Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein "Finde das einen ziemlichen Albtraum"
Sie ist seit mehr als zwölf Jahren bei jeder Fußball-WM oder EM im Einsatz. Doch so kritisch wie jetzt bei t-online hört man Katrin Müller-Hohenstein selten.
"Momentan bin ich noch an dem Punkt, wo ich das einen ziemlichen Albtraum finde", wählt Katrin Müller-Hohenstein mit Blick auf die WM in Katar deutliche Worte. Von Vorfreude ist bei der ZDF-Moderatorin wenig zu spüren. Dennoch führt sie im Gespräch mit t-online aus: "In dem Moment, wo es losgeht, muss ich das professionell sehen. Wir werden das nicht ändern können."
Tatsächlich rollt ab dem 20. November der Ball auf der arabischen Halbinsel, bis zum 18. Dezember werden dort 64 Spiele ausgetragen. Ein Zurück gibt es nicht mehr – nur zahlreiche Boykott-Aufrufe und massive Kritik. Zehntausende Gastarbeiter sollen rund um die WM-Vorbereitung in Katar gestorben sein, berichten Menschenrechtsorganisationen. Für Müller-Hohenstein muss diese Weltmeisterschaft ein warnendes Beispiel sein – vor allem für künftige Turnierorte. "Ich finde für die Zukunft müssen Lehren gezogen werden: Eine Fußballweltmeisterschaft darf nur in einem Land stattfinden, wo alle Menschenrechte gelten", stellt die 57-Jährige klar.
Klare Fußballforderung zur WM-Vergabe
Doch die ZDF-Moderatorin sieht noch andere Probleme – und die sind eher sportlicher Natur. "Ich würde sogar noch weiter gehen: Es darf auch nur in einem Land stattfinden, wo der Fußball eine Rolle spielt und ich würde die WM sogar nur an Länder vergeben, die eine realistische, wenn auch kleine Chance haben, den Titel zu gewinnen."
Katar sicherte sich bereits im Jahr 2010 bei einer bis heute stark in der Kritik stehenden Doppelvergabe die Weltmeisterschaft 2022. Auch die WM 2018 an Russland wurde an jenem 2. Dezember 2010 vergeben.
Beim Gastgeber Katar trifft jedenfalls keines der von Müller-Hohenstein vorgebrachten Argumenten zu. Die Vergabe wirkt auch deshalb für viele Beobachter rückblickend mehr als fragwürdig. "Darüber regen wir uns jetzt alle auf. Dabei hätten wir uns vor zwölf Jahren aufregen können und müssen, als die Entscheidung gefällt wurde", moniert die gebürtige Erlangerin bei t-online über die längst vergebene Chance und ergänzt: "Ich finde es schrecklich, klar."
Für Joshua Kimmich ist das vielleicht seine einzige Chance.
Katrin Müller-Hohenstein
Müller-Hohenstein sieht trotzdem positive Aspekte, zumindest für einzelne Spieler: "Für einen Joshua Kimmich ist das vielleicht seine einzige Chance, einen großen Titel in seinem Leben zu gewinnen. Der hat sich dieses Land nicht ausgesucht und ich finde es einfach nur fair, ihm und dem Sport dann auch die Chance zu geben."
Vor Ort wird die Moderatorin WM-Stars wie Kimmich dieses Jahr nicht treffen. Das öffentlich-rechtliche WM-Studio befindet sich nicht in Katar. Sowohl ARD als auch ZDF werden ihre Berichterstattung aus einer Leichtbau-Arena auf dem Mainzer Lerchenberg senden, wie die Sender es auch schon bei der vergangenen EM gemacht hatten.
"Im Prinzip bringt diese WM alles durcheinander"
Für die WM im umstrittenen Wüstenstaat braucht Katrin Müller-Hohenstein also nur aus ihrer Münchner Heimat in die Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz reisen. Dort wechselt sie sich mit Jochen Breyer für die Moderation der Spiele ab. Dass es schon in Kürze losgeht und deshalb auch das Fitnesslevel der Fußballprofis hoch sein könnte, lässt sie zwar als Argument für ein vermutlich gutes fußballerisches Niveau gelten, merkt aber an: "Auf der anderen Seite hat es auch Konsequenzen für die Vereine: Die bekommen Spieler zurück, die möglicherweise total ausgelaugt sind oder mehr noch: verletzt. Das ist für die auch nicht lustig."
Zum Abschluss des Gesprächs wird deutlich, wie kritisch die Moderatorin die Winter-WM wirklich sieht. Katrin Müller-Hohenstein ist überzeugt, dass das Turnier große Auswirkungen hat – in vielerlei Hinsicht. "Im Prinzip bringt diese WM alles durcheinander. Dieser ganze Riesenapparat Fußball muss eine Vollbremsung hinlegen für diese WM."
- Telefoninterview mit Katrin Müller-Hohenstein