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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kultband Scorpions "Statt mit Panzern kamen wir mit Gitarren"
Nur wenige Songs erkennt man so flink wie "Wind of Change" von den Scorpions. Im Interview blickt die Band 30 Jahre in die Vergangenheit und spricht über eine friedliche Revolution.
Die Scorpions sind der wohl erfolgreichste musikalische Export Deutschlands. Mehrere Platinauszeichnungen in den USA, Touren auf der ganzen Welt – nicht nur in den 80er Jahren waren sie auf Augenhöhe mit Ozzy Osbourne, Bon Jovi oder Van Halen.
Vor 30 Jahren, also 1990, erlebten sie mit dem Album "Crazy World" und der Single "Wind of Change" dann noch einmal einen gewaltigen Höhepunkt. Zur Feier des Songs erscheint dieser am 3. Oktober als Boxset mit diversen Aufnahmen von "Wind of Change".
Mit diesem Lied schrieben die Scorpions ganz zufällig die Hymne zur Wende und Wiedervereinigung. Im Interview erinnern sich Sänger Klaus Meine und die Gitarristen Rudolf Schenker und Matthias Jabs an diese Phase ihrer Karriere.
t-online: Die Scorpions sind eigentlich eine unpolitische Band, haben aber mit "Wind of Change" schon den Soundtrack zur Wende geschrieben. Wie geht denn das?
Klaus Meine: Wir haben das reflektiert, was wir 1988 und 1989 erlebt haben. Nach all den Erfolgen, die wir im Westen und besonders in den USA hatten, war es spannend 1988 als eine der ersten West-Bands in Russland aufzutreten.
Rudolf Schenker: Das ist die Hymne für die "most peaceful revolution on earth". Wir waren ein Teil davon. Wir haben das nicht im Fernsehen gesehen. Weil wir durch unsere Eltern und durch deren Geschichten vom Krieg und den vielen Opfern gewusst haben, waren wir besonders darauf sensibilisiert mit Musik Brücken zu bauen. Wir wollten zeigen, dass wir eine neue deutsche Generation waren und mit dem Krieg nichts zu tun hatten. Statt mit Panzern, kamen wir mit Gitarren und brachten Rock'n'Roll. (lacht)
Matthias Jabs: Wenn man 30 Jahre zurückblickt, dann fühlt sich das bei unserer Karriere fast wie der Anfang an. Wir haben seitdem noch so viel gemacht. Wir waren endlich in Australien, wir waren in China, in Israel oder in Ägypten. Musikalisch haben wir uns weiterentwickelt. Wir hatten ein "MTV Unplugged", haben mit den Berliner Philharmonikern gespielt und starten jetzt die Arbeiten an einem neuen Album.
Der Song war auf dem Album "Crazy World". Wie denken Sie heute über diese Platte?
Meine: Für uns war das ein ganz besonderes Album, weil wir aus einer sehr langen und erfolgreichen Phase mit unserem langjährigen Produzenten Dieter Dierks kamen. Wir tourten zwar auf der ganzen Welt, unsere Alben aufgenommen hatten wir vorher immer in der Nähe von Köln. Es war spannend in L.A. oder Vancouver mit einem neuen Produzenten zu arbeiten.
Schenker: Wir hatten uns bei diesem Album gut vorbereitet. Wir wollten allen zeigen, dass wir uns weiterentwickelt haben und uns steigern können.
Haben Sie sich deswegen mehr Druck gemacht oder mehr Aufregung verspürt?
Schenker: Wir waren eher euphorisch, weil sich alles ganz neu anfühlte. Wir haben die Möglichkeit gesehen noch einen oben draufzulegen.
Auf dem Album ist auch Ihr Hit "Wind of Change" enthalten. Ich habe mal Ihren ehemaligen Manager getroffen und er erzählte mir, dass er das Pfeifen des Songs gar nicht wollte. Stimmt das oder ist das Rock'n'Roll-Folklore?
Schenker: Das stimmt. (lacht)
Das Pfeifen war auf der Demo-Version von Klaus zu hören und zunächst nicht für den Song bestimmt. Können Sie sich noch an Ihre Reaktion auf das Pfeifen erinnern?
Jabs: Ich habe zuerst gedacht, dass das Pfeifen ein Demo für eine Gitarrenmelodie sein soll. Wir waren gar nicht gewohnt, dass jemand in unseren Songs pfeift. Wir haben da auch an verschiedenen Versionen gearbeitet. Letzten Endes haben wir alle erkannt, dass die Kombination aus Gitarre und Pfeifen das Beste für das Lied ist. Auch weil es so eingängig war.
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"Wind of Change" war damals gar nicht als Single geplant gewesen…
Schenker: Genau, die französische Plattenfirma wollte den Beginn unserer Tour filmen. Da haben wir uns damals noch gar nichts bei gedacht. Sie haben die Performance aus mehreren Perspektiven gefilmt und daraus dann ein Musikvideo geschnitten. Die Franzosen mögen Balladen. "Still Loving You" war die meistverkaufte Singe überhaupt in Frankreich. Die brauchten keinen Rocksong, sondern etwas ruhiges. Und dann hob die Nummer ab wie eine Rakete.
Hatten Sie denn selbst auch überlegt den Song als Single auszukoppeln?
Meine: Nein, das war erstmal "nur" als ein weiterer Song auf dem Album geplant. Für uns war eh klar, dass wir mit einem Rocksong starten wollen. "Wind of Change" war dann die dritte Single. Auch nach dem Mauerfall – das Album erschien ja erst im November 1990 – wäre jetzt keiner im Scorpions-Camp auf die Idee gekommen die Wende zu thematisieren und eine große Marketing-Kampagne zu starten.
Die Idee zum Song entstand sogar noch vor dem Mauerfall. War Ihnen denn damals bewusst, dass sich in Deutschland, Europa und der Welt etwas verändern würde?
Schenker: Wir spielten 1988 zehn Konzerte in Leningrad und waren ein Jahr später in Moskau. Die Veränderung innerhalb eines Jahres war offensichtlich. In diesem Jahr passierte in Russland ein Quantensprung. Es war ein ganz anderes Land. 1989 traten wir mit Ozzy Osbourne, Bon Jovi und Mötley Crüe in Moskau auf. In diesen zwölf Monaten hatte sich eine ganze Menge verändert.
Im zweiten Teil des Interviews, welches am 3. Oktober 2020 erscheint, erfahren Sie, was die Scorpions in der Sowjetunion (und in Ost-Berlin vor dem Mauerfall) erlebt haben, wie sie die Wende mitverfolgt haben und Rudolf Schenker erinnert sich an Verwandtschaftsbesuche in Ost-Deutschland.
- Eigenes Interview mit den Scorpions in Hannover