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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der Spielmacher Paul Drux: "Wir Handballer sind hart im Nehmen"
Sie schmeißen sich mit dem ganzen Körper in jeden Zweikampf, lassen keine Lücke offen. Handballer wie der Nationalspieler Paul Drux zeigen vollen Einsatz und gehen dafür bis an die Schmerzgrenze. Doch das birgt auch ein großes Risiko.
Paul Drux gehört zu den größten Handball-Hoffnungen Deutschlands. Der Rückraumspieler der Füchse Berlin ist bekannt für seine körperbetonte Spielweise und schreckt vor keinem Zweikampf zurück. Aus diesem Grund musste der 24-Jährige während seiner noch jungen Karriere aber immer wieder mit Verletzungen kämpfen.
Aus diesen Rückschlägen ist er als Spieler und Mensch gestärkt hervorgegangen und sagt im Interview mit t-online.de: "Ich habe mittlerweile gelernt, dass die Gesundheit im Vordergrund steht und Handball nicht alles ist. Es gibt auch noch ein Leben danach." Die Handball-EM 2020 könnte das Turnier von Paul Drux werden. Denn dort könnte der gebürtige Gummersbacher die Rolle des Spielmachers übernehmen und damit die verletzten Spieler Fabian Wiede und Martin Strobel ersetzen.
t-online.de: Herr Drux, Sie sind als Handballer bekannt dafür, hart im Nehmen zu sein. Was denken Sie sich, wenn Sie Fußball gucken und sehen, wie sich Spieler nach leichten Fouls am Boden wälzen? Denken Sie sich manchmal: "Steh auf, das ist doch kein Schmerz!"
Paul Drux (24): Nein, das denk ich nicht (lacht). Mich stört daran aber, dass man als Sportler, der auch im Fernsehen zu sehen ist, eine gewisse Vorbildfunktion für jüngere Sportler hat. Solche Aktionen vermitteln keine Werte, die ich gut finde.
Welche Werte meinen Sie?
Im Sport gehört es für mich dazu, dass man sich nach einem Foul die Hand gibt und danach alles wieder gut ist. Man sollte auch respektvoll mit dem Schiedsrichter umgehen. Das gefällt mir im Handball deutlich besser als im Fußball.
Handballer haben den Ruf, noch "echte Kerle" zu sein und mit einer ehrlichen Sportlermentalität ihrem Beruf nachzugehen, die Fußballern vermeintlich fehlt. Stimmen Sie da zu?
Mir fällt es schwer, alle Fußballer über einen Kamm zu scheren. Es gibt auch viele gute Jungs, die das nicht machen. Wenn ich bei Union Berlin beim Spiel bin, sehe ich, dass dort alle Spieler kämpfen bis zum Umfallen. Das ist für mich ein Beispiel, wie es auch aussehen kann. Aber wenn man sich manchmal Champions-League-Spiele beim Fußball anguckt, denkt man schon, dass man in einer anderen Welt ist.
Während Fußballer auch bei Erkältungen ausfallen, sagten Sie in einem Interview: "Ein bisschen China-Öl vor dem Spiel auf die Brust. Dann ist die Nase frei".
Ich glaube, wir Handballer sind schon relativ hart im Nehmen. Bei jedem Zwicken ist nicht gleich eine Pause angesagt.
Auf dem Spielfeld scheuen Sie keinen Zweikampf und wurden durch diese harte Spielweise in den letzten Jahren immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen. Haben Sie mittlerweile Angst vor weiteren Blessuren?
Nein, das habe ich nicht. Aber ich habe mittlerweile gelernt, dass Handball nicht alles ist und die Gesundheit im Vordergrund steht. Es gibt auch noch ein Leben danach. Deshalb absolviere ich ein Wirtschaftsstudium und habe einige Projekte am Laufen. Auch deshalb gehe ich nicht mit der Angst auf das Spielfeld, mich nochmal zu verletzen.
Wie haben Verletzungen Sie verändert?
Ich versuche, mich mehr abseits des Handballfeldes weiterzuentwickeln. Im schlimmsten Fall kann es nämlich sein, dass man nach einer Verletzung nicht mehr zurückkommen kann.
Gab es bei Ihnen schon einmal den Gedanken an ein Karriereende?
Nein, soweit war es dann doch noch nicht (lacht). Meine schwerste Verletzung hatte ich relativ früh in meiner Karriere. Damals habe ich ohnehin noch nicht so reflektiert darüber nachgedacht. Bei meinen letzten Verletzungen war mir klar: Wenn ich eine gute Reha mache, lande ich auch wieder auf dem Spielfeld.
Ihr Nationalmannschaftskollege Uwe Gensheimer kritisierte kürzlich im Interview mit t-online.de den eng getakteten Spielplan von Handballern. Dieser hätte zur Folge, so Gensheimer, dass sich Spieler häufiger verletzen. Stimmen Sie Ihrem Teamkollegen da zu?
Man sollte versuchen, den Spielplan so zu gestalten, dass die Sommerpause länger ist. Gute Beispiele sind die amerikanischen Profiligen, wo Spieler ihre Körper bis zu zwei Monate lang regenerieren können. Das ist vor allem wichtig für die Handballer, die in der Nationalmannschaft und in europäischen Wettbewerben spielen. Bei ihnen merkt man, dass die Verletzungsanfälligkeit extrem hoch ist.
Bei der EM plant Bundestrainer Prokop mit Ihnen als Spielmacher, da Routinier Martin Strobel aufgrund einer schweren Knieverletzung nicht teilnehmen kann. Wie schwer wiegt seine Absage?
Ich bin mir sicher, er hat die Absage schweren Herzens getroffen. Er wäre gern dabei gewesen und hätte uns als Mannschaft sicherlich extrem geholfen. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen: Nach so einer schweren Verletzung ist es verständlich, dass er absagt.
Welche Spielanteile erwarten Sie für sich bei der EM?
Ich hoffe natürlich auf möglichst viel Spielzeit. Ich bin mir aber auch dessen bewusst, dass der Kader breit ist und nicht jeder die gleichen Spielanteile bekommen kann. Das ist auch der wichtigste Punkt zwischen Verein und Nationalmannschaft: Es ist sehr wichtig zurückzustecken, aber auch alles zu geben, wenn man auf dem Platz steht. Und dafür bin ich bereit.
Welchen Spielstil bevorzugen Sie als möglicher DHB-Spielmacher? Den skandinavischen Tempohandball oder den osteuropäischen Krafthandball?
Mir gefällt eher die skandinavische Variante: Temporeich und technisch sehr stark.
Wo zwischen diesen beiden Extremen wird die deutsche Mannschaft stehen?
Wir wollen möglichst beides schaffen. Ich glaube, wir können in der Abwehr sehr hart spielen. Das haben wir in den letzten Jahren immer gezeigt. Wir haben aber auch viele technisch starke Spieler dabei, die den Ball gut fliegen lassen. Wir müssen es einfach versuchen, dieses Tempospiel noch weiter zu forcieren.
Wie kann Deutschland Europameister werden?
Deutschland wird Europameister, wenn wir es schaffen, in der Abwehr stabil zu stehen und dort Beton anzurühren.