Anmut und Schönheit Pianopop-Melancholie: Finn Andrews und Bill Pritchard

Berlin (dpa) - Es gibt sie gelegentlich, diese Platten für späte, stille Stunden, mit denen man die Hektik des Alltags hinter sich lässt. Finn Andrews und Bill Pritchard haben jetzt zwei solche Platten veröffentlicht, die im Herbst fast noch besser aufgehoben wären.
"One Piece At A Time" (Nettwerk/Warner ADA) von FINN ANDREWS enthält zehn vom Piano geprägte Lieder, die der Frontmann der neuseeländischen The Veils nicht mit seiner seit rund 15 Jahren bestehenden, recht erfolgreichen Indierock-Band aufnehmen mochte. "Ich habe die Songs geschrieben, während wir an den Veils-Platten arbeiteten, und ich wusste, dass sie nicht ganz in diese Welt passten", sagt der Sänger über den Ursprung seines Solodebüts. "Nach etwa drei Jahren war dieses Buch voller Lieder entstanden, irgendwie aus Versehen."
"Aus Versehen" hören sich die Stücke nun allerdings gar nicht an. Mit einer kleinen Musikerschar bastelte sich der eigentlich in London lebende Andrews im heimischen Neuseeland um seine schöne Stimme herum einen höchst attraktiven Balladen-Sound zusammen. Textlich war das Ende einer Beziehung Auslöser für die überwiegend getragenen Klänge. "A Shot Through The Heart" und "What Strange Things Lovers Do" heißen gewiss nicht zufällig zwei der melancholischen Tracks. Besonders prächtig entfaltet sich das rätselhaft betitelte "Al Pacino - Rise & Fall".
Andrews räumt ein, dass sein erstes Soloalbum von einer gewissen Traurigkeit erfüllt ist: "Es geht sicher um eine Übergangsphase, um eine Verwandlung. Die Songs sind aus einem gewissen Maß an Liebeskummer heraus entstanden", sagte er in einem Interview des Deutschlandfunks. "Aber es steckt doch viel mehr darin. Es ist nicht wie Adele. Obwohl es natürlich genau so viel Geld einspielen wird!" War natürlich nur Spaß... Aber sehr gelungen ist die Platte allemal.
"Midland Lullabies" (Tapete) von BILL PRITCHARD ist ein weitaus weniger persönliches, aber nicht weniger einnehmendes Album. Der seit den 80er Jahren aktive Singer-Songwriter mit der nasalen Stimme hat sich damit als "Crooner im schäbigen Anzug" nach Label-Angaben einen Wunschtraum erfüllt. Noch deutlicher als Finn Andrews setzt Pritchard auf das Klavier sowie einige Streicher, um seine Gedanken über dies und das und seine geplagte, ihn plagende Heimat England loszuwerden.
Dieser Brite ist nämlich ein echter Europäer, mit Erfolgen in Frankreich und klarer Affinität beispielsweise zu Belgiens Chanson-Gott Jacques Brel. Seltener verlegt sich Pritchard diesmal auf den bei ihm von früheren Tapete-Platten gewohnten Gitarrenpop-Sound - ein solches Lied heißt "The Last Temptation Of Brussels", und wer denkt da derzeit nicht an das zähe Gezerre der EU mit den konzeptlosen Brexiteers.
Dennoch ist das von Pianist Tim Bradshaw zauberhaft inklusive Interludes arrangierte "Midland Lullabies" kein streng politisches Album, sondern eine nachdenkliche, auch traurig stimmende Songsammlung für merkwürdige Zeiten wie diese. "Thanks", dear Bill - um es mit dem Titel einer besonders erhabenen Pianoballade dieser sehr schönen Platte zu sagen.