IOC-Präsident Bach Einfach nur scheinheilig
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Die Welt sah zu, wie Kamila Walijewa unter gigantischem Druck zerbrach. Trost spendete ihr zunächst niemand. Das "verstörte" auch Thomas Bach – doch der IOC-Chef hätte früher handeln können.
Die Kür im Eiskunstlauf bot Drama pur. Im Fokus: die russische Athletin Kamila Walijewa. Unter dem Druck der vergangenen Tage gab sie die Führung ab und verpasste am Ende eine Medaille. Nach ihrem Wettbewerb war sie völlig aufgelöst. Die Trainerin schien eiskalt. Sie nahm ihren Schützling zunächst nicht in den Arm. Trost gab es erst einmal keinen für die 15-Jährige – trotz des ganzen Trubels. Das empfand auch IOC-Präsident Thomas Bach als "erschreckend" (mehr dazu hier). Er sei "verstört" und zeigt sich nun offen für ein Mindestalter bei Olympischen Spielen. Bach sagte: "Wir haben angefangen, in der Exekutive darüber nachzudenken." Doch ganz ehrlich: Diese Aussage kommt viel zu spät. Und sie ist einfach nur scheinheilig.
Er hätte längst agieren können
Denn wenn einer hätte eher agieren können, dann er. Bach ist seit 2013 Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Bereits bei den Winterspielen in Sotschi 2014 gewann die 15-jährige russische Eiskunstläuferin Julia Lipnizkaja im Teamwettbewerb. Mit 18 Jahren beendete sie ihre Karriere wegen Magersucht. Ähnliches passierte 2018 in Pyeongchang: Alina Sagitowa errang im Alter von 15 Jahren den Sieg im Einzel. Auch von ihr hört man nichts mehr. Zwar gab es damals keinen Dopingverdacht wie im Fall Walijewa, doch allein das Schicksal Lipnizkajas war eine klare Warnung. Doch die wurde ignoriert.
Erst jetzt, nachdem die ganze Welt zusehen musste, wie Walijewa unter dem Druck zusammenbrach, äußerte sich Bach zu möglichen Reformen und zu einer Altersgrenze, um junge Athletinnen zu schützen. Es brauchte erst den öffentlichen Skandal um Kamila Walijewa, die der Welt "zum Fraß vorgeworfen wurde", wie es Katarina Witt formulierte, um ein Umdenken zu bewirken. Das hätte Bach vermeiden können, wenn er früher gehandelt hätte.
Es verging zu viel Zeit
Doch dafür ist der deutsche Olympia-Boss nicht bekannt, wie auch das Beispiel des russischen Doping-Skandals nach den Spielen in Sotschi 2014 zeigt. Denn bis das Nationale Olympische Komitee Russlands suspendiert wurde und russische Sportler unter neutraler Flagge bei den Olympischen Spielen an den Start gingen, verging viel zu viel Zeit. Bei den Sommerspielen in Rio 2016 verteidigte Bach seinen Kurs, die russische Olympia-Mannschaft nicht auszuschließen.
Seit Pyeongchang gibt es die neutrale Flagge unter der russische Sportler teilnehmen können. Die formale Sperre für Russland gilt bis Ende dieses Jahres. Kritik wurde laut, dass dies das System dahinter nicht ändern würde. Dass noch mehr gemacht werden müsste, da viele Betreuer und Trainer aus dem staatlichen Dopingsystem noch immer aktiv sind. IOC-Präsident Bach hält sich jedoch bedeckt. Konflikten geht er lieber aus dem Weg. Stattdessen sah man ihn zu Beginn der Spiele beim Bankett in Peking mit Chinas Führer Xi Jingping, Russlands Wladimir Putin und zahlreichen anderen Autokraten. Bach stört die Gesellschaft der Anti-Demokraten offenbar wenig.
Der Walijewa-Skandal und die Frage einer Altersgrenze für Olympia-Sportler sind längst nicht die einzigen Fälle, bei denen ein Eingreifen Bachs nicht nur wichtig, sondern längst überfällig ist. Klar ist, dass der IOC-Boss seinen Worten nun endlich Taten folgen lassen muss.