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Handball-EM: Knapper DHB-Sieg gegen Island – Durchbruch im Hexenkessel?


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Krimi gegen Island
Der Schlüsselmoment – der jetzt alles verändert?


Aktualisiert am 19.01.2024Lesedauer: 5 Min.
Julian Köster schreit vor Freude: Sein Schrei war nur einer von knapp 20.000.Vergrößern des Bildes
Julian Köster brüllt vor Freude: Sein Schrei war nur einer von knapp 20.000. (Quelle: kolbert-press/Marc Niemeyer/imago-images-bilder)

Gegen Island feierte die deutsche Handball-Nationalmannschaft einen hauchdünnen Sieg vor einem frenetisch jubelnden Publikum. Der Erfolg birgt eine große Chance.

Als Julian Köster mit seinem Treffer zum 26:24 fünf Sekunden vor Schluss endgültig alles klarmachte, schrie er seine Freude mit aller Kraft heraus. Doch trotz seines ob der Intensität des Schreis zu einer Grimasse verzerrten Gesichts blieb Köster leise, eine freudige Pantomime inmitten der Kölner Lanxess Arena. Zu ohrenbetäubend war der Lärm, den die 19.750 Zuschauer auf den Rängen der ausverkauften Halle machten, als dass Köster ihn mit seinem Gebrüll hätte durchdringen können.

Vorausgegangen war ein EM-Hauptrundenspiel gegen Island, das für die deutsche Handball-Nationalmannschaft zum wahren Härtetest geworden war. In einer über die volle Distanz hart und ausgeglichen geführten Partie schaffte es das DHB-Team, die Oberhand zu erlangen und so die Chance auf das Halbfinale zu wahren. Dabei verwandelte das Publikum die Kölner Arena in einen Hexenkessel und ließ so die Mannschaft auf dem Platz über sich hinauswachsen. Zusammen schafften sie womöglich einen Schlüsselmoment auf dem Weg zu großen Zielen.

Frankreich-Pleite warf Fragen auf

Das Island-Spiel sticht im bisherigen Turnierverlauf der deutschen Mannschaft deutlich heraus. So startete das Team von Bundestrainer Alfred Gíslason mit zwei klaren Siegen gegen die Schweiz und Nordmazedonien in die Heim-EM. Es waren jedoch Siege, die nur bedingt Selbstvertrauen auslösten. Denn schon vor Turnierbeginn stand fest: Der erste echte Test wartete im letzten Gruppenspiel gegen den Rekordweltmeister aus Frankreich.

Dort zeigte die DHB-Auswahl dann zwar eine kämpferische Leistung, musste besonders in den Schlussminuten aber doch der hohen individuellen Klasse der Franzosen Tribut zollen und sich am Ende mit 30:33 geschlagen geben. Die logische Folge waren Fragen nach der Leistungsfähigkeit der deutschen Mannschaft. Kann das tatsächlich für den Angriff auf den Titel reichen?

Heimpublikum konnte Bundestrainer noch nicht begeistern

Auch die Unterstützung des Heimpublikums hatte in den ersten Spielen die Erwartungen noch nicht ganz erfüllt – zumindest, wenn es nach Bundestrainer Alfred Gíslason ging. Dem in Berlin ausgetragenen Gruppenspiel gegen Nordmazedonien hatte der Isländer noch "Freundschaftsspiel-Stimmung" attestiert. Sogar die Rekordkulisse von über 53.000 Zuschauern beim Auftaktspiel im Düsseldorfer Fußballstadion hatte ihm nicht sonderlich imponiert. Es sei nicht lauter als in Köln gewesen, hatte Gíslason danach gesagt.

Ebendort – im "Handball-Mekka", wie Linksaußen Rune Dahmke die Lanxess Arena nannte – hatte seine Mannschaft nun ihr erstes Schicksalsspiel zu bestreiten. Denn nach der Niederlage gegen Frankreich ist Verlieren für die deutsche Mannschaft in der Hauptrunde verboten, soll der Traum vom Titel weiterleben. Ein großer Druck für eine in großen Teilen noch sehr junge Mannschaft.

Hinten hui, vorne pfui

Als die Isländer gleich zu Beginn mit 2:0 in Führung gingen und die DHB-Auswahl zweieinhalb Minuten lang an einem wirkungsvollen Torabschluss hinderten, wurde klar, dass es erneut ein harter Kampf werden würde. "Ich habe seit vielen Monaten nicht mehr so ein Kampfspiel erleben können. Ich habe gemerkt, dass wir für jedes einzelne Tor unglaublich rackern mussten", bilanzierte DHB-Sportvorstand Axel Kromer nach dem Spiel das Geschehen, das sich gerade auf der Platte zugetragen hatte.

