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Škoda Aktiv Training: Mit Hans-Michael Holczer aufs Plateau de Beille


Tour de France
Škoda Aktiv Training: Mit Hans-Michael Holczer aufs Plateau de Beille

Von t-online
Aktualisiert am 04.03.2022Lesedauer: 5 Min.
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Aus Frankreich berichtet Arne Henkes

Eigentlich hatte ich mich vor 13 Jahren von der Schulbank verabschiedet. Jetzt sitze mit einem Schreibblock und Stift ich in einem Raum und lausche gespannt den Worten meines Lehrers. Der große Unterschied zu meiner Schulzeit ist, dass es wirklich spannend ist, das Thema Radsport und nicht Mathematik oder Englisch heißt und der Lehrer Hans-Michael Holczer ist.

Holczer, einst mit dem Team Gerolsteiner erfolgreich im Radsport-Zirkus aktiv, leitet seit zwei Jahren das Škoda Aktiv Training, bei dem er Jedermann-Fahrern das Wissen aus dem Profi-Bereich vermittelt.

Nichts wird dem Zufall überlassen

In diesem Fall hat er es mit einer Gruppe Hobby-Radlern unterschiedlichen Leistungsstands zu tun, die er vor dem Rennen auf das Plateau de Beille führen soll. Keine leichte Aufgabe, mir selbst flößt der 13 Kilometer lange Anstieg mit Steigungen bis zu 12% mächtig viel Respekt ein. Da ist es beruhigend, wenn man einen erfahrenen Teamchef an seiner Seite weiß, der einem das Gefühl vermittelt, ein zweitägiges Trainingsprogramm genauso akribisch zu organisieren wie einen dreiwöchigen Tour-Einsatz eines 30-köpfigen Rennstalls. Angefangen von der Einstellung der Räder, über die richtige Präparation vor dem und die passende Formation während der Ausfahrt bis zur Auswahl des richtigen Hotels. Holczer und sein Team überlassen nichts dem Zufall.

Zu den Guides, die uns auf das Plateau begleiten sollen, gehört auch Christian Henn, Bronzemedaillen-Gewinner von Seoul und erfahrener Tour-Haudegen. Für das Plateau de Beille, das wir nach 50 Kilometer Anfahrt erreichen sollen, gibt unser "Captain sur Route" am Abend vor dem Anstieg folgende Anweisung aus: “Ruhig unten reinfahren, Rhythmus suchen und dann kann man später ja immer noch Gas geben." Die letzte Anmerkung sorgt für kollektives Gelächter. Beim Anblick des Bergprofils plagen offenbar nicht nur mich Zweifel ob der eigenen Leistungsfähigkeit.

"Müsli? Das liegt schwer im Magen..."

Am nächsten Morgen heißt es früh aufstehen. Zum einen, um die Kohlehydratspeicher ausreichend aufzufüllen, zum anderen, um rechtzeitig vor der Werbekarawane an dem Schlussanstieg der 14. Etappe zu sein. Während ich mir meinen Teller vollstopfe – so kennt man das ja aus dem Fernsehen – nutze ich die Gelegenheit, Hans-Michael Holczer zu fragen, ob diese notwendige Völlerei der Profis auch für mich Sinn ergibt. "Lieber nicht", wiegelt der ab. Mein Körper ist es einfach nicht gewohnt, diese Mengen entsprechend umzusetzen. Etwas weniger Glück haben meine Leidensgenossen, die sich bereits eine üppige Portion Müsli eingefahren haben, als Henn an den Tisch tritt, und feststellt: "Oh Müsli, das haben wir früher nie gegessen, das liegt so schwer im Magen…".

Mit mehr oder weniger vollem Magen geht es dann los. 50 Kilometer lockeres Einrollen in Richtung Pyrenäen, unterbrochen von ein paar kleinen "Asphaltwellen" (O-Ton Holczer), die im deutschen Mittelgebirge als waschechter Berg durchgegangen wären. Aber es läuft trotz des rauen französischen Asphalts erstaunlich gut. Die Beine fühlen sich Kilometer für Kilometer lockerer an, die Stimmung steigt. Das kühle Mütchen wird aber schnell von der drohenden Kulisse des Plateau de Beille gerade getrübt.

Ein Rettungsanker mit 28 Zähnen

Der Fuß des Berges ist erreicht. "Ab dieser Stelle kämpft jeder für sich alleine", hatte Holczer in der Besprechung am Vorabend gesagt. Und so ist es. Kaum ist das Schild "15,8 Kilometer bis zum Gipfel" erreicht, fliegt unsere Gruppe förmlich auseinander. Die Durchtrainierten, die Optimisten – sie sprinten in den Berg. Die Hobbysportler und die Vorsichtigen – darunter ich selbst – schalten sofort auf den kleinsten Gang. 34 Zähne vorne 28 hinten hat mir Jochen Lamade, ein erfahrener Profi-Mechaniker, aufgezogen. Den Profis reichen hinten 25 Ritzel und ich bezweifle, dass sie allzu häufig auf diesen Rettungsanker zurückgreifen müssen.

