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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ottfried Fischer "Es ist eine große Herausforderung, damit fertigzuwerden"
Eigentlich wollte Ottfried Fischer seiner Simone auch kirchlich das Jawort geben. Mit t-online sprach der TV-Star über die abgesagte Hochzeit und andere Krisen.
Wer den Namen Ottfried Fischer hört, denkt auch heute noch sofort an seine Rollen als "Der Bulle von Tölz" oder "Pfarrer Braun". 2008 hatte der Schauspieler der Öffentlichkeit bekannt gegeben, an Parkinson erkrankt zu sein. Dies bedeutete allerdings nicht den sofortigen Abschied von Bühne und Kamera – noch bis 2014 begrüßte der Kabarettist als Gastgeber von "Ottis Schlachthof" sein Publikum.
Inzwischen ist der 69-Jährige auf den Rollstuhl angewiesen und auch das Sprechen fällt ihm mitunter schwer. Dagegen hilft Gesangsunterricht, denn Logopädie ist langweilig, findet Fischer. Seinen Humor hat sich der Bayer erhalten. Genauso wie sein politisches Interesse. Nur die Lust am Heiraten scheint abgenommen zu haben.
t-online: Herr Fischer, viele Menschen sind sehr befangen im Umgang mit chronisch Kranken. Erleben Sie das auch hin und wieder?
Ottfried Fischer: Das wird immer weniger. Ich bin damals ja ziemlich bestimmt und offensiv an die Öffentlichkeit gegangen. Damit ist meine Erkrankung erklärt und nicht mehr so das große Thema. Dennoch ist die Krankheit Parkinson schon ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens.
Sie sind 2008 damit an die Öffentlichkeit gegangen. Jedoch hatten Sie bereits 2003 die Vermutung, an Parkinson zu leiden. Das waren bestimmt keine leichten fünf Jahre dazwischen?
Wenn man es genau nimmt, dann habe ich über viele Jahre in einem kranken Zustand gearbeitet. Allerdings hat mein Parkinson nicht ganz so wild angefangen. Ich habe mich langsam daran gewöhnen können. Das ist wohl auch der Grund, warum ich heute relativ gut damit klarkomme.
Wie wichtig ist es, zu akzeptieren, dass man chronisch krank ist?
Man muss mit der Krankheit fertigwerden. Das geht nur, wenn man sie annimmt.
Große Unterstützung erhalten Sie auch von Ihrer Frau Simone, die immer an Ihrer Seite ist.
Meine Frau hat einen großen Dienst an meinem Wohlbefinden! Sie ist eine gottbegnadete Pflegerin. Allerdings haben wir uns auch häuslich so eingerichtet, dass wir möglichst ohne Anstrengung über die Runden kommen. Alles ist barrierefrei und wir haben einen Fahrstuhl im Haus einbauen lassen. Dinge, über die man vorher nicht nachgedacht hat.
2020 haben Sie beide standesamtlich geheiratet. Geplant war, dass auch eine kirchliche Trauung folgt. Wird es diese noch geben?
Wegen Corona haben wir sie so oft verschieben müssen, dass jetzt der Flow raus ist. Die kirchliche Hochzeit zu feiern, ist nicht mehr so notwendig wie damals. Außerdem vertrage ich diese Zwischen-Tüll-und-Tränen-Kulisse nicht. Und es kommen jetzt so viele runde Geburtstage auf uns zu, da weiß ich nicht, wo wir noch die Hochzeit unterbringen sollten.
Erst die Herausforderung Corona, jetzt der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Welche Gedanken haben Sie zu der aktuellen Situation?
Ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich froh bin, ein alter Mensch zu sein, der nicht alles miterleben muss, was noch auf uns zukommt. Das ist natürlich keine Haltung. Aber man tut sich schwer, die Nachrichten einzuschalten. Es ist eine große Herausforderung, mit den Geschehnissen fertigzuwerden. Deswegen sollte man sich auch nicht auf dem Alter ausruhen, sondern Partei ergreifen und versuchen, zu verstehen, was gerade in der Welt geschieht. Als unverbesserlicher Optimist versuche ich, mir meine Zufriedenheit zu erhalten.
