Senkrechtstarter im DHB-Team Torhüter Wolff gehört die Zukunft
Das "Tier" im Tor ließ seine Arme blitzschnell hervorzucken, parierte mit rechts, links, der Schulter, der Fußspitze und sogar dem Unterleib. Andreas Wolff ließ zum Abschluss eines grandiosen Turniers auch die Spanier verzweifeln - ein erheblicher Teil des EM-Titels ist dem Senkrechtstarter im deutschen Team zuzuschreiben.
Mit der Schlusssirene stürmten deshalb alle seine Mitspieler auf Wolff zu, der anschließend im schwarz-rot-goldenen Konfettiregen inbrünstig "We are the champions" grölte. "Uns hat eine Euphorie überkommen, die uns zum Titel getragen hat. Kaum zu glauben, dass wir die jüngste Mannschaft des Turniers waren", sagte der Schlussmann im ARD-Interview.
Heinevetter hat das Nachsehen
Auch dank Wolffs Paradenquote von wahnwitzigen 48 Prozent war das Finale kaum nervenaufreibender als der Gruselroman, den er in Polen zur Entspannung zwischen den Spielen las. "Andi Wolff, da wirst du doch bekloppt!", schrieb der Deutsche Handballbund (DHB) bei Twitter während des Spiels, es folgten noch 21 weitere Ausrufezeichen. Andreas Wolff, HSG Wetzlar, 24 Jahre alt, 1,98 Meter lang, 100 Kilo schwer, der Torhüter des Europameisters - das wäre vor Wochen noch undenkbar gewesen.
Im Dezember nominierte ihn Bundestrainer Dagur Sigurdsson überraschend für den etablierten Silvio Heinevetter. Wolff zahlte das Vertrauen Parade für Parade zurück, stieg nach dem zweiten EM-Spiel zur Nummer eins auf, und im Finale war er fast überhaupt nicht mehr zu bezwingen. "Schwierig wird es, wenn der Vollmond verschwindet und er sich wieder in einen Menschen zurückverwandeln muss", schrieb ein User bei Twitter. Hunderte drückten den Retweet-Button.
Bücher als Ausgleich
Diese Beschreibung passt gut - Andreas Wolff liebt Thriller. "Beim Lesen von Gruselromanen kann ich am besten runterfahren", sagt er: "Meine Eltern haben mir eine ganze Tüte mit Büchern mitgegeben, die ich an Weihnachten zu Hause liegen lassen habe." Bald wird er seine Geschichte selbst in Büchern lesen können.
Und die EM war erst das Auftaktkapitel. Andreas Wolff gehört die Zukunft im deutschen Tor. Spätestens, wenn Stammkeeper Carsten Lichtlein (35) seine Nationalmannschaftskarriere beendet, wird der Riese aus Euskirchen die unumstrittene Nummer eins sein. "Wolff ist der Torwart mit der größten Perspektive", sagt Henning Fritz, der Weltmeister-Torwart von 2007.
Fit und gelenkig zugleich
Die Kraft und die Gelenkigkeit, der Wille und die Fähigkeit, sich in einen Rausch zu spielen, zeichnen Wolff aus. Die Reflexe sind der Weltklasse zuzuordnen, Emotionen machen ihn nicht schwächer, sondern stärker. Auch, wenn er nach einer misslungenen Aktion mal den Hallenboden anbrüllt.
Auf jeden Fall wird es dunkel, wenn er im Türrahmen steht. "Er ist unsere Athletik-Maschine. Es gibt wenige Torhüter auf der Welt, die so oft im Kraftraum unterwegs sind", sagt Teammanager Oliver Roggisch. "Außerdem ist er wahnsinnig beweglich. Es gibt nicht viele Torhüter, die ihr Bein auf die Latte legen können." Wolff selbst beschreibt sich als "aggressiv und impulsiv", aber das ist die Außenwirkung. "Innerlich versuche ich immer so ruhig zu bleiben, wie es geht."