Die Henn‘sche Warnung im Hinterkopf versuche ich meinen Rhythmus zu finden. Gar nicht so einfach, wenn man immer wieder von den frenetischen Fans, die schon Stunden vor dem Rennen den Straßenrand säumen, angefeuert wird, oder die zahlreichen Hobbyradler umkurven muss, die sich ebenfalls an dem Plateau versuchen. Ein riesiger Tross mäandert den Berg hinauf. Und ich mitten drin.

Baskischer Rotwein, holländisches Bier und französische Würste

Meter für Meter quäle ich mich bergauf, allerdings gehen schnell meine Wasservorräte zur Neige und die Sonne brennt unerbittlich auf die Straße und meinen Kopf. Auf der Hälfte der Strecke ist meine zweite Flasche alle, der Hals wird kratzig. Zu unserem Teamfahrzeug will ich mich nicht zurückfallen lassen. Den kleinen Vorsprung, den ich mir erarbeitet habe, will ich auf keinen Fall wieder hergeben. Es ist eine paradoxe Situation. Vom Straßenrand wird mir alles Mögliche angeboten: Baskische Fans verfolgen mich mit einer Flasche Rotwein, ein paar Holländer winken mit ihren Heineken-Bierflaschen und ein rühriger Franzose hält mir eine Chorizo-Wurst entgegen, die er hier auf 1000 Meter Höhe über dem Meer gerade gebrutzelt hat. Auf die Idee, mir etwas Wasser zu reichen, kommt leider niemand. Zum Fragen fehlt mir die Puste.

Ein kleiner Gebirgsbach ist meine Rettung, auch wenn ich absteigen muss. Schnell fülle ich meine Flaschen und setze mich wieder auf das Rad. So fühlt sich also die zweite Luft an, es rollt wieder ganz passabel. Doch plötzlich ist die Straße dicht, ein großer Pulk versperrt mir den Weg. Mühsam bahne ich mir den Weg durch die Menschenmasse. Schnell mache ich auch die Ursache für diesen Stau aus: Der Tour-Teufel Didi Senft treibt hier sein Unwesen und jeder will ein Erinnerungsfoto mit ihm. Nur ich nicht, ich will einfach diesen verdammten Berg hoch, in meinem Rhythmus, den ich tatsächlich gefunden habe.

Gemeinsam mit den Profis den Berg runter

Die Rufe vom Tour-Teufel werden leiser, die Vegetation karger und plötzlich bin ich im Ziel angelangt. Genau genommen etwas vor dem Ziel. Denn über die Ziellinie kommt keiner mit dem Rad, der kein Fahrer der Tour ist. Von einem Versuch hat uns Hans-Michael Holczer dringend abgeraten. Bei ihrer Tour hört das "Laissez-faire" der Franzosen auf. Nach einer Stärkungspause kann ich wieder das machen, was ich am besten kann: Anderen beim Sport zusehen!

Das Tour-Peloton gibt sich in diesem Teilstück nicht mit einer 50-Kilometer-Anfahrt zufrieden. 150 Kilometer und fünf Bergwertungen haben Evans, Schleck und Co. in den Beinen, als sie den Anstieg zum Plateau de Beille erreichen. Als sie uns knapp vor dem Ziel passieren, wird der große Unterschied zwischen "einfach-oben-ankommen" und "um-den-Toursieg-mitfahren" überdeutlich. Teilweise haben die Fahrer an dieser etwas flacheren Stelle sogar das große Kettenblatt aufgelegt.

Auf dem Weg nach unten sind dann aber wirklich alle gleich. Nachdem der Besenwagen das Ziel passiert hat wollen alle nur noch nach unten: Die Fans, die Hobbyradler, der Tour-Tross und die Profis. Als ich unten im Tal ankomme rollt gemütlich Cadel Evans an mir vorbei. So nah kommt man den Sportlern wohl bei kaum einer anderen Sportart. Viel Zeit, diesen Augenblick zu genießen bleibt nicht, unser Teamchef drängt zur Eile. Schnell in den Bus, genug trinken, warm anziehen, essen. Wie bei den Profis eben. Mit dem kleinen Unterschied, dass wir am Folgetag die Beine hochlegen dürfen, während sich der Tour-Tross keine Pause gönnt.

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