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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Casting-Direktorin" Alena Makeeva Die Schlüsselfigur in der Lindemann-Affäre
Castings für Party- und Sexgefährtinnen: Hat das System bei Rammstein? In den Vorwürfen gegen Till Lindemann fällt ein Name immer wieder: Alena Makeeva.
Groupies habe es schon immer gegeben, heißt es. Ob bei Led Zeppelin, den Rolling Stones oder ab den Neunzigern bei Rammstein. Wilder Rock 'n' Roll eben, Teil des Geschäfts, Teil des Mythos. Doch irgendetwas scheint anders zu sein bei den aktuellen Vorwürfen um Till Lindemann, dem Frontsänger von Rammstein. Zwar dreht sich auch jetzt vieles um die Geschichten von jungen Frauen, die ihrem Idol nahe sein wollen, doch es scheint so, als sei Nähe im Rammstein-Kosmos zu einem sehr weit dehnbaren Begriff geworden.
Entstehen die Verbindungen auch hier aus einem Fan-Kult heraus? Finden sie in beiderseitigem Einvernehmen statt? Wissen die Frauen wirklich, worauf sie sich einlassen?
Vieles ist noch unklar – und sehr vieles gerät in dem lauten Aufschrei durcheinander in den vergangenen Wochen. Seitdem die Nordirin Shelby Lynn am 22. Mai dieses Jahres den Tourauftakt von Rammstein in der litauischen Hauptstadt Vilnius besucht hat und ihre Vorwürfe am 25. Mai öffentlich machte, wird von unterschiedlichsten Dingen gesprochen: von Macht, von Missbrauch, von Drogenkonsum, von einem Sexsystem hinter Rammstein.
Rammstein verurteile "jede Art von Übergriffigkeit"
Shelby Lynn, die 24-jährige Frau, die Verletzungen an ihrem Körper dokumentierte und öffentlich mutmaßte, ihr könnten bei Rammstein K.-o.-Tropfen verabreicht worden sein, hat Anzeige erstattet. Die Polizei in Litauen prüft die Schilderungen. Ob es zu Ermittlungen gegen Lindemann kommen wird, ist noch unklar. Er habe Lynn nicht angefasst, so sagt sie es selbst, er sei nur "wütend" geworden, nachdem sie gesagt habe, nicht mit ihm schlafen zu wollen.
Der 60-Jährige selbst hat sich zu den Anschuldigungen nicht geäußert, auch nicht auf mehrmalige Bitte, nachdem die "Süddeutsche Zeitung", der NDR oder die "Welt am Sonntag" weitere Zeuginnen präsentierten, die ähnliche Erlebnisse beschrieben. Auch eine Anfrage von t-online an die Band blieb bis heute unbeantwortet.
Rammstein hat allerdings zweimal öffentlich Stellung bezogen. Am 28. Mai posteten sie auf Twitter ein Statement, drei Tage nach Shelby Lynns Veröffentlichung: "Zu den im Netz kursierenden Vorwürfen zu Vilnius können wir ausschließen, dass sich was behauptet wird, in unserem Umfeld zugetragen hat." Ermittlungen seien der Band nicht bekannt. Wieder sechs Tage später hieß es dann auf Instagram: Man nehme die Vorwürfe "außerordentlich ernst". Außerdem verurteile Rammstein "jede Art von Übergriffigkeit", so steht es dort auf einer Texttafel geschrieben.
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Shelby Lynn hat damit etwas erreicht, was vorher offenbar keinem anderen weiblichen Rammstein-Fan gelungen ist. Lynn hat eine Welle losgetreten. Wer durch Instagram und Twitter scrollt, findet plötzlich zahlreiche Schilderungen, die immer nach ähnlichem Muster gestrickt sind – und die den Beschreibungen in den Medienberichten gleichen, in denen Gesprächspartnerinnen eidesstattliche Erklärungen abgegeben haben. Es geht dabei um Till Lindemann, um Sex mit jungen Frauen, um Alkohol und andere Drogen.
