"Scheren sich nicht um Menschenrechte" Nach Bachs Telefonat mit Peng Shuai – Kritik am IOC
In einem Video-Telefonat mit dem IOC-Boss zeigte sich die vermisste Tennisspielerin wohlauf und bedankte sich für die Anteilnahme an ihrem Verschwinden. Es gibt dennoch weiter Zweifel – und Kritik am IOC.
Peng Shuai, die aktuell vermisste Grand-Slam-Siegerin im Doppel, führte am Sonntag ein Videotelefonat mit IOC-Präsident Thomas Bach. Die Ringe-Organisation verbreitete auch ein entsprechendes Foto.
In dem 30-minütigen Gespräch, an dem auch die Vorsitzende der Athletenkommission des Internationalen Olympischen Komitees, Emma Terho, und das chinesische IOC-Mitglied Li Lingwei teilnahmen, habe Peng für die Sorge um ihr Wohlergehen gedankt. Weiter erklärte die 35-Jährige laut IOC-Angaben, dass es ihr gut gehe, sie aber um Respekt für ihre Privatsphäre bitte. Sie wolle sich weiter für den von ihr geliebten Tennissport engagieren, versicherte Peng zudem. Aber: Die Umstände ihres zwischenzeitlichen Verschwindens bleiben nebulös. Und damit bleiben Fragen.
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"Ich war erleichtert, als ich sah, dass es Peng Shuai gut geht, was unsere Hauptsorge war. Sie schien entspannt zu sein. Ich bot ihr an, sie zu unterstützen und jederzeit mit ihr in Kontakt zu bleiben, was sie offensichtlich zu schätzen wusste", wurde Terho in der IOC-Mitteilung zitiert. Am Ende des Telefonats lud Bach Peng zu einem Abendessen ein, sobald er im Januar in Peking eintreffe. Dies habe die 35-Jährige gerne angenommen.
Scharfe Kritik am Vorgehen des IOC
Die Sportlervereinigung Global Athlete kritisierte dagegen das Gebaren des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) scharf und erneuerte die Forderung von Sanktionen gegen den kommenden Olympia-Gastgeber China.
Die Pressemitteilung der Ringe-Organisation über das Videotelefonat von Bach mit Peng Shuai mache "das IOC mitschuldig an der böswilligen Propaganda der chinesischen Behörden, die sich nicht um grundlegende Menschenrechte und Gerechtigkeit scheren", teilte Global Athlete in einer Stellungnahme mit.
Darin werde "so getan, als habe Peng nie Anschuldigungen wegen sexueller Übergriffe erhoben und als sei sie nicht seit mehr als zwei Wochen verschwunden". Bach und die IOC-Athletenkommission zeigten "eine abscheuliche Gleichgültigkeit gegenüber sexueller Gewalt und dem Wohlergehen von Sportlerinnen".
Deswegen erneuerte Global Athlete seine Forderung an das IOC vom Freitag, "das Chinesische Olympische Komitee sofort zu suspendieren, bis Peng Shuai sicher aus China ausreisen kann und eine vollständige und transparente Untersuchung ihrer Vorwürfe der sexuellen Nötigung durchgeführt wird".
In Chinas Hauptstadt beginnen am 4. Februar die Olympischen Winterspiele. Die Lage war für das IOC und das Ausrichterland schon vor dem Fall Peng Shuai angespannt. Die Uigurenfrage, Hongkong und der Tibet-Konflikt sind wiederkehrende Themen in den internationalen Medien, zuletzt drohte US-Präsident Joe Biden einen diplomatischen Boykott an – für das Regime in Peking ein Affront.
WTA drohte mit Abzug von Turnieren
Das Schicksal Peng Shuais beschäftigte unterdessen Politiker, Sportler und andere Prominente weltweit. Die Tennis-Organisation WTA drohte mit dem Abzug von Turnieren aus dem Reich der Mitte. Am Sonntag dann wurden gleich mehrere Lebenszeichen in die Öffentlichkeit getragen.
Der Chefredakteur der Staatszeitung Global Times postete auf Twitter ein kurzes Video, in dem die 35-Jährige in einem Pekinger Stadion angeblich bei der Eröffnung eines Jugend-Tennisturniers zu sehen ist. Peng trägt im Clip eine marineblaue Sportjacke und eine weiße Trainingshose und steht inmitten einer Gruppe von Gästen, deren Namen unter großem Beifall aufgerufen werden.
Ein Reporter der Staatszeitung twitterte ein weiteres Video, auf dem angeblich zu sehen ist, wie Peng im selben Stadion Autogramme für Kinder schreibt und anschließend für Fotos posiert. Zuvor war bereits eine Aufnahme aufgetaucht, die die einstige Top-20-Spielerin mit Freunden in einem Restaurant in Peking zeigen soll.
WTA-Boss: Video aus Restaurant "nicht ausreichend"
Es sei eindeutig, dass das Video aus dem Restaurant "am Samstag Pekinger Zeit aufgenommen wurde", schrieb Global-Times-Herausgeber Hu Xijin. Tatsächlich sagt ein Mann während der Unterhaltung, "morgen ist der 20. November" – wird aber von einer Frau sofort korrigiert, dass dann der 21. November sei – und damit Sonntag. Die offenbar per Smartphone gefilmte Unterhaltung wirkt inszeniert, Peng macht auf den Aufnahmen einen entspannten Eindruck.
WTA-Boss Steve Simon bezeichnete das Video aus dem Restaurant als "nicht ausreichend". Der Chef der Frauentennis-Organisation nannte es zwar "positiv", dass Peng zu sehen sei. Allerdings sei immer noch unklar, ob die Spielerin "frei und in der Lage ist, selbständig und ohne Zwang oder Einmischung von außen Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zu ergreifen." Diese Frage bleibt auch nach der kurzen IOC-Pressemitteilung ungeklärt.
Peng Shuai hatte Anfang des Monats in dem Twitter-ähnlichen Medium Weibo geschrieben, vom ehemaligen chinesischen Vizepremier Zhang Gaoli (75) sexuell missbraucht worden zu sein. Der Eintrag im Sozialen Medium wurde ebenso wie zahlreiche Interneteinträge über Peng gelöscht, von der danach jede Spur fehlte. Die Rufe danach dürften auch nach den nun aufgetauchten Videos und Mitteilungen nicht verstummen.
- Nachrichtenagentur SID