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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Heino auf neuen Wegen Wie kann das sein?

Erstmals in seiner mehr als 60-jährigen Karriere heuert Heino für ein festes Engagement am Ballermann an. Ein erstaunlicher Wandel – oder konsequente Karriereplanung?
Als Heino das erste Mal auf der Bühne stand, wurde gerade die Berliner Mauer gebaut. Seine Karriere währt somit seit mehr als 60 Jahren. Glaubt man den Umfragen, dann kennen 98 Prozent der Deutschen Heino. Das hat einerseits mit der Musik des Schlagerstars zu tun, andererseits mit den zahlreichen Kontroversen um ihn.
Denn der Mann mit der Sonnenbrille und der blonden Mähne eckt häufig an. In der Vergangenheit wurde Heino Rassismus vorgeworfen, sein Kollege Jan Delay bezeichnete ihn aufgrund einiger Aussagen als "Nazi" und zahlte anschließend eine Entschädigungssumme, weil Heino sich verunglimpft fühlte. Bis heute gilt Heino als Reizfigur. "Das ist alles Teil meines Erfolges", sagte Heino vor einigen Jahren anlässlich seines 80. Geburtstags der Deutschen Presse-Agentur. "Ohne Ecken und Kanten wird man nicht alt in diesem Job."
"Er ist top in Form"
Schlagzeilen waren dem Volksmusiker immer sicher – auch als er zuletzt Donald Trump lobte und meinte, Deutschland bräuchte auch solch einen Politiker, der "endlich aufräumen" würde mit dem Land.
Da wundert es fast, dass ebendieser Heino erst jetzt eine Ballermann-Karriere startet. Nach langem Zögern habe er sich entschieden, mit einer eigenen Show im "Bierkönig" auf Mallorca an den Start zu gehen. Sein Manager sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Er hat Lust auf Party und ist top in Form." Mit 86 Jahren scheint Heino noch einmal durchstarten zu wollen. Geplant sind sechs Auftritte auf der mallorquinischen Partymeile, das erste Konzert findet am 31. Mai statt. Mehr zu Heinos Plänen lesen Sie hier.
Seit Jahren sollen die Veranstalter versuchen, Heino zu verpflichten. Zwar habe er in den Achtzigern einst Roy Black für einen Auftritt vertreten, ansonsten hielt er sich allerdings vom Ballermann fern. Immer waren die Anwerbungsversuche vergeblich, bis jetzt. Doch warum ausgerechnet im Sommer 2025? Hat sich der Sänger gewandelt – oder sind es die Partylocations, die für den 86-Jährigen plötzlich einladender wirken?
Heino, der im österreichischen Kitzbühel lebt, startet am 10. Mai im sächsischen Coswig seine Deutschlandtour. Auf Live-Auftritte war er also ohnehin vorbereitet, die traditionell lukrativen wie reichweitenstarken Mallorca-Termine passen ihm da gut ins Konzept. Zumal er aktuell auch einen passenden Partysong im Gepäck hat. Mit seiner neuen Single "Ein Gläschen am Morgen", die in kürzester Zeit bei Social Media auf 13 Millionen Aufrufe kam, hat der Sänger viel Wirbel ausgelöst.
"Etwas angemufft und etwas klischeebeladen"
Heino wurde vorgeworfen, mit seinem Text Alkohol zu verherrlichen. Doch Zeilen wie "Ein kleines Gläschen, ein Gläschen am Morgen/Vertreibt alle Sorgen und tut mir so richtig gut (...) Ja, das hätte ich am liebsten jeden Tag" scheinen für den Ballermann mit seinen exzessiven Sausen wie gemacht zu sein. Dass sich im Video Erotikmodel Micaela Schäfer aufreizend inszeniert, was teils als sexistisch kritisiert wurde, dürfte beim Partyvolk auf Mallorca ebenfalls kaum Kontroversen auslösen, im Gegenteil.
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Interessant ist dieser neue Karriereweg dennoch. Noch 2018 hieß es in einer TV-Dokumentation im ZDF von Sebastian Zabel, Chefredakteur der Musikzeitschrift "Rolling Stone": "Heino wird immer automatisch mit einem vielleicht etwas angemufften und etwas klischeebeladenen Bild von Deutschland assoziiert." Angemufft scheint der Ballermann vielleicht nicht unbedingt zu sein, wobei auch Partylocations wie der "Bierkönig" seit den Neunzigern kaum Veränderungen durchlaufen haben.
- Kritik an Heino: "Alkohol ist nicht nur Spaß"
Seit jeher zieht der Laden im doppelten Wortsinne ein breites Publikum in die Schinkenstraße. Ein Teilbereich wird derzeit renoviert. Das selbst ernannte "Wohnzimmer auf Mallorca" bemüht sich um einen modernen Anstrich. Passt da ein 86-jähriger Volksmusiker ins Konzept, mit dem Deutsche "angemuffte" bis "klischeebeladene" Assoziationen verbinden?
Sowohl Heino als auch dem "Bierkönig" könnte zugutekommen, dass das Publikum auf Mallorca nicht gerade für sein Bedürfnis nach politisch feinfühligen, tiefgründigen Botschaften bekannt ist. Heino, der besonders bei Linken wegen seiner unkritischen Haltung gegenüber den Liedern, derer sich auch die Nationalsozialisten bedienten, verhasst ist, trifft am Ballermann wohl eher auf die Lust an der Leichtigkeit und Menschen, die dem oft eher schwermütigen Alltag entfliehen wollen.
Dass er auch im Alter wandlungsfähig bleibt, zeigte der "Blau blüht der Enzian"-Sänger in seiner Karriere mehrfach: So nahm er seine Hits auch als Rap-Version auf, spielte schon gemeinsam mit der Band Rammstein auf dem Heavy-Metal-Festival Wacken in Schleswig-Holstein oder versuchte sich einst als Juror in der zwölften Staffel von "Deutschland sucht den Superstar".
Sein erstes und einziges Nummer-eins-Album in den Charts gelang ihm als 74-Jährigem mit dem Werk "Mit freundlichen Grüßen", für das er sich mit Coverversionen populärer Hits als Deutschrocker neu erfunden hatte. "Innerhalb kürzester Zeit hatte ich mein Publikum um vierzig Jahre verjüngt, was wiederum auch mich verjüngt hat", sagte Heino damals, und bis zu einem gewissen Grad ist das ein Satz, der auch zwölf Jahre später zu seinem Aufbruch gen Ballermann passt.
Eigentlich kündigte Heino Karriereende an
Seine dritte Frau Hannelore, die er einst bei einer "Miss Austria"-Wahl in Kitzbühel kennenlernte und die er 1979 heiratete, verlor er vor rund anderthalb Jahren im November 2023. Ein Schock für den Musiker. "Heino ist am Boden zerstört und in tiefer Trauer", gab sein Manager damals Einblicke in dessen Gefühlswelt. "Das war der schlimmste Tag in seinem Leben."
Womöglich bewog ihn dieser Einschnitt dazu, sein eigentlich vor Jahren formuliertes Ziel, mit 80 Jahren seine Musikkarriere beenden zu wollen, über Bord zu werfen. Mit seinem Album "... und Tschüss" gab er 2019 seine letzte Tour bekannt, sagte: "Am meisten stolz macht mich, dass ich trotz aller Anfeindungen 60 Jahre erfolgreich gesungen habe." Sechs Jahre später wird er nun wieder auf Tour gehen. Der Mann, der anfing zu singen, als die Mauer gebaut wurde, ist auch 35 Jahre nach dem Mauerfall für Überraschungen gut.
- Eigene Recherchen
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa