Mit Rumpfkader nach Tokio Olympia-Frust? Mehr Last als Lust bei Spielern und Klubs
DFB-Trainer Stefan Kuntz musste vor Olympia einige Absagen verkraften. Der U21-Europameister tritt die Reise nach Tokio mit deutlich weniger Spielern als geplant an. Doch warum ist das so?
Grauer Himmel, Nieselregen – die Laune von Stefan Kuntz passte zum trüben Frankfurter Wetter. Am Tag des Abflugs nach Tokio zu den Olympischen Spielen ließ der Trainer des "Team D" noch einmal seinen Frust raus. Eine Absage jagte zuletzt die nächste. Dabei ein großer Dorn im Auge des DFB-Trainers: die mangelnde Unterstützung etlicher Vereine für die deutsche Fußballmannschaft.
Diverse Klubs wollten ihre Spieler nicht abstellen. Für Kuntz ein einziges Ärgernis. "Wir mussten eine 100er-Liste erstellen – und nur von dieser dürfen wir nachnominieren", sagte Kuntz beim Abschlusstraining der DFB-Auswahl: "Wir haben jeden Spieler auf dieser Liste abtelefoniert oder mit den Vereinen gesprochen, und diese 18 sind übrig geblieben."
Nur 18 fahren mit – 22 hätten gedurft
Ersatz also: nicht in Sicht. "Ich glaube, dass keine Sportart nicht alle Kaderplätze besetzt. Ich finde, das ist kein optimales Zeichen vom Fußball – bei allem Verständnis", betonte Kuntz. "Wir haben sehr viele Vereine, die uns super unterstützt haben", einige hätten aber auch "mit der Unterstützung hinter dem Berg gehalten". Mit dem Ergebnis, dass nun lediglich 18 statt möglicher 22 Spieler die Reise antreten.
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"Die Bereitschaft, das Olympiateam zu unterstützen, war in der Bundesliga unterschiedlich. Einige große Vereine wollten leider nicht so wie erhofft helfen", hatte Kuntz bereits in der offiziellen Pressemitteilung der Kaderbekanntgabe verlauten lassen.
"Du hast zwei, drei Vereine, die helfen dir super, die unterstützen das. Aber bei dem ein oder anderen großen Verein kriegst du nicht mal den dritten Torhüter mit. Da muss ich meine Emotionen auch noch ein bisschen zügeln", hatte Kuntz später in der ARD gesagt.
Spieler wollen sich auf den Klub konzentrieren
Doch nicht nur die Vereine (Rekordmeister Bayern München ließ seinen dritten Torwart Ron-Thorben Hoffmann nicht ziehen) scheinen andere Prioritäten zu setzen. Neben U21-Europameister Ismail Jakobs, der wegen des Wechsels zum französischen Erstligisten AS Monaco auf Olympia verzichtet, wollen sich beispielsweise auch Niklas Dorsch (FC Augsburg) und Suat Serdar (Hertha BSC) auf ihre neuen Vereine konzentrieren. Immerhin: Für Dorsch und den verletzten Josha Vagnoman (Hamburger SV) fand Kuntz in Ragnar Ache (Eintracht Frankfurt) und Keven Schlotterbeck (SC Freiburg) kurzfristig noch Ersatz.
Auch Herthas neuer Geschäftsführer Fredi Bobic hatte das Fehlen von Spielern von deutschen Topklubs im deutschen Olympia-Kader beklagt. "Es ist eigentlich schade. Normalerweise musst du stolz drauf sein, den ein oder anderen wegzuschicken",so Bobic bei Magenta TV.
Spieler wollen "Chance" im Klub nutzen
"Das ist keine Faust in der Hosentasche, es ist ein Dialog", sagte Kuntz: "Der eine oder andere Spieler wollte nicht, auch aus egoistischen Interessen", um seine "Chancen" zu nutzen. Auch wenn gerade die Vereine von vergangenen Turnieren der U21 profitiert hätten, "weil der Marktwert der Spieler sich kontinuierlich nach oben geschraubt hat". Doch der 58-Jährige will einen Strich darunter ziehen: "Damit ist aber auch gut mit der Beklagerei. Sonst werden wir den Jungs nicht gerecht, die voller Freude für Olympia brennen."
Und davon hat er noch einige, allen voran Max Kruse. "Es ist eine Ehre, dabei sein zu dürfen. Das ist Begeisterung pur", sagte der Stürmer von Union Berlin. Olympia sei "alles andere als Routine. Da kommt noch ein bisschen der kleine Junge in mir raus."
Trotz allem ist das "erste Ziel" für Kuntz das Viertelfinale: "Dann lockt auch das Olympische Dorf." Spätestens dann dürfte der Stress der Vorbereitungsphase vorerst vergessen sein.
- Mit Material der Nachrichtenagentur SID
- Eigene Recherche