des 5. Juni veröffentlicht wurde, die Vorwürfen gegen Lindemann bekräftigt wurden. Der Skandal um das Rekrutierungssystem bekam ein weiteres Gesicht, einen Namen – neben der Nordirin Shelby Lynn, die die Anschuldigungen am 25. Mai erstmals öffentlich gemacht hatte.
Seitdem haben sich eine Reihe weiterer Frauen an Medien gewandt und ihre Geschichte erzählt. Darin werden Szenen des sexuellen Übergriffs geschildert, es ist von Drogen- und Machtmissbrauch des 60 Jahre alten Rockstars die Rede. Till Lindemann selbst lässt die Vorwürfe über seine Anwälte als "ausnahmslos unwahr" zurückweisen.
*Die Berliner Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gegen Till Lindemann am 29. August eingestellt. Es konnten keine Belege für ein strafbares Verhalten gefunden werden. Hier lesen Sie die Details zu der Entscheidung. Damit handelt es sich bei dem Sänger der Band Rammstein weder offiziell um einen Tatverdächtigen noch um einen Beschuldigten.
- tagesspiegel.de: "Staatsanwaltschaft hielt Auskunft zurück: Ermittlungen gegen Rammstein-Sänger Lindemann laufen schon länger"