Was könnte Ihrer Meinung nach die Lösung sein? Sollten Gespräche mit Putin geführt werden?
Henry Kissinger, einer der ältesten noch lebenden Diplomaten, hat gesagt, man muss mit Putin reden. Die Diplomatie hat sehr viele Möglichkeiten und Facetten, Strittiges zu verhandeln. Ohne einen Dialog wird es ein ewiger Krisenherd bleiben. Mit Terror, Unfrieden und Auswirkungen auf uns alle.
Bei der Bundestagswahl 2005 haben Sie die Regierungskoalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen unterstützt. Wie ist heute Ihr Blick auf die Grünen?
Es passieren Dinge, die man nicht für möglich gehalten hat und von denen man dachte, sie sind vorbei. Stichwort: Atomenergie. Die Politik der Grünen ist in eine hemmungslose Sachzwangslage geraten. Sie müssen teilweise ihre Ideale aufgeben, um einem Idioten wie Putin zu kontern.
Ihre Gedanken zur Energie- und Klimakrise?
Bei jeder Klimadebatte hieß es: Nächstes Jahr müssen wir es lösen. Dann ist doch fast nichts geschehen. Ich weiß nicht, was noch passieren muss, bis der Mensch kapiert, sich mit seinem Verbrauchsverhalten zurückzunehmen, damit das Klima geschützt wird.
Viele Menschen machen sich derzeit große Sorgen um ihre Existenz und ihre Zuversicht schwindet immer mehr. Können Sie das nachvollziehen?
Ich sage mal so: Wenn du auf deinem Haus sitzt und dir das Wasser bis zum Speicher reicht, ist es keine schöne Situation.
Was hilft, optimistisch zu bleiben?
Jeder sollte zunächst im eigenen Bereich versuchen, von reaktionären Positionen Abstand zu nehmen, die das Leben schwer machen. Es ist wichtig, sich – ganz im christlichen Sinne – solidarisch zu zeigen und einig zu sein.
Sie sind Katholik. Sind Sie gläubig?
Ich bin Mitglied eines "weltanschaulichen katholischen Trachtenvereins". Da kann ich nicht austreten, weil ich mich von klein auf zugehörig fühle. So viel zum Katholizismus. Ein gläubiger Mensch bin ich jedoch nicht. Allerdings komme ich langsam in ein Alter, wo ich überlege, ob der Glaube nicht doch als eine Kapitalanlage für die Hoffnung gesehen werden kann.
Als Kabarettist ist man auch bemüht, seinem Publikum Hoffnung zu geben. Wofür hat Ihr Herz mehr geschlagen – Kabarett oder Schauspiel?
Die Schauspielerei ist eine Attitüde, die ich mir zum Broterwerb zugelegt habe. Die Figur des "Bullen von Tölz" ist nur dadurch entstanden, weil ich das Kabarettistische mit reingebracht habe. Für mich liegt das Grundgesetz des künstlerischen Schaffens im Kabarett. Es hat Strahlkraft und ist ein weltanschaulicher Regulator. Wenn man Kabarett macht, muss es einem unter den Nägeln brennen.
Ich möchte Sie als Kabarettisten fragen: Wie weit darf Satire in der aktuellen Situation gehen? Gibt es Grenzen?
Für einen Kabarettisten gibt es immer genügend Stoff, dafür braucht es keinen Krieg. Allerdings ist es aktuell schwierig, weil man das Leid der Menschen sieht. Die Frage, wie weit man gehen darf, muss schon gestellt werden: Ob man Gefühle kaputttritt oder den Menschen die Hoffnung nimmt. Ich glaube, ich würde auf manche Themen verzichten, weil man die Befindlichkeit der Menschen in den Vordergrund stellen muss.
Herr Fischer, gibt es noch einen Wunsch, den Sie sich gerne erfüllen würden?
Mit dem Vorhandenen klarkommen. Das ist die halbe Miete.
- Gespräch mit Ottfried Fischer