Dabei ließ sich die Leistung der deutschen Mannschaft wohl am besten mit "hinten hui, vorne pfui" umschreiben: Gerade einmal 58 Prozent der deutschen Torabschlüsse fanden das Ziel, darunter auch einige freie Würfe. "Wir müssen den Angriff wieder besser hinkriegen. Der war zwischendurch nicht ganz so durchschlagskräftig", bemängelte Julian Köster dementsprechend nach dem Spiel. Verantwortlich für die ineffektive Offensivleistung war allerdings auch ein stark aufgelegter Viktor Gísli Hallgrímsson im isländischen Tor, der 34 Prozent der deutschen Würfe entschärfte.

"Der beste Torwart des Turniers"

Doch ebenso wie die Isländer verteidigte auch die deutsche Mannschaft leidenschaftlich. "Wir haben nicht gut gespielt, aber wir haben speziell in der Defensive immer gekämpft. Das war der Schlüssel, um heute erfolgreich zu sein", analysierte Kai Häfner.

Getragen wurde das Team dabei von einem ebenfalls stark aufgelegten Andreas Wolff zwischen den Pfosten. Ganze 33 Prozent der isländischen Würfe scheiterten an ihm, darunter sogar vier von sechs Siebenmetern. "In der Verfassung ist er der beste Torwart des Turniers", lobte Mannschaftskapitän Johannes Golla seinen Keeper später.

Wolff entzündet das Feuer unter dem Hexenkessel

Insbesondere mit den zwei gehaltenen Siebenmetern in den letzten zehn Minuten brachte Wolff sein Team auf die Siegerstraße – und das in doppelter Hinsicht: So fachte er das Feuer unter dem Hexenkessel von Köln richtig an und peitschte die Menge zu wahrhaft ohrenbetäubenden Jubelschreien an. "Bei den zwei Siebenmetern, die Andi hält, ist die Halle explodiert", formulierte es Golla. Eigentlich sei eine solche Leistung unmöglich, "aber Andi hat es geschafft".

Und der Rest der Mannschaft tat es ihm gleich. Angefeuert durch die Fans brach die Mannschaft anders als gegen Frankreich in der Schlussphase nicht ein, im Gegenteil: Sie bäumte sich auf. Hatte es zehn Minuten vor Schluss noch 19:19 gestanden, erspielte sich das DHB-Team in der Folge die entscheidende Führung.

"Das kann die Mannschaft nach vorne bringen"

Nach dem Rückschlag gegen Frankreich nutzte die Mannschaft also die Chance, zu zeigen, dass sie auch enge Spiele gegen harte Gegner gewinnen kann und nimmt nun Selbstvertrauen und Rückenwind mit in den Rest der Hauptrunde. "Dass wir dann so ein Spiel mit zwei Toren Unterschied gewinnen, ist natürlich etwas, was uns für die Zukunft helfen wird", gab sich Sportvorstand Kromer optimistisch. "Im Nachhinein muss ich sagen: Was könnte denn Besseres passieren als so ein Spiel, wenn es denn gewonnen ist?"

Kapitän Golla beklagte zwar den "körperlichen Abnutzungskampf", schlug aber in eine ähnliche Kerbe wie Kromer: "Wir haben heute gezeigt, dass wir auch mit Stress umgehen können." Und Bundestrainer Gíslason betonte: "Die Jungs haben so viel Charakter gezeigt. Das kann die Mannschaft einen riesigen Schritt nach vorne bringen."

Sie alle wissen: Dieser eine Erfolg könnte ein Wendepunkt sein. Eine Initialzündung hin zur perfekten Symbiose aus selbstbewusster Mannschaft und euphorischem Publikum.

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Schon einmal gelang der Titel in Köln

Damit diese Traumkombination auch tatsächlich zustande kommt, nimmt Kapitän Golla seine Mannschaft in die Pflicht: "Uns ist bewusst, dass wir in Vorleistung gehen müssen, dass wir guten Handball zeigen müssen", sagte er. "In den guten Phasen knallt die Halle. Das brauchen wir. Dafür sind wir selbst verantwortlich."

Aus Köln muss die deutsche Mannschaft immerhin nicht mehr weg: Sowohl die restlichen Hauptrundenspiele als auch ein mögliches Halbfinale und Finale werden in der Lanxess Arena stattfinden. Das freut Golla, der um die Besonderheit der Halle weiß. "Irgendwie hat die Halle einfach etwas Besonderes, was man wirklich schwer erklären kann", sagte er. Nicht umsonst verlor eine deutsche Nationalmannschaft noch nie ein Spiel in der Kölner Arena.

Zum "Mythos Lanxess Arena" zählt sicherlich auch die Erinnerung an den WM-Titel von 2007, den das deutsche Team dort gewinnen konnte. Will die aktuelle DHB-Auswahl Ähnliches erreichen, wird sie mehr Spiele wie gegen Island brauchen. Auf dem Platz und auf den Rängen. Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung ist gemacht – hin zur perfekten Symbiose. Den nächsten kann die deutsche Mannschaft schon am Samstag gehen. Dann trifft sie auf Österreich.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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