Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Nach dem DFB-Beben Flick? "Das kann man auch mal klar so sagen"
Nach der WM-Blamage der Nationalelf steht eine Zeitenwende bevor. Beim Startschuss für eine bessere Zukunft des deutschen Fußballs gilt es wichtige Entscheidungen zu treffen.
Nach diesem erneuten WM-Debakel der deutschen Nationalelf musste etwas passieren. Die erste Konsequenz war die Trennung von Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff. Bei aller Kritik stand er auch für viele positive Dinge.
Mit ihm fand die Nationalelf nach 2004 zurück in die Erfolgsspur: die WM 2006 im eigenen Land, dann die Krönung 2014 mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft. Diese Erfolge muss man auch Bierhoff zuschreiben. Auf der anderen Seite ist man nun zweimal in Folge in der Vorrunde der WM ausgeschieden, bei der EM im Achtelfinale.
Bierhoff war mitverantwortlich dafür, dass die Euphorie damals entfacht wurde, und ist es nun genauso, dass sie wieder abgeflaut ist. Die Kommerzialisierung hat dazu beigetragen, dass sich die Nationalelf von den Fans entfernt hat.
Der DFB will und darf sich jetzt bei der Nachfolgersuche keinen Schnellschuss erlauben. Gerade die Position des Sportdirektors, die es in den letzten Jahren ja gar nicht mehr gab, ist eine ganz wichtige. Trotzdem sollte man bald ein Ergebnis liefern, damit sich das alles einspielen kann.
Ich werde dem DFB keine Bewerbung schicken
Dass da viele Namen genannt wurden, ist klar. Dass auch meiner dabei war, ehrt mich zwar. Ich fühle mich in meiner aktuellen Rolle als t-online-Kolumnist, Markenbotschafter bei Bayern München und Sport1-Experte aber extrem wohl. Das füllt mich aus und darauf möchte ich mich auch weiterhin konzentrieren. Ich werde dem DFB also keine Bewerbung schicken.
Hansi Flick hat gesagt, er wisse nicht, wie man die Bierhoff-Lücke fachlich schließen könne. Da bin ich anderer Meinung. Flick sollte sich auf seine Aufgabe als Bundestrainer konzentrieren. Es gibt einige Kandidaten, die die nötige Fachkompetenz und Erfahrung mitbringen. Es muss jemand sein, der früher selbst auf hohem Niveau gespielt hat und das Business kennt.
Es ist wichtig, jemanden als Verbindungsstück zwischen den Spielern und der Führungsetage zu haben. Auch der Posten eines zusätzlichen Nationalmannschaftsmanagers sollte mit Kompetenz besetzt werden.
Ich möchte aber keine Namen kommentieren und hoffe, dass die richtigen Entscheidungen für den Startschuss zur Zukunft des deutschen Fußballs getroffen werden.
Ich hätte mir mehr Selbstkritik von Flick gewünscht
Flick ist ja noch nicht so lange im Amt und hatte schon einen gewissen Kredit. Für mich war klar, dass der Weg mit ihm bis zur EM 2024 in Deutschland weitergeht. Und dann kann man sehen, ob etwas Positives entstanden ist oder nicht.
Ich hätte mir von ihm aber ein wenig mehr Selbstkritik gewünscht. Vielleicht war die eine oder andere Aus- beziehungsweise Einwechslung nicht ganz so glücklich. Oder auch die vielen Veränderungen auf der Rechtsverteidigerposition. Das kann man als Bundestrainer auch mal klar so sagen, sich an die eigene Nase fassen und seine Arbeit reflektieren. Und nicht nur sagen, dass man die Spiele ja eigentlich dominiert und unglücklich verloren habe.
Nur noch Zweijahresverträge für den Bundestrainer
Ich bin ein großer Befürworter davon, zukünftig immer nur von Turnier zu Turnier für maximal zwei Jahre mit dem Bundestrainer zu planen und halte nichts von längeren Verträgen wie etwa noch bei Joachim Löw. Mit ihm wurde damals vor der WM 2018 sogar um vier Jahre verlängert. Das vor einem Turnier zu tun, ist generell ein Unding. Man muss zuerst dessen Verlauf bewerten und dann entscheiden.
