Belgische Radsport-Legende Merckx kann es auch mit 75 nicht lassen - "Nicht beschweren"
Berlin (dpa) - Am 21. Juni steigen die Belgier aufs Rad. Anlässlich des 75. Geburtstages von Eddy Merckx gibt es in Brüssel einen Parcours mit Anekdoten und Erinnerungen an den erfolgreichsten Radrennfahrer der Geschichte, der im Vorort Woluwé-Saint-Pierre aufgewachsen ist.
Merckx selbst, der am 17. Juni seinen Ehrentag im Kreise der Familie feiert, wird dann wohl nicht dabei sein. Der bescheidene Volksheld steht nicht so gerne im Mittelpunkt. Rein sportlich würde Merckx aber die paar Kilometer locker wegstecken.
Seinen Trainingssturz im Oktober, als Merckx auf den Kopf fiel und sogar ins Krankenhaus musste, hat er gut überstanden. "Ich kann mich nicht beschweren. (...) Im Augenblick muss sich niemand um mich Sorgen machen. Ich habe keine besonderen Folgen von dem Unfall davon getragen", sagte Merckx dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Mittwoch-Ausgabe) und fügte gleich hinzu: "Ich fahre längst schon wieder Fahrrad, und zwar viel. Ich bin letzten Samstag und Sonntag gefahren, ein paar Stunden. Ich fahre so zwei-, dreimal die Woche, das sind immer so zwischen 50 und 70 Kilometer pro Runde."
So kennt die Radsport-Welt den "Kannibalen", wie er einst bezeichnet wurde. Denn Edouard Louis Joseph Baron Merckx, kurz Eddy, war in seiner Karriere auf dem Rennrad unersättlich und erbarmungslos. Der Sohn eines Lebensmittelhändlers hasste nichts mehr als zu verlieren - was allerdings nicht oft vorkam. Je fünf Mal gewann Merckx die Tour de France und den Giro d'Italia, sieben Mal triumphierte er bei Mailand-Sanremo. Alle weiteren Klassiker gewann der Patron mindestens zweimal, wurde dreimal Profi-Weltmeister und stellte 1972 in Mexiko-Stadt mit 49,431 Kilometern einen Stunden-Weltrekord auf.
Schier unglaubliche 525 Siege fuhr Merckx zwischen 1966 und 1978 auf der Straße ein - bis heute eine unerreichte Marke. Auch seine 34 Etappensiege und 96 Tage im Gelben Trikot bedeuten noch heute Tour-Rekord. Sein erster Toursieg 1969 war eine reine Machtdemonstration. Er gewann alle Wertungen, holte auch das Grüne und das Bergtrikot und hatte in der Endabrechnung fast 18 Minuten Vorsprung auf den zweitplatzierten Franzosen Roger Pingeon.
Von den Gegnern gefürchtet, von den Fans geliebt. Als die Tour de France zu seinen Ehren 2019 in Brüssel startete - exakt 50 Jahre nach seinem ersten Triumph - feierten ihn 75.000 Radsport-Fans mit "Eddy, Eddy"-Sprechchören, was dem bodenständigen Pedaleur eher unangenehm war. Das änderte nichts daran, dass er vom belgischen König 1996 in den Adelsstand erhoben wurde. Natürlich trägt auch in Brüssel eine Metro-Station seinen Namen und bei einer Fernseh-Wahl zum größten Belgier aller Zeiten landete Merckx 2005 auf dem dritten Platz.
Sein Wort ist in Belgien Gesetz, zu widersprechen vermag ihm niemand. "Eddy Merckx hat das Recht, jemanden in die Schranken zu weisen. Man muss sich nur seine Karriere anschauen", sagte jüngst das Supertalent Remco Evenepoel, nachdem er vom Altstar kritisiert worden war.
Merckx widmet von jeher sein Leben dem Radsport, auch nach seiner Karriere. Er gründete eine Firma, mit der er Rennräder herstellt. Merckx war zudem Sportdirektor von Rennen, trat und tritt als Kommentator und Botschafter auf. "Ich habe schnell realisiert, dass Radsport immer Teil meines Lebens ist", sagte der Radstar. An seine Erfolge kam keiner heran, auch nicht sein Sohn Axel, der ebenfalls Radprofi war und 2004 Olympia-Bronze gewann.
Neben Eddy Merckx gibt es nur drei Fahrer - Jacques Anquetil, Bernard Hinault und Miguel Indurain - die die Tour de France fünfmal gewannen. Lance Armstrong wurde bekanntlich aus den Siegerlisten als siebenmaliger Champion wegen Dopings gestrichen.
Gut möglich, dass Chris Froome in diesem Jahr dem exquisiten Kreis mit einem weiteren Tour-Sieg beitritt - wenn denn die Frankreich-Rundfahrt in Corona-Zeiten überhaupt stattfindet. Merckx hat da eine klare Meinung. Die Tour sollte nur mit Zuschauern stattfinden. "Die Fans gehören zur Tour. Ich verstehe, dass es für die Fahrer und die Teams wichtig ist. Aber ich persönlich würde eine Tour ohne Publikum erbärmlich finden", sagte Merckx jüngst der belgischen Zeitung "Het Nieuwsblad".