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Nach Olympia-Gold: Snowboarderin Selina Jörg im Interview


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Snowboarderin Selina Jörg
"Da würde sich ein Fußballer nicht mal die Schuhe binden"

Aus Pyeongchang berichtet Tobias Ruf

Aktualisiert am 24.02.2018Lesedauer: 4 Min.
Selina Jörg: Im Parallel-Riesenslalom gehört die Allgäuerin zur Weltspitze.Vergrößern des Bildes
Selina Jörg: Im Parallel-Riesenslalom gehört die Allgäuerin zur Weltspitze. (Quelle: Mathias Mandl/imago-images-bilder)
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Selina Jörg ist Snowboarderin und bestreitet in Pyeongchang ihre dritten Olympischen Spiele. Was treibt eine Sportlerin an, trotz geringer Gehälter und überschaubarer medialer Aufmerksamkeit alles ihrem Sport unterzuordnen?

Wie beurteilt sie die Geldverteilung im Sport? Und was ist ihre Konkurrentin und Sensations-Olympiasiegerin Ester Ledecka aus Tschechien eigentlich für ein Typ? t-online.de hat die 30-jährige Allgäuerin in Pyeongchang getroffen.

Frau Jörg, wie ist ihr Eindruck von den Olympischen Spielen?

Selina Jörg: Wir waren zunächst in einem Skigebiet außerhalb von Pyeongchang, um noch zu trainieren. Da wir erst in der zweiten Woche mit unseren Vorbereitungen starten, war das eine sinnvolle Maßnahme, um die Spannung hochzuhalten. Seit Montag sind wir im olympischen Dorf, haben unsere ersten Trainingseinheiten absolviert und sind jetzt bereit für den Wettkampf am Samstag.

In welchem Zustand ist die Piste?

Die Verhältnisse sind anders als in Europa. Der Schnee ist aggressiver, da muss man seine Fahrweise natürlich anpassen. Aber ich bin in der letzten Saison beim Weltcup schon gut damit zurechtgekommen, auch in diesem Jahr habe ich ein gutes Gefühl.

Mit welchen Erwartungen treten Sie hier an?

Ich habe natürlich die Hoffnung, dass es mit einer Medaille klappt. Bei den Spielen in Vancouver bin ich mit dem vierten Platz ganz knapp am Podium gescheitert. Das soll hier nicht noch einmal passieren. Die Weltcup-Ergebnisse waren auch gut, deswegen gehe ich optimistisch an den Start.

Im Herbst Ihrer Karriere sind Sie so richtig in Fahrt gekommen und bereits vier Mal in dieser Saison aufs Podium gefahren. Woher kommt die Leistungssteigerung?

Ich habe eine sehr gute Vorbereitung absolviert, das ist sicher einer der Hauptgründe. Außerdem ist die Stimmung im Team super, das trägt auch einen großen Teil bei. Ich habe gerade richtig Spaß an meinem Sport.

Welche Rolle haben Sie innerhalb des Teams? Sie gehören ja zu den erfahrensten unter den Snowboardern?

Natürlich habe ich immer Tipps auf Lager, wenn mich die jüngeren Kolleginnen etwas fragen. Gerade vor Olympia kam schon die ein oder andere auf mich zu und hat gefragt, was man bei den Spielen so alles beachten muss.

Wie sind Sie dazu gekommen, professionelle Snowboarderin zu werden?

Wie fast alle Snowboarder habe ich mit klassischem Skifahren angefangen. Meine Schwester hat dann eines Tages ein Snowboard mitgebracht, ich durfte es fahren und war sofort begeistert. Mit 14 hatte ich dann das Glück, auf das Sportinternat „Christopherus-Schule“ in Berchtesgaden gehen zu dürfen. Hier hat die Infrastruktur gestimmt, ich konnte mich unter professionellen Bedingungen auf meinen Sport konzentrieren.

Snowboard gehört in Deutschland nicht zu den Sportarten, in denen man das große Geld verdienen kann. Wie ist es trotzdem möglich, sich voll auf den Sport konzentrieren zu können?

Ich bin seit elf Jahren bei der Bundeswehr angestellt und habe einen Behördenplatz dort. Ohne diese Förderung könnte ich meinen Sport nicht ausüben. Außerdem habe ich noch kleinere Sponsoren, die mich mit Dingen wie Klamotten oder Helmen unterstützen. Aber für all das zusammen würde sich ein Fußballer nicht mal die Schuhe binden, das muss man so deutlich sagen.

Empfinden Sie das als ungerecht? Schließlich ordnen Sie in ihrem Leben auch alles dem Sport unter…

Ja, man erwischt sich da schon gelegentlich bei diesem Gedanken. Ich denke, das ist ein ganz natürlicher Instinkt, der da in einem wächst. Schon im Wintersport sind die Unterschiede riesig. Klassische Sportarten wie Ski Alpin oder Skispringen generieren viel höhere Preisgelder. Das liegt vor allem an der TV-Präsenz. Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb es bei uns in den letzten Jahren zurückgefahren wurde. Die Leistungen haben gepasst, und Snowboard ist unter den Freizeitsportlern ja auch beliebt. Trotzdem sind wir, verglichen mit den Anfangsjahren meiner Karriere, immer weniger im TV-Programm zu sehen.

Ihre Konkurrentin Ester Ledecka hat sensationell den Super-G bei den Alpinen gewonnen. Wie ist so was möglich, sie ist ja eigentlich Snowboarderin…

Sie ist ein Jahrhunderttalent, das gibt es in dieser Form nur ganz selten. Eigentlich ist Snowboard ja ihre Paradedisziplin. Dass sie bei den Alpinen eine Goldmedaille gewonnen hat, ist schon der Wahnsinn. Wir haben uns alle riesig für sie gefreut und ihr natürlich gratuliert.

Kennen Sie Ledecka näher? Was ist sie für ein Typ?

Sie ist sehr zurückgezogen und uns gegenüber distanziert. Daher kenne ich sie nicht genauer. Das ist nichts Negatives, sondern einfach ihre Art. Auf der Pressekonferenz nach ihrem Olympia-Sieg hat sie ja die Brille aufgelassen. Das macht sie bei uns auch immer.

Sind das Ihre letzten Olympischen Spiele?

Ja, definitiv. Ich werde im März nach Saisonende entscheiden, wie es mit meiner Karriere weitergeht. Aber vier Jahre werde ich nicht mehr machen. Nächste Saison finden Weltmeisterschaften statt, die nehme ich aller Voraussicht nach noch mit.

Wie geht es nach der Karriere weiter?

Ich habe neben meinem Sport Wirtschaftspsychologie studiert, dort meinen Master gemacht und damit eine gute Grundlage für das Leben nach dem Sport gelegt. Das lässt mich entspannt in Richtung Zukunft blicken.

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