Kugelstoß-Ass Storl mit Saisonziel Olympia: "Für mich zählt jeder Tag"
Leipzig (dpa) - Nach dem verkorksten WM-Jahr will Kugelstoßer David Storl wieder angreifen und die Lücke zur Weltspitze bis Olympia schließen - ein Umstieg auf die Drehstoßtechnik ist für den gelernten Angleiter aber absolut kein Thema.
Die Zeit für ein Erlernen der komplizierten Abläufe wäre viel zu kurz, da sind sich der zweimalige Weltmeister und sein Trainer Wilko Schaa einig. "Und was mich ein bisschen nervt: Man tut so, als sei das Problem erst jetzt aufgekommen. Dreht jetzt die ganze Welt? Dabei ist die Technik schon 30 Jahre alt", sagte Storl der Deutschen Presse-Agentur vor den Hallen-Meisterschaften der Leichtathleten am Wochenende in Leipzig.
Für Astrid Kumbernuss gehört die Zukunft allein den Drehstoßern. "Unfassbar! Ich habe mich bei der WM gar nicht mehr eingekriegt, wie da die Post abgegangen ist. Da kann man David Storl keinen Vorwurf machen - da hat man als Angleiter keine Chance", sagte die Olympiasiegerin von 1996 und dreimalige Weltmeisterin. Allerdings brauche man für diese Technik Geduld und Zeit, "da kann es sein, dass man erst im dritten Jahr richtig Erfolg hat. So um sich selbst zu drehen, das muss einem in die Wiege gelegt worden sein", meinte die 50-Jährige.
Storl hat kürzlich in Lodz 20,03 Meter weit gestoßen, damit ist Deutschlands erster und zugleich jüngster Kugelstoß-Weltmeister (2011/Daegu) derzeit die Nummer 43 in der aktuellen Jahresweltbestenliste; Olympiasieger Ryan Crouser aus den USA stieß mit der Drehtechnik die Kugel schon 22,60 Meter weit - das sind Welten.
"Den Trend haben wir in Deutschland definitiv verschlafen - auch in der Trainer- und Jugendausbildung", gab Schaa im dpa-Gespräch zu. "Da sind uns die anderen Nationen 30 Jahre voraus", sagt der erfahrene Trainer, der von 2009 bis 2017 am Leipziger Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) tätig war. Er sei "erstaunt, dass jetzt viele feststellen, dass der Drehstoß die Welt dominiert. Das ist schon seit 1995 so", erklärte der 37-Jährige.
"Mal eben auf Drehstoß umzustellen, das geht nie! Da habe ich einfach kein Zeitfenster mehr", schilderte Storl. "In drei Monaten kann ich keine neue Technik aufbauen. Da könnte ich nicht zu Olympia, nicht zur EM Ende August und vielleicht auch nicht zur WM im nächsten Jahr", sagt der Routinier vom SC DHfK Leipzig. "Und dann fragen sich die Sponsoren: Was macht der Storl denn da?"
An seine Freiluft-Bestleistung von 22,20 Meter ist Storl seit viereinhalb Jahren nicht mehr herangekommen - die internationale Konkurrenz nähert sich den 23 Metern. "Man muss die Situation sehen: Das ist gigantisch! Da steht man wirklich vor einem Problem", sagte Storl, der seit 2007 immerhin 19 internationale Medaillen gewonnen hat. Im vorigen Jahr quälte ihn eine komplizierte Rückenverletzung, das war schon im April - aber Storl wollte unbedingt zur WM. Er musste die Saison dann im August aber abbrechen. "Die blöde Verletzung hat das ganze System durcheinander gebracht", sagte Schaa, er sprach von einem "Frust- und Lehrjahr" gleichermaßen.
"Ganz normal" will sich das Duo Storl/Schaa auf Olympia vorbereiten und die DLV-Norm von 21,10 Metern möglichst schon am 21./22. März beim Winterwurf-Europacup im portugiesischen Leiria abhaken. "Mit Olympia beschäftige ich mich wirklich noch nicht, Tokio ist noch kein Thema! Der Weg ist noch so lang, und ich will den dritten Schritt nicht vor dem ersten machen." Und: "Von der Olympia-Norm bis zu einer Medaille sind es noch mal 1,80 Meter."
Neun Medaillen gibt es für die Kugelstoß-Männer bei den nächsten Großereignissen - Olympia, EM, WM - zu gewinnen. Auch für einen Angleiter? Storl macht eine Kunstpause - und lacht: "Ich hoffe, dass mindestens einer dann da oben auf dem Podium steht..."