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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Deutscher Rad-Star So will Degenkolb endlich seinen ersten Tour-Etappensieg holen
Sechsmal Zweiter, aber kein Sieg: John Degenkolbs Bilanz bei der Tour de France ist zum Verzweifeln. Bei der am Wochenende startenden 105. Auflage soll sich das nun ändern – und zwar am besten auf einer ganz besonderen Etappe.
Am Samstag (ab 11.10 Uhr im Liveticker von t-online.de) beginnt die 105. Tour de France: 21 Etappen, rund 3300 Kilometer, steile Berge, flache Sprintpassage – und in diesem Jahr auch Kopfsteinpflaster. Über rund 22 Kilometer geht es auf der neunten Etappe nach Roubaix, dem Zielort des legendären Frühjahrsklassikers Paris-Roubaix. Den Favoriten in der Gesamtwertung treibt allein der Gedanke daran den kalten Schweiß auf die Stirn, für John Degenkolb ist es allerdings eines der Highlights des Jahres. Denn auf dem mittelalterlichen Kopfsteinpflaster blüht der 29-Jährige erst richtig auf.
t-online.de: Herr Degenkolb, Sie sind bisher sechsmal Zweiter bei Tour-de-France-Etappen geworden. Klappt es dieses Mal endlich mit dem ersten Sieg?
John Degenkolb: (lacht) Das war klar, dass die Frage kommt. Dummerweise kann ich keine andere Antwort geben, als die Jahre zuvor: Ich hoffe es – aber was ich mir erhoffe und wünsche, wünschen sich nun mal auch noch 175 andere Fahrer und jeder von ihnen hat das Zeug dazu. Es wird also – wie immer – nicht leicht.
Und etwas konkreter: Was ist Ihr Ziel bei der Tour 2018?
Ich will zeigen, dass sich die harte Arbeit der letzten Wochen, nein, eigentlich Monate gelohnt hat. Und ich wieder dabei bin, Vollgas fahren und alles geben kann – nicht nur für mich, sondern besonders auch für das Team. Unser Fahrer für das Gesamtklassement ist Bauke Mollema, den wir natürlich möglichst weit nach vorne bringen wollen. Aber wir gehen auch auf Etappenjagd mit Jasper Stuyven – und natürlich mit mir.
John Degenkolb
Der gebürtige Geraer fährt seit 2017 für das Team Trek-Segafredo. 2015 gewann er die Frühjahrsklassiker Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix. 2014 sicherte er sich das "Grüne Trikot" des Punktbesten der Spanienrundfahrt.
Eine Möglichkeit dafür bietet das neunte Teilstück. Da geht es nach Roubaix – und zwar über 21 Kilometer auf ihrem geliebten Kopfsteinpflaster. Worauf wird es dabei besonders ankommen?
Ich freue mich auf Roubaix. Das ist halt etwas Außergewöhnliches. Ich bin ja auch schon einmal Zweiter geworden auf einer ähnlichen Tour-Etappe. Aber dieses Jahr ist es härter. Sie haben 15 Pavé-Stücke (Pflasterstein-Passagen, Anm. d. Red.) reingenommen, was richtig krass ist. Das ist schon ’ne Hausnummer. Gerade für die klassischen Bergfahrer: Die würden lieber noch eine Handvoll Berge mehr fahren, als auf dem Kopfsteinpflaster hin und her zu springen. Die Etappe ist deshalb mit dem normalen Klassiker nicht zu vergleichen. Es ist viel nervöser. Alle wissen, dass Chris Froome dort schon einmal die Tour verloren hat. Das wird von Anfang an Vollgas. Bauke muss den Tag überleben, darum geht es für uns und wir werden uns gegenseitig unterstützen, um das zu erreichen. Und was sonst noch dabei raus kommt? Wir werden sehen…
Die Zahl der Fahrer pro Team wurde von neun auf acht reduziert. Im Gegensatz dazu gibt es für ein gutes Ergebnis in der Tour-Gesamtwertung wesentlich mehr Punkte vom Weltradsportverband UCI als für einen Etappensieg. Könnte das ein Nachteil für Sie sein, weil Ihr Team bei der Roubaix-Etappe im Zweifel eher auf Kapitän Mollema aufpassen wird, als Sie zu unterstützen?
Nein, so rechnen wir nicht. Wie gesagt – wir wollen Bauke sowieso so gut wie möglich platzieren, das ist unser aller Ziel. Aber wir wollen natürlich auch die ein oder andere Etappe gewinnen. Wer das am Ende sein wird – Jasper, Bauke, der ja im letzten Jahr mit seinem Etappensieg schon bravourös gezeigt hat, wie es gehen kann, ich oder einer der anderen Fahrer –, spielt für uns keine Rolle. Für uns zählt das Team und als solches werden wir uns bei jeder Etappe so gut es geht gegenseitig helfen und unterstützen!
Trotzdem noch einmal zu Ihren persönlichen Ambitionen: Im April haben Sie im t-online.de-Interview gesagte, dass Sie sich bei der Wahl zwischen einem Tour-Etappenerfolg und einem Sieg bei Paris-Roubaix immer für die zweite Option entscheiden würden. Hat sich das nun spontan geändert?
Nein, das gilt nach wie vor. Aber um ehrlich zu sein: Am liebsten würde ich mich gar nicht entscheiden müssen und sowohl das eine, als auch das andere einfach feiern (lacht).
Sie waren bereits im vergangenen November zum ersten Materialtest in Roubaix. Wie haben Sie sich auf diese Etappe vorbereitet?
Wir haben Material getestet, die Pavés genau angeschaut – man muss einfach wissen, was grundsätzlich auf einen zukommt. Den Renntag selbst, den kann man aber nicht simulieren. Das ist nicht wirklich planbar, schon gar nicht bei der Tour.
Nach einem guten Saisonstart haben Sie eine hartnäckige Erkältung und eine Schleimbeutelentzündung im Knie lange außer Gefecht gesetzt. Hatten Sie den Tour-Start eigentlich schon abgeschrieben?
Nein, auf keinen Fall! Gerade wenn man verletzt oder krank ist, braucht man Ziele, um die Motivation hoch zu halten. Um sich zu schinden und zu quälen, um wieder in die Form zu kommen, die dann auch eine Nominierung durch das Team berechtigt. Dass ich das geschafft habe – zum sechsten Mal in Folge übrigens – macht mich schon stolz und glücklich.
Vor wenigen Tagen sind Sie Zweiter geworden bei der deutschen Meisterschaft. Auf einer Skala von eins (minimal) bis zehn (maximal) – wo würden Sie Ihre aktuelle Form ansiedeln?
Da ich auf dem zweiten Platz gelandet bin, war es wohl keine zehn – andererseits hatte ich kein Team, sondern musste mich als Einzelkämpfer durchschlagen... also vielleicht 9,5 (lacht)? Nein im Ernst – ich fühle mich sehr gut und fahre dementsprechend mit einem guten Gefühl zur Tour.
Die vergangenen Tage wurden vom Hickhack um den Start von Christopher Froome bestimmt. Am Sonntag wurde berichtet, dass der Tour-Veranstalter Froome ausladen wolle. Einen Tag später wurde er von der UCI freigesprochen. Ist es aus Ihrer Sicht richtig, dass er nun an den Start geht?
Wenn die WADA (die Welt-Anti-Doping-Agentur, Anm. d. Red.) als unabhängige Kontrollinstanz das Okay gibt, dann sollte man das meiner Meinung nach auch akzeptieren.