Tour de France Drama um Tony Martin - Cancellara siegt
Riesenpech für Tony Martin beim Auftakt der Tour de France in Lüttich: Der deutsche Hoffnungsträger musste beim 6,4 Kilometer langen Prolog nach der Hälfte der Strecke wegen eines Hinterradplattens sein Rad wechseln - eine Glasscherbe hatte seinen Reifen verschnitten. Er verlor so wertvolle Sekunden. Bis dahin lag der 27-Jährige gut im Rennen, am Ende belegte der Deutsche aber nur Platz 45. Der Zeitfahrweltmeister hatte den Sieg und das Gelbe Trikot beim Tour-Auftakt angepeilt. (Etappenergebnis im Überblick).
Schnellster in Lüttich war Zeitfahrspezialist Fabian Cancellara. Der Schweizer, der bereits 2004 auf exakt derselben Strecken gewonnen hatte, ist damit erster Träger des Gelben Trikots. Platz zwei ging an den Briten Bradley Wiggins, der damit seine Favoritenstellung im Kampf um den Gesamtsieg unterstrich. Titelverteidiger Cadel Evans kam auf den 13. Platz und lag 17 Sekunden hinter Cancellara. Von Wiggins trennten den Australier zehn Sekunden. Bester Deutscher war Patrick Gretsch, der auf Rang sieben zwölf Sekunden hinter dem Tagessieger lag.
Martin: "Schlag für die Moral"
"Ich bin sehr enttäuscht", sagte Martin. "Ich habe so lange auf diese Gelegenheit gewartet. Jetzt ist der Traum von Gelb vorbei. Das ist ein Schlag für die Moral", sagte Martin, der nach seinem bitteren Tour-Prolog geschockt in den Teambus verschwand und erst einmal niemanden sehen wollte. Schon seit Monaten gab er den Prolog, die beiden folgenden langen Zeitfahren und Olympia in London als seine Ziele aus. Vor dem Start hatte er noch optimistisch verkündet: "Das ist ein guter Kurs mit langen Geraden." Die Aussicht auf den Sieg und zugleich das Gelbe Leibchen sei eine "doppelte Motivation".
Zunächst hatte es für den Fahrer vom Team Omega Pharma-Quick Step auch gut ausgesehen. Doch unmittelbar nach Halbzeit der Strecke musste er dann aber unfreiwillig sein Rad wechseln und war aller Chancen beraubt. "Was für ein unglaubliches Pech", ärgerte sich Martins Sportlicher Leiter Brian Holm. Für Martin bleibt die Chance auf Gelb allerdings bestehen. Sollte er in den nächsten Tagen in Schlagdistanz zur Spitze bleiben, könnte er auf der neunten Etappe beim ersten langen Zeitfahren nach Besancon das Führungstrikot erobern.
Tour-Debütanten sind beeindruckt
Für Gretsch, Marcel Kittel und Dominik Nerz war die kleine Runde in der belgischen Industriestadt auch ohne absolute Spitzenplatzierung ein Erfolg - alle drei gaben ihr Tour-Debüt. Als "kurz und schmerzhaft" bezeichnete Kittel seinen ersten Auftritt mit einem Schmunzeln. "Die Nervosität ist schon sehr groß", räumte der Sprintspezialist ein. Zehntausende Zuschauer seien eine Extra-Motivation gewesen. "Bei dieser Kulisse tritt man automatisch fünf Watt mehr", sagte Kittel.
Die erste Etappe führt an diesem Sonntag von Lüttich nach Seraing und zwingt die Favoriten gleich zu Beginn zu erhöhter Aufmerksamkeit. Auf der kurzen, aber steilen Schlussrampe kann man sofort wertvolle Sekunden verlieren. Die Sprinter werden nach 198 Kilometer wohl nicht in den Kampf um den Tagessieg eingreifen können.
Schleck veriert schon viel Zeit
Mit Blick auf den Gesamtsieg mussten unterdessen schon einige Fahrer Dämpfer einstecken. Etwa der Vorjahres-Dritte Frank Schleck, der 31 Sekunden auf Wiggins verlor und somit in den Bergen unter Druck steht. Auch Samuel Sanchez (Euskaltel), 2011 immerhin Sechster, büßte bereits 33 Sekunden auf den Briten ein.
Dagegen zog sich der Russe Denis Mentschow (Katusha) als Achter gut aus der Affäre. Er lag nur sechs Sekunden hinter Wiggins. Und auch Andreas Klöden (RadioShack-Nissan/19. Platz) hielt den Rückstand mit zwölf Sekunden in Grenzen.