Überzeugt "Wonder Woman"? Weibliche Konkurrenz für Superman und Co.
Die Welt der Superhelden ist eine männliche. Spider-Man oder Batman, Superman oder Thor, Captain America oder Iron Man: In Comicverfilmungen dominieren muskulöse Kerle in oftmals bunten, hautengen Fantasiekostümen.
Zwar dürfen in Reihen wie den "Avengers" oder "X-Men" auch Heldinnen mitkämpfen – so etwa Scarlett Johansson als Black Widow; einen ganzen Film aber dürfen sie nur selten tragen. Ausnahmen bestätigen die Regel: 2004 versuchte sich Halle Berry nicht sonderlich erfolgreich als Catwoman. Nun aber verpasst Wonder Woman dem mit Testosteron getränkten Superheldenkino eine ordentliche Prise an weiblichem Charme.
Bereits im vergangenen Jahr hatte die Amazonenkriegerin mit den langen Haaren einen Auftritt in "Batman v Superman: Dawn of Justice". Jetzt schlüpft Gal Gadot für einen ganzen Film in die Rolle der Wonder Woman. Die Regie – Novum bei einer großen Comicverfilmung – ist ebenfalls in weiblicher Hand: Patty Jenkins legt nach "Monster" (2003) ihren zweiten Kinospielfilm vor.
Wonder Woman bricht in den Kampf auf
Ihren Ursprung hat die Figur der Wonder Woman in einem vor 76 Jahren erstmals veröffentlichten US-Comic. Die filmische Adaption nun beginnt auf einer kleinen, nur von Amazonen bewohnten Insel namens Themyscira, einst zum Leben erweckt von niemand Geringerem als Göttervater Zeus. Auf diesem paradiesischen Eiland wird die kleine Diana von ihrer Tante General Antiope (Robin Wright) in die Kunst des kriegerischen Zweikampfes eingeweiht.
Vollends zur Wonder Woman soll Diana aber erst heranreifen, als ein mysteriöser Zwischenfall das trügerische Idyll der Amazonen erschüttert: Die Protagonistin muss einen abgestürzten Kampfpiloten aus dem Meer retten; verkörpert wird der Flieger von Chris Pine – vor allem bekannt als Captain Kirk aus den jüngsten "Star Trek"-Filmen. Steve, so der Name des Soldaten, berichtet von grausamen Dingen, wir schreiben das Jahr 1918, der Erste Weltkrieg liegt in den letzten Zügen. Zusammen mit Steve verlässt Wonder Woman schließlich Themyscira – wild entschlossen, dem kriegerischen Treiben ein Ende zu setzen.
Nicht sexistisch, nicht platt
Gal Gadot, die 2004 zur Miss Israel gekürt wurde, hat sich als Darstellerin bisher vor allem durch ihre Auftritte in der erfolgreichen Raserreihe "Fast & Furious" hervorgetan. Nun schlüpft die 32-Jährige ins Kostüm der vielleicht bekanntesten Superheldin überhaupt; und diese Verwandlung gelingt ihr erstaunlich gut: Ihre Wonder Woman ist so schlagkräftig wie sie empfindsam ist.
Gal weiß ihre weiblichen Attribute in Szene zu setzen; einer allzu platten, gar sexistischen Inszenierung beugen die Darstellerin und die Regisseurin aber jederzeit vor. Fraglich indes, ob diese Wonder Woman, wie von einigen US-Medien bereits diskutiert, zur feministischen Ikone taugt.
Die Kraft der Liebe
Chris Pine derweil, der artig an Wonder Womans Seite kämpft, enttäuscht ein wenig. Dies vor allem im direkten Vergleich mit seinem letzten Kinoauftritt: im düsteren Südstaaten-Drama "Hell or High Water". Der Mime kann mehr, das hat er bewiesen. Denkbar, dass er sich hier zurückhält, um Wonder Woman – um Gal Gadot – den Vorrang zu lassen.
Bei allen Schwächen, die auch diese Comicadaption plagen – so sind die Bösen recht eindimensional angelegt –, ist es vor allem der naive Charme der Kriegerprinzessin, der den Film beseelt. Wonder Womans Glaube an das Gute, ihr Glaube daran, dass sie allein den Horror des Ersten Weltkriegs beenden kann, ist tatsächlich rührend. Das Superheldenkino – ob männlich oder weiblich – liebt prägnante, teils kalenderspruchartige Sentenzen. Während uns ein Spider-Man stets einbläut, dass mit großer Macht "große Verantwortung" einhergehe, setzen Patty Jenkins und ihre Hauptdarstellerin Gal Gadot ganz auf die Kraft der Liebe: Im Film heißt es, nur diese könne die Welt wirklich retten.
Lohnt sich der Kinobesuch?
Nach vielen düsteren Comic-Verfilmungen in den vergangenen Jahren (etwa der "Batman"-Trilogie von Christopher Nolan mit Christian Bale als Fledermausheld) ist dies eine überraschend positive, durch keinerlei Ironie gebrochene Aussage. Dass diese Botschaft nicht lächerlich wirkt, liegt nicht zuletzt an der wunderbaren Eleganz der Gal Gadot. Einer möglichen "Wonder Woman"-Fortsetzung jedenfalls sieht man mit freudiger Erwartung entgegen. Kommenden Winter schon soll die Amazonenprinzessin in "Justice League" erneut an der Seite von Bat- und Superman agieren.
"Wonder Woman" läuft seit 15. Juni 2017 in den Kinos.