Film Leipziger Dokfilm-Festival wird 60
Leipzig (dpa) - Kein Geringerer als Pablo Picasso hat dem Leipziger Dokumentarfilm-Festival seinen Stempel aufgedrückt: Die Friedenstaube des spanischen Künstlers durfte ab 1962 das offizielle Emblem des Festivals sein. 2004 war es damit allerdings vorbei, das ideologisch aufgeladene Motiv wurde durch ein neutraleres Taubenbild ersetzt.
Picasso und seine Friedenstaube stehen damit auch für die Brüche und Wendungen des Dokfilm-Festivals, das nach Amsterdam das zweitgrößte in Europa ist. In diesem Jahr feiert DOK Leipzig seine 60. Auflage (30. Oktober bis 5. November).
"Das Festival hat mindestens zwei Leben: Eines vor 1989 und eines danach. Und selbst innerhalb dieser Phasen hat es sich immer wieder gewandelt", sagt der Historiker Andreas Kötzing (38), der zur Geschichte von DOK Leipzig geforscht und promoviert hat. "In der Geschichte des Festivals waren die Freiheiten mal größer und mal kleiner." Zu DDR-Zeiten sei Leipzig ein Seismogramm für die Kulturpolitik des Arbeiter- und Bauernstaates gewesen.
1955 wurde das Festival als deutsch-deutsche Kulturfilmwoche gegründet. "Der Gedanke war, ein Podium zu schaffen für Filmemacher aus beiden deutschen Staaten", erläutert Kötzing. "Dieser deutsch-deutsche Anspruch scheiterte jedoch daran, dass sich die Bundesrepublik und die DDR immer weiter auseinanderentwickelten." Nach zwei Auflagen war schon wieder Schluss und es folgte eine dreijährige Pause.
1960 wurde es dann als internationales Festival wiederbelebt. "In der ersten Hälfte der 60er Jahre gab es erstaunliche Freiheiten. Rückblickend betrachtet waren das die goldenen Jahre des Festivals", stellt Kötzing fest. 1965 brachte dann das 11. Plenum des ZK der SED eine Zäsur in der Kulturpolitik. Das Festival habe danach eine sukzessive Ideologisierung erlebt, plus eine intensive Stasi-Überwachung.
"Trotzdem gab es immer Nischen, wo man spannende Filme entdecken konnte. Die "Protokollfilme" machten nie den Reiz aus. Subtile Untertöne gesellschaftskritischer Art hat es immer gegeben, ganz rauszukriegen war das nie", erzählt der Historiker. Leipzig sei immer eine Bühne für den politischen Dokumentarfilm gewesen, sagt auch der heutige Programmchef Ralph Eue (64). "Das war richtig, das ist richtig und das wird auch so bleiben."
Nach dem Mauerfall begannen harte Zeiten für das Festival: Sponsoren mussten gefunden werden, die Besucherzahlen gingen rapide nach unten; 1993/94 wurden noch gerade mal 5000 Zuschauer gezählt. Zum Vergleich: In den 60er Jahren kamen offiziell um die 65 000, heute sind es jährlich um 40 000. Es sei fast ein kleines Wunder, dass das Dokfilm-Festival das überlebt habe, sagt Kötzing.
Jetzt lebt DOK Leipzig sein zweites Leben - und das nach Einschätzung der Macher sehr erfolgreich. In diesem Jahr gibt es nach Angaben von Direktorin Leena Pasanen 113 Welt- und internationale Premieren. Das sei sehr wichtig für den Status des Festivals. "Mehr und mehr Filmemacher denken, dass Leipzig der beste Platz ist, um Filme rauszubringen. Wenn du ein aufstrebendes Talent bist, kommst Du hierher - und jeder kennt dich."
Leipzig konkurriere mit Festivals in Metropolen wie Amsterdam, Toronto und Kopenhagen um die Premieren, sagt Pasanen (52), die aus Finnland stammt und international gearbeitet hat, bevor sie vor drei Jahren die Leitung von DOK Leipzig übernahm.
Die ostdeutsche Stadt sei klein, der Herbst könne wirklich kalt und unwirtlich sein. "Trotzdem ist etwas Spezielles an dieser Stadt." Die 1000-jährige Geschichte, die DDR-Vergangenheit, das sehr diskussionsfreudige, junge Publikum - das alles gebe dem Leipziger Festival eine einzigartige Atmosphäre.