Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Diskussion um Manuel Neuer Ein absurder Verdacht
Manuel Neuers jüngste Fehler in wichtigen Spielen erhitzen die Gemüter vieler Fußballfans. Während auch Experten uneinig über die aktuelle Leistungsstärke des Torhüters sind, nimmt der Druck auf ihn kontinuierlich zu. Muss er kürzertreten?
Erst sein Patzer im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid, dann der Stellungsfehler gegen Aston Villa, und nun der Platzverweis im DFB-Pokal gegen Leverkusen. Drei wichtige Partien für den FC Bayern im vergangenen halben Jahr, drei Niederlagen. Und immer stand einer im Fokus: Manuel Neuer.
An den jüngsten Leistungen des mittlerweile 38-Jährigen scheiden sich die Geister. t-online-Kolumnist Stefan Effenberg nimmt ihn in Schutz: "Manuel Neuer ist noch immer ein sehr, sehr guter Torwart." Auch der ehemalige Weltklasse-Torhüter Peter Schmeichel springt ihm zur Seite, sagt bei "Bild": "Er ist immer noch absolute Weltklasse!" Andere wie der Ex-Bayern-Spieler Dietmar Hamann zählen ihn öffentlich an. In der Sendung "Sky 90" kritisierte er: "Sie (Bayern; Anm. d. Red.) haben dieses Jahr gegen fünf gute Mannschaften gespielt. Gegen Aston Villa ist er (Neuer) am Tor schuld, sie verlieren das Spiel. Ein ganz entscheidender Fehler macht er gegen Barcelona, gegen Leverkusen kommt er raus, fliegt vom Platz, sie verlieren das Spiel. Das heißt: Von den Spielen, die sie verloren haben, war er an allen Spielen beteiligt.“
Der Druck auf den Bayern-Kapitän steigt. Er macht Fehler und kämpft gleichzeitig um die Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrags. Die "SZ" berichtet bereits, dass der Rekordmeister intern beschlossen hat, den Vertrag zu verlängern (mehr zur Zukunft von Neuer lesen Sie hier). Ist dem wirklich so? Beim 4:2-Erfolg am vergangenen Samstag gegen Heidenheim fiel er auch noch verletzungsbedingt aus. Am Montag kam heraus: Neuer wird in diesem Jahr nicht mehr für Bayern auflaufen. Das gab sein Trainer Vincent Kompany vor dem Champions-League-Spiel der Münchner gegen Donzek bekannt.
Und trotzdem: Auf "weniger als ein Prozent" werde demnach Bayern-intern die Wahrscheinlichkeit eingeschätzt, dass Neuer seine Karriere im nächsten Sommer beendet. Und so muss folgende Frage erlaubt sein:
Sollte Neuer zur Winterpause die Kapitänsbinde abgeben, um sich ausschließlich auf seinen Torhüterjob konzentrieren zu können?
Ja, das wäre ein erster Schritt
Manuel Neuer ist mit seinen 38 Jahren noch immer eine wichtige Säule des FC Bayern. Zudem eine Identifikationsfigur des Vereins. Doch die Leistungen des Weltmeisters von 2014 sind inzwischen schwankend und nicht mehr so stabil wie einst. Daher sollte sich der Torhüter ganz auf seine sportliche Performance konzentrieren und seine Binde abgeben — es wäre das einzig Richtige und ein logischer Schritt.
Warum? Zwei Patzer in der Champions League und ein Bodycheck gegen Leverkusens Frimpong, der eine Rote Karte und das Aus im Pokal (0:1) zur Folge hatte. Der erste Platzverweis für Neuer nach 867 Spielen im Profifußball. Menschlich, keine Frage, aber eben auch nicht der Anspruch des deutschen Rekordmeisters. Und auch nicht der eines Kapitäns, der seine Mannschaft führen sollte.
Sein offensiver Spielstil macht Neuer aus, doch er birgt auch ein Risiko.
Hinzu kommt: Auch der FC Bayern muss endlich einen Wechsel im Tor wagen. Die Konkurrenz macht es bereits vor — die Torhüter-Zukunft ist jung und mutig. Freiburgs Atubolu ist 22 Jahre, Leipzigs Ersatz- und Pokalkeeper Vandevoordt ebenso. Auch Kovar, der für Bayer im Pokal gegen die Münchner im Kasten stand, gehört mit seinen 24 Jahren dazu. Selbst BVB-Schlussmann Kobel (27) und VfB-Torwart Nübel sind noch zehn Jahre jünger als Neuer.
Die Abgabe der Binde wäre ein erster Schritt zu einem baldigen Umbruch. Dieser könnte wiederum durch Joshua Kimmich als möglichen Nachfolger mehr frischen Wind und neue Stabilität in die Mannschaft des FC Bayern bringen. Neuer könnte sich im Gegenzug mehr auf das Sportliche konzentrieren — und seine erfolgreiche Karriere auf der Zielgeraden genießen. Er muss die beste Entscheidung treffen. Für sich und seine Mannschaft.
Nein, das wäre ein Offenbarungseid
Die Kapitänsbinde abgeben? Schwachsinn. Diese unangemessene Degradierung löst weder ein Patzer-Problem noch stoppt es die öffentliche Kritik an seiner Person. Im Gegenteil. Es wäre ein Offenbarungseid – und würde Neuer ein Stück seiner Autorität rauben. Das wäre völlig respektlos und ein absoluter Tabubruch.
Seine Entmachtung – egal ob freiwillig oder nicht – wäre ein symbolischer Schlag ins Gesicht. Das hat keiner, aber schon gar nicht einer wie er, der so viel für die Bayern und ganz Fußball-Deutschland geleistet hat, verdient.
Ein Kapitänswechsel mitten in der Saison ist nicht die Lösung. Stattdessen sollte die Bayern-Führung ein Zeichen setzen: volles Vertrauen für Neuer. Zum Beispiel in Form der Vertragsverlängerung. Er hat dem Verein und seinen Anhängern über Jahre hinweg so viel zurückgezahlt – er kann das wieder tun. Dafür braucht er nur Sicherheit und Stabilität.
Neuer nicht mehr gut genug? Ein absurder Verdacht!
Er ist Weltmeister, zweifacher Champions-League-Sieger, zigfacher Meister und DFB-Pokalsieger. Und auch in dieser Saison spielt er gut. Bisher kassierte er in der Liga nur acht Gegentreffer, so wenig wie kein anderer Torhüter. 11 Mal spielte er wettbewerbsübergreifend zu null. Bei diesen Zahlen kann sich einer wie Neuer auch mal einen Aussetzer erlauben.
Bei Bayern sollten sie alles dafür tun, um Neuer über diese Saison hinaus an den Verein zu binden. Das wäre gut für beide Seiten.
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