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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Superstar verletzt Darum ist der Neymar-Ausfall ein Segen für Paris
Ganz Paris zitterte wochenlang um den Einsatz von Megastar Neymar. Ist nun alles verloren, weil er ausfällt? Von wegen! Valeria Meta erklärt, warum das für PSG ein Vorteil sein kann.
Von der Neymar-Nacht zur PSG-Nacht. Das Achtelfinal-Rückspiel im Prinzenpark zwischen Paris Saint-Germain und Real Madrid schien schon ein persönliches Duell zwischen Neymar und seinem vielleicht nächsten Verein zu werden. Der Plan von Paris war, der Welt zu zeigen, dass sich auch so eine große Investition wie die für die Rekord-Ablösesumme von 222 Millionen Euro lohnen.
"Ohne Neymar gewinnt die Mannschaft an Balance"
Dem Plan nach hätte der Brasilianer das 1:3 gegen den Titelverteidiger aus dem Hinspiel im Alleingang aufholen und die Pariser ins Viertelfinale bringen müssen. Neymars Fuß-Verletzung im Spiel gegen Olympique Marseille aber hat den Plan nun zerstört – und jetzt ist PSG gezwungen, sein wahres Gesicht zu zeigen. Real Madrid mit mindestens zwei Toren Vorsprung besiegen, ohne den entscheidenden Spieler zur Verfügung zu haben: So lautet die Herausforderung, die der Mannschaft von Trainer Unai Emery bevorsteht.
Extrem schwierig, aber nicht unmöglich – in Frankreich glauben viele sogar, dass der Neymar-Ausfall ein Glücksfall sein könnte. "Ohne den Brasilianer gewinnt die Mannschaft an Balance", behauptet Weltmeister Christophe Dugarry, "problematisch für PSG war oft das defensive Gleichgewicht mit drei Spitzen und vor allem Neymar, der nie verteidigt". Und der ehemalige Frankreich-Abwehrchef Marcel Desailly stimmt ihm zu: "PSG kann das schaffen, egal, ob Neymar dabei ist".
Kann der Ausfall der Nummer Zehn PSG wirklich helfen?
Die Zahlen zeigen, dass Neymar eine entscheidende Rolle in der bisher hervorragenden Saison der Pariser gespielt hat: Mit 29 Toren und 19 Vorlagen in 30 Spielen hat er allein knapp ein Viertel der gesamten Beute besorgt. Seit seiner Ankunft hat PSG ein Tor mehr pro Spiel erzielt. Auch in Bezug auf die Schüsse ins Tor hat sein Beitrag ein großes Gewicht: 4,23 Tore pro Spiel, das heißt, ein Viertel der 16,8 gesamten Schüsse.
Aufgrund leichterer Verletzungen, zwei Sperren und seiner Geburtstagsparty hat Neymar schon elf Spiele verpasst: Neun davon hat PSG gewonnen, eines mit einem 0:0-Remis beendet und eines gegen Olympique Lyon verloren. Wenn er nicht dabei ist, muss die Mannschaft darauf verzichten, das Spiel durch einen Geistesblitz zu entscheiden.
Das Hinspiel in Madrid hat aber deutlich bewiesen, wie der Individualismus des Brasilianers die ganze Mannschaft gefährden kann: Er hat nur zweimal aufs Tor geschossen, wobei Schießen in diesen Fällen die falsche Entscheidung war, schließlich waren andere Mitspieler besser positioniert. Die Tatsache, dass Neymar ein Spiel praktisch allein gewinnen kann, hat jener taktischen Disziplin geschadet, die Unai Emery dem Team im Vorjahr so mühsam beigebracht hatte.
Cavani und Di María sind in Top-Form
Die Äußerung von Dugarry sollte nachdenklich machen: Im Vergleich zur ersten Saisonhälfte ist das Kollektivspiel von PSG deutlich schwächer geworden. Manchmal scheint die Mannschaft nur abzuwarten, dass einer seiner Stars irgendwann etwas Geniales macht.
Die beiden 3:0-Siege gegen Marseille haben aber angesichts der Team-Arbeit einen klaren Fortschritt deutlich gemacht, der gegen Real Madrid mehr denn je nötig ist. Zudem kann Emery mit Edinson Cavani und Angel Di María in Top-Form rechnen. Letzterer hat allein im Jahr 2018 schon elf Tore erzielt und weitere sechs vorbereitet. Cavani, dessen angespannte Beziehung zu Neymar kein Geheimnis ist, hat in den letzten drei Spielen viermal getroffen.
Draxler und Pastore überzeugten zuletzt
Der Ausfall des Brasilianers wird ihm mehr Freiheit erlauben, indem er in die Tiefe rückt und dann plötzlich im Strafraum wieder auftaucht. Außerdem gibt es Möglichkeiten, die bisher kaum jemand auf dem Schirm hatte: Julian Draxler und Javier Pastore. Die beiden könnten sowohl im Angriff als auch im Mittelfeld eingesetzt werden und für die genialen Pässe sorgen. Beim Auswärtssieg gegen Troyes hat Draxler sogar als falsche Neun agiert und die Vorlage zum 1:0 von Di María geliefert.
Pastore dagegen brillierte im Viertelfinale des französischen Pokals, wo er auf dem rechten Flügel agierte. Eine gute Nachricht für Emery: Alle seine Angriffsspieler sind „on fire“. Alle außer dem jungen Kylian Mbappé, der im Pokalspiel wegen einer leichten Verletzung ausgewechselt wurde. Trotz einiger Fehler vor dem Tor ist der Ex-Monegasse immer in der Startelf geblieben. Eine Offensivreihe mit Cavani, Di María und Draxler oder Pastore wäre vielleicht taktisch ausgeglichener – dennoch wird Emery wohl kaum auf Mbappé verzichten.
Neymar-Ausfall könnte Kettenreaktion hervorrufen
Die strukturellen Probleme von PSG liegen übrigens nicht im Angriff, wie das Hinspiel im Santiago Bernabéu bewies. Dabei unterlag der junge Mittelfeldspieler Giovani Lo Celso der Übermacht von Reals Mittelfeldmännern. Diesbezüglich ist die Rückkehr von Thiago Silva die beste Nachricht für den Trainer. Wie kein anderer ist der nämlich in der Lage, der Mannschaft die Stabilität zu verleihen, damit sich das Offensivspiel ideal entfaltet. Im besten Fall ruft der Ausfall von Neymar eine Kettenreaktion hervor, die den Teamgeist und die taktische Disziplin fördert. Der Moment der Wahrheit ist für Paris gekommen.
- Cristophe Dugarry-Meinung auf Foot-sur7.fr (auf Französisch)
- Eigene Recherchen