Ein Name, der dabei immer wieder fällt, lautet Alena Makeeva. Seit den ersten Anschuldigungen ist die Rede von dieser Frau. Angeblich sei sie maßgeblich an dem sogenannten "Row Zero"-System beteiligt. So wird ein Konzept bezeichnet, welches es Fans ermöglicht, in der "Reihe Null" bei Rammstein zu stehen, den Idolen nahekommen zu können. Es ist der Zugangsbereich zu den Partys der Band, ein Türöffner – und Makeeva sei dabei die Schlüsselfigur.
Auch t-online wollte diese Frau kennenlernen, mit ihr sprechen. Es kursieren verschiedene Anschuldigungen. Sie habe Till Lindemann Frauen zugeführt, seinen Durst nach weiblichen Fans gestillt. Doch Alena Makeeva lässt eine Anfrage von t-online unbeantwortet. Der "Welt am Sonntag" sagte Makeeva, Shelby Lynn lüge. Sie wolle Makeevas Reputation zerstören, es gehe ihr nur um Aufmerksamkeit. Die Reputation Rammsteins versucht Makeeva allerdings mit aller Gewalt zu retten.
In einem Blog der Band schreibt sie nach Shelby Lynns Anschuldigungen: "Wir brauchen Hilfe." Sie fordert andere Frauen auf, die "Wahrheit" zu sagen: "We never spiked girls", so Makeeva. Ihre Version lautet also: Rammstein habe niemals Frauen wehrlos gemacht. Doch wer ist sie, dass sie sich derart lautstark einsetzt, sich selbst so in den Fokus der Öffentlichkeit rückt?
Vom Marilyn-Manson-Groupie zur Lindemann-Assistentin?
Auf Instagram nennt sie sich vor ihren rund 34.000 Followern schlicht Bloggerin und etwas weniger schlicht, dafür aber umso kurioser: "Casting-Direktorin". Sie sei "mit Till Lindemann auf Tour", steht dort weiter in der Biografie ihres Profils. Bilder zeigen sie mit ihm in unterschiedlichsten Locations, die beiden wirken vertraut. Auch vor einem Weihnachtsbaum posieren sie in trauter Zweisamkeit. Mit anderen prominenten Namen der Musikszene ist sie ebenfalls auf Schnappschüssen zu sehen: Nick Cave, Iggy Pop, Marilyn Manson. Von Letzterem – ebenfalls ein Musiker, der im Zusammenhang mit Gewaltvorwürfen zuletzt in der Öffentlichkeit stand – sei sie vor "langer Zeit" Groupie gewesen.
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Auf ihrem Instagram-Account ist das alles öffentlich einsehbar – anfangs. Am 5. Juni ändert sich das, ihr Profil ist plötzlich auf privat gestellt. Aus welchen Gründen das so ist, kann nur gemutmaßt werden. Alena Makeevas Instagram-Aktivität spielt sich nun in einem Zwischenbereich ab, in einem Kosmos aus Freunden, Bekannten, Fans. So wie ihr Casting-Job, bei dem sie offenbar zwischen Rammstein-Fans und ihrem Tourgefährten Till Lindemann vermittelt. Wen sie castet und was genau ihre Jobbeschreibung bedeutet, hat sie zwar nie offiziell erklärt. Verschiedenen Medienberichten zufolge gehe es dabei aber vor allem um eines: Frauen.
Auch die deutsche Influencerin Kayla Shyx dokumentiert das in einem am Montagabend veröffentlichten YouTube-Video mit dem Titel "Was wirklich bei Rammstein Afterpartys passiert". Sie zeigt Chatverläufe, WhatsApp-Nachrichten, in denen Alena Makeeva die zentrale Schnittstelle zwischen den "Row Zero"-Groupies und den Rammstein-Partys ist. Shyx' Darstellungen gleichen denen von Shelby Lynn und anderen Frauen, die öffentlich über Makeevas Rolle sprechen.