Ein Bundestrainer muss – im Gegensatz zu einem Vereinscoach – nichts groß aufbauen und entwickeln. Nein, er muss mit der Mannschaft bei einer EM oder WM sofort funktionieren. Wenn der Vertrag nur bis nach dem nächsten Turnier läuft, dann ist es auch relativ einfach, ihn noch mal für zwei weitere Jahre zu verlängern oder eben nicht. Und du steckst nicht schon von vornherein in einem Dilemma.
Nach der EM kann man bewerten, ob eingetroffen ist, was Flick sich jetzt vorgenommen hat: Aus den Fehlern zu lernen. Daran muss er sich messen lassen.
Man darf sich keine Fehler mehr erlauben
Aus der Mannschaft war zu hören, dass sie sich alleingelassen gefühlt habe. Das muss man auch Bernd Neuendorf ankreiden. So eine Geschichte wie mit der "One Love"-Binde darfst du nicht unterschätzen, vor allem, wenn es unterschiedliche Meinungen in der Mannschaft gibt. Wenn du so einen Verband führst, muss dir bewusst sein, wie du dich öffentlich verkaufst. Das hat der DFB nicht gut gemacht und die Mannschaft damit vor Probleme gestellt.
Es war wichtig, sich jetzt relativ schnell zusammenzusetzen – nicht so wie nach der WM 2018, als sich Löw und Co. viel zu viel Zeit damit gelassen hatten. So etwas geht nicht, wenn du die Fans wieder zurückgewinnen willst. Und das sollten sie auf keinen Fall unterschätzen. Es wird jetzt alles ganz genau unter die Lupe genommen.
Auf dem Weg zur Heim-EM darf sich der DFB keine Fehler mehr erlauben. Flick hat angekündigt, die Zuschauer wieder hinter die Nationalelf bringen zu wollen. Aber du kannst nicht einfach auf den Knopf drücken und sagen: Wir starten die EM und jetzt bitte die Fahnen wieder ans Auto. Das ist nicht selbstverständlich. Dafür müssen der DFB und die Nationalelf jetzt liefern, auch mit gewissen Entscheidungen, die zu treffen sind.
Watzke als wichtigster Mann im deutschen Fußball
Hans-Joachim Watzke spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle und ist als DFB-Vizepräsident und DFL-Aufsichtsratschef derzeit der vielleicht wichtigste Mann im deutschen Fußball. Er hat riesengroße Erfahrung und führt mit Borussia Dortmund seit 18 Jahren einen auch in Europa großen Klub.
Auch an der Spitze der DFL gibt es Veränderungen, Donata Hopfen wurde abgelöst. Das sind alles Dinge, die über die Zukunft des deutschen Fußballs mitentscheiden. Das kann auch ein Signal sein, dass es jetzt wieder in die richtige Richtung gehen kann.
Auch Neuer ist nicht mehr unantastbar
Solche Zeichen müssen in den nächsten Monaten auch bei der Kaderzusammenstellung gesetzt werden. Fußball-Deutschland ist gespannt, welche Entscheidungen Flick treffen wird. Ich sage noch mal: Ein "Weiter so" kann und darf es nicht geben.
Nach so einem Turnier musst du umdenken und solltest nicht mehr irgendwelche Gefallen tun, sondern ganz allein das Leistungsprinzip anwenden. Wenn dann erfahrene Spieler wie Thomas Müller noch weitermachen wollen, kann man das gerne beobachten. Bis zur EM sind aber auch die noch mal 18 Monate älter.
Da reden wir bei Manuel Neuer, der im März 37 wird, dann von einem Alter von über 38. Zudem hat er sich kürzlich beim Skiurlaub einen Unterschenkelbruch zugezogen, die Saison ist für ihn gelaufen. Das sollte man bei den Überlegungen nicht vergessen. Auch er ist deshalb nicht mehr unantastbar.
Es wird kein einfacher Weg zur Heim-EM. Ich bin mir momentan auch nicht so sicher, ob die EM so angenommen wird in Deutschland. Aber es ist ja noch ein wenig Zeit, und einige Veränderungen wurden schon auf den Weg gebracht.
- Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
- Eigene Beobachtungen