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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Flitzer-Eklat in Katar Für die WM-Macher ist die Blamage perfekt
Der Fan, der bei der WM in Katar den Platz stürmte, ist ein Worst Case für die Macher des Turniers. Er stellte damit nicht nur Scheinheiligkeit der Funktionäre bloß.
Das hatten sich die WM-Organisatoren wohl anders vorgestellt. Als beim WM-Vorrundenspiel zwischen Portugal und Uruguay plötzlich ein Flitzer im Lusail-Stadion auf den Rasen lief, war die scheinbar so perfekte Inszenierung für einen Moment suspendiert. Seine Aktion hatte es in sich, denn der junge Mann protestierte damit gleich dreifach gegen gesellschaftliches und politisches Unrecht. Und solchen Protest wollte die Fifa dem Gastgeber Katar ja eigentlich um jeden Preis ersparen.
Wandte er sich mit der Regenbogenfahne in der Hand gegen Homophobie und für die Rechte der LGBTQ-Community, so forderte er auf seinem T-Shirt Solidarität mit der von Russland überfallenen Ukraine und nicht zuletzt auch noch mit den von den Mullahs unterdrückten Frauen im Iran. Dass er sich dafür ausgerechnet das Portugalspiel ausgesucht hatte, kann kaum Zufall gewesen sein. Gepfiffen wurde die Partei nämlich von einem Unparteiischen-Gespann aus dem Iran. Und es war der Feldschiedsrichter Alireza Faghani, der die Regenbogenfahne, die der Flitzer bei seinem Lauf über den Platz wegwarf, aufhob. Schon jetzt ein symbolträchtiges Bild dieser WM.
Die kurze Sequenz, die die internationale TV-Übertragung der Fifa wohl gerne ausgeblendet hätte, offenbar aber nicht schnell genug umschnitt (die Szene ist in voller Länge im Internet zu sehen), bedeutete einen Riss in der heilen Welt des Fußballweltverbandes. Sie öffnete einen Möglichkeitsraum innerhalb des steril durchchoreografierten WM-Theaters in Katar. Den Raum zivilen Ungehorsams.
Mehr als ein bloßer Platzsturm
Mit seiner Aktion düpierte der Flitzer, bei dem es sich offenbar um einen Fußballfan aus Italien handelt, nicht nur die katarischen Sicherheitskräfte. Er stellte auch die Scheinheiligkeit der Funktionäre bloß. Hatte er doch geschafft, was allen europäischen Fußballverbänden nicht gelungen war: gegen die zweifelhaften Bedingungen bei dieser WM und für Menschenrechte zu protestieren.
Während der DFB und auch andere große Fußballnationen vor der Fifa kuschten und sich sogar das Tragen der Regenbogenbinde verbieten ließen, knallte der flitzende Tifoso den Infantinos und al-Thanis ein paar Botschaften vor den Latz, die diese sicher lieber nicht gehört hätten. Der Ein-Mann-Protest von Lusail war daher viel mehr als ein bloßer Platzsturm.
Spätestens seit diesem Vorfall ist die WM endgültig politisch geworden. Die von den WM-Machern stets postulierte Trennung von Sport und Politik, die Fifa-Präsident Gianni Infantino selbst mit einer bizarren Rede vor Turnierbeginn aufhob, wurde mit dem Flitzer-Protest vollends zur Farce. Und die Blamage für die WM-Organisatoren ist mit diesem Eklat vorerst perfekt.
- Eigene Beobachtung