"Gutes Make-up, gepflegte Haare, elegante Cocktailkleider"
Viel ist sonst nicht über die Frau bekannt, die Mitte 30 sein soll und offenbar gezielt Kontakt zu Frauen über soziale Medien sucht, um diese für Konzerte von Rammstein zu gewinnen. In einem Interview hat Makeeva einmal erzählt, dass sie aus einem kleinen Dorf in Russland stammt und davon träumte, einmal den großen Stars nahe zu sein.
Till Lindemann habe sie auf Konzerten kennengelernt. Über Rammstein sagte sie 2019 in einem Gespräch mit einem russischen Medium: "Ich war seit meiner Kindheit in Rammstein verliebt. Ich habe sogar Deutsch gelernt und davon geträumt, in ihrem Video mitzuspielen." Ein Traum, der wahr wird. Makeeva reiste dafür nach Berlin, drehte im Winter ein Musikvideo für Rammsteins Song "Radio" – und ist dort oben ohne auf einer Barrikade zu sehen, ihre Brust beschriftet mit "mein Radio gehört mir". Zu sehen ab Minute drei des offiziellen Songtrailers.
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Ob Kayla Shyx, Shelby Lynn oder viele der anderen, bisher anonymen Frauen, die in den Medien über ihre Erfahrungen mit Till Lindemann sprechen: Alena Makeeva scheint die Kontaktperson zu sein. In der "Welt" werden Anweisungen der selbsternannten "Casting-Direktorin" zitiert, die über WhatsApp verschickt worden sein sollen: "Gutes Make-up, gepflegte Haare, elegante Cocktailkleider in hellen, leuchtenden Farben, Sommerblumen. Bitte nicht ganz in Schwarz. Wenn es sein muss, dann mischt es mit anderen Farben."
Präzise Gebrauchsanweisungen, ein Auswahlsystem für Frauen, erschaffen von Alena Makeeva? Ist sie Angel und Köder zugleich, wählt Mädchen aus und erschleicht sich deren Vertrauen, auf "durchtriebene" Art, wie es Kayla Shyx in ihrem YouTube-Video nennt? Lockt sie Frauen mit ihrem als "Fanservice" getarnten Angeboten in die Lindemann-Falle?
Alena Makeeva weg? Rammstein zieht offenbar Konsequenzen
Es wäre zumindest ein Detail, welches die Bestandsaufnahme, es habe ja schon immer Groupies gegeben und Sex zwischen Fans und Rockstars sei nun mal Teil des Spiels, anders wirken lässt als noch in den Siebziger- und Achtzigerjahren.
Womöglich ist das auch der Grund, weswegen am 6. Juni eine neue Entwicklung in der Sache öffentlich wird. Wie t-online aus dem Umfeld der Band erfahren hat, habe das Management von Rammstein Alena Makeeva verbannt. Der selbsternannten "Casting-Direktorin" sei "mit sofortiger Wirkung der Zugang zu Rammstein-Konzerten untersagt" worden, heißt es zudem in einem Bericht von "Welt", die zuerst darüber berichtet haben. Offenbar muss die Frau nun von München aus, wo am kommenden Mittwoch das nächste Konzert der Band ansteht, ihre Heimreise gen Russland antreten. Eine kurzfristige Bitte um Stellungnahme in der Sache ließ Rammstein zunächst unbeantwortet.
- instagram.com: Profil von Alena Makeeva
- welt.de: "Rammstein schließt Assistentin aus und schaltet Anwälte ein"
- youTube.com: "Rammstein - Radio (Official Video)"
- lrt.lt: "'No complaints'" (englisch)
- süddeutsche.de: "Am Ende der Show" (kostenpflichtig)
- tagesschau.de: "Neue Vorwürfe gegen Till Lindemann"
- welt.de: "K.O.-Tropfen, Sex und die 'Row Zero'" (kostenpflichtig)
- twitter.com: Profil von Shelby Lynn, Rammstein