Der Produzent und Sänger im Interview Michel van Dyke: "Würde jedem von Casting-Shows abraten"
Mit dem Titel "Du trägst keine Liebe in dir" feierte er 1999 einen Riesenerfolg - jedoch nicht als Sänger, sondern als Songwriter: Michel van Dyke hat den Popsong getextet, mit dem der deutschen Band Echt der Durchbruch gelang. Der gebürtige Holländer ist Sänger und Frontmann, Produzent und Hitlieferant. Ihm gelingt der Balanceakt zwischen zwei Leben, die er beide mit Leidenschaft führt. Nicht umsonst heißt sein neues Album "Doppelleben". Im Interview mit t-online.de erklärt der Musiker seine Vorliebe für ein facettenreiches Leben, das Phänomen Helene Fischer und seine Abneigung gegenüber Castingshows.
t-online.de: Ihr neues Album trägt den bedeutungsschwangeren Titel "Doppelleben". Welchen Bezug haben Sie zum Albumtitel, was bedeutet er für Sie?
Michel van Dyke: Auf die Idee, das Album 'Doppelleben' zu nennen, bin ich aus zwei Gründen gekommen. Erstens habe ich mit selber die Frage gestellt: Darf man so ein Album machen, das sich auf den ersten Blick widerspricht, auf dem Chanson-Songs gegenüber von dancelastigen Popnummern stehen. Klar, denn jede Musikrichtung hat ihre Berechtigung. Insofern finde ich es durchaus legitim, dass jeder Mensch verschiedene Facetten hat, die sich auch ab und zu widersprechen können. Deshalb bekunde ich meine Sympathie für all diese widersprüchlichen Menschen, die es gibt.
Ihre alten Hits haben Sie in englischer Sprache gesungen, die neueren nun auf Deutsch, wie ihr letztes Album "Bossa Nova", das 2004 erschien. Welche Sprache ist Ihnen lieber?
Eigentlich singe ich lieber auf deutsch, weil ich da das Gefühl habe, dass ich den direkten Zugang zum Zuhörer finde. Man hat ungeahnte Möglichkeiten, über die Texte, die man schreibt, und die Art und Weise des Gesangs jemanden zu erreichen. Darum geht es mir: Wenn ich Glück habe, werden die Leute berührt. Das geht über die deutsche Sprache sehr viel direkter. Da gibt es auch sofortige Akzeptanz und Nicht-Akzeptanz. Ich finde die deutsche Sprache ist eine schöne Sprache.
Sie haben auch für Thomas Godoj geschrieben, der die fünfte Staffel von "Deutschland sucht den Superstar" gewonnen hat. Was sagen Sie zu Casting-Shows wie "DSDS" oder "The Voice" ?
Ehrlich gesagt halte ich nicht so viel von Castingshows. Diese Shows sind nur dazu da, hohe Einschaltquoten zu generieren. Letztendlich ist es für die Künstlerentwicklung eher 100% zum Nachteil. Ich würde jedem davon abraten mitzumachen, weil das wie ein Menetekel an dir hängen bleiben wird. Die Plattenfirmen werden sagen: 'Oh Gott, du hast ja da mitgemacht'. Wenn man Musik nicht ernst nimmt, wenn man einfach mal gerne ins Fernsehen gehen möchte und ansonsten keine Ambitionen hat, ernsthaft Musik zu betreiben, dann kann man das gerne machen. Ansonsten nicht. Man ist für fünf Minuten ein Superstar und man ist schnell wieder vergessen. Wenn man Glück hat, kann man noch ein Jahr touren und Eintrittskarten verkaufen. Die einzigen, die davon profitieren, sind die Juroren.
Könnten Sie sich selber vorstellen, einmal in der Jury einer Castingshow zu sitzen?
Ich will es nicht ausschließen. Ich würde mir angucken, ob sich alle Beteiligten darüber im Klaren sind, dass sie nur Show machen, und dass es nicht ernsthaft darum geht, Musiker zu generieren, die langfristig Erfolg haben. Wenn sich alle darüber im Klaren sind, könnte ich mir vorstellen, bei so einer Show mitzumachen. Und natürlich auch, wenn man die jungen Sänger und Sängerinnen respektvoll behandelt.
Sie haben bereits für zahlreiche Künstler geschrieben und produziert, darunter Annett Louisan, Dieter Thomas Kuhn, Patrick Nuo, Anna Loos, Jan Josef Liefers und Jasmin Wagner. Derzeit ist Schlagerqueen Helene Fischer in aller Munde. Könnten Sie sich vorstellen, für die Sängerin Songs zu schreiben oder zu produzieren?
Es ist nicht so, dass ich speziell für Helene Fischer schreiben würde. Ich würde einfach aus meinem Katalog einen Song rauspicken, wo ich glauben würde, ja, das würde ungefähr passen. Ich möchte als Künstler nicht nur 20.000 Leute berühren, sondern wenn es geht irgendwie auch 200.000 Leute.
Können Sie den Hype nachvollziehen, der um Fischer gemacht wird?
Die macht deutsche Schlagermusik, die nicht zu altbacken daher kommt, und sie sieht selber schnuckelig aus. Das ist schon einmal eine gute Vorrausetzung.
Was halten Sie im Allgemeinen von der Schlagerszene?
Was mich stört ist, wenn sogenannte Rockbands oder Popbands mit deutschen Texten um die Ecke kommen, die Schlagercharakter haben. Wobei ich Schlager definiere als tausend Mal gehörte Klischees und plattgetreten und peinlich.
Das neue Album "Doppelleben" von Michel van Dyke ist ab Freitag, 29.8, erhältlich.
Das Interview führte Eva Fritsch