Fußball international Hoffenheims Ex-Manager Tanner über Jugendarbeit und Fehler bei 1899
Das Interview führte Thomas Tamberg
Ernst Tanner leitet derzeit das wohl interessanteste Nachwuchsprojekt im internationalen Fußball. Einstmals mit Ralf Rangnick bei der TSG Hoffenheim, folgte der ehemalige Manager der Kraichgauer dem damaligen Trainer zu Red Bull. Dort ist Tanner für die Nachwuchsakademien zuständig, die über vier Kontinente verstreut sind. Im Interview mit t-online.de spricht Tanner über Besonderheiten der Nachwuchsförderung bei Red Bull. Erstmals spricht der 45-Jährige auch über seine Zeit bei der TSG Hoffenheim und erklärt, was bei dem Klub dringend anders laufen muss.
Herr Tanner Sie sind Leiter der Nachwuchsabteilung bei Red Bull. Das beinhaltet ein weltweites Netz mit Akademien in Salzburg, Leipzig, New York, Sogakope (Ghana) und Sao Paulo. Das hört sich spannend an. Wie sieht Ihr Alltag aus?
Ernst Tanner: Das Ganze ist natürlich durch den weltweiten Ansatz ein sehr spannendes und einzigartiges Projekt. Und mit Red Bull hat man natürlich auch eine Konzernstruktur im Hintergrund, die das alles ermöglicht. Zunächst bin ich vor allem in Salzburg. Hier wollen wir eine grundsätzliche Philosophie entwickeln und sie so organisieren, dass wir damit später die Synergien unseres weltweiten Netzes bestmöglich nutzen können.
Was unterscheidet das Projekt von Red Bull von dem Projekt bei der TSG Hoffenheim?
In Hoffenheim haben wir es mit einem regionalen Projekt zu tun. In Hoffenheim ist das Projekt von einer Person abhängig und man kann im Prinzip von einem Mäzenatentum sprechen. Bei Red Bull steckt ein ganzer Konzern dahinter, über dessen Struktur das Projekt finanziert und aufgezogen wird. Unsere Arbeit ist ein Teil der Marketingstruktur.
Hoffenheim kommt einfach nicht aus den Negativschlagzeilen raus und hat jetzt einen klassischen Fehlstart hingelegt. Was läuft da schief?
Wir waren aus meiner Sicht schon auf einem ordentlichen Weg, aber es war auch für uns zu der Zeit schon schwierig, wenn man ständig von Kräften aus dem Hintergrund, vornehmlich Berater, die ihre eigenen Interessen vertreten und nicht die des Klubs, Knüppel zwischen die Beine geworfen kriegt. Das ist eigentlich das Grundübel in Hoffenheim.
Wie sah ihr Weg aus?
Letztlich geht es um ganz viel Geld. Wir hatten zuletzt einen ganz anderen Auftrag. Nämlich die Financial-Fairplay-Richtlinien zu erfüllen und nach und nach die Jugend einzubauen. Schließlich kann nur das bei einem Verein Nachhaltigkeit erzeugen und Identifikation in der Region stiften. Da waren wir auf einem sehr guten Weg. Das wurde in dieser Saison aber nun völlig über den Haufen geworfen.
Was müsste sich ändern, damit das Projekt Hoffenheim doch noch eine Erfolgsstory wird?
Aus meiner Sicht wurde bei den Spielern zum Teil auf die falschen Pferde gesetzt. Aber das hat jetzt nichts mit dem Fehlstart zu tun. Im Gegenteil. Das ist wirklich keine schöne Geschichte und das gönnt man weder dem Klub noch den handelnden Personen. Ich habe ja noch einen guten Kontakt zum Klub. Ich glaube aber, dass es in dieser Konstellation auf Sicht nicht gut gehen kann, weil der Verein letztlich autonom bleiben muss. Er muss selber entscheiden können und darf sich nicht in die Abhängigkeit irgendwelcher Berater geben, die wie gesagt nur ihre eigenen Interessen im Sinn haben.
Glauben Sie, dass das Projekt Hoffenheim überhaupt eine Zukunft hat?
Eigentlich ist der Klub super aufgestellt, wenn sie sich die Infrastruktur anschauen. In dem Moment wo der Klub sich selbst finanzieren kann und unabhängig ist, ist der Verein auch zukunftsfähig. Er muss aber autonom geführt werden und die Entscheidungen müssen auch wirklich von der Geschäftsleitung gefällt werden. Das ist auf Sicht ein ganz wesentlicher Punkt.
Zurück zu ihrem jetzigen Arbeitgeber Red Bull. Wie muss man sich die Arbeit bei ihrem neuen Projekt konkret vorstellen?
Wir entwickeln eine Philosophie, die natürlich ähnlich ist mit der, die wir bereits in Hoffenheim entwickelt haben. Wir passen die Ausbildung der Nachwuchsakteure an die Bedürfnisse des modernen Fußballs an. Das heißt, wir müssen in erster Linie spielnah trainieren. Im Fokus stehen dabei zunächst die Jugend-Akademien in Salzburg und Leipzig. Darauf aufbauend möchten wir im Anschluss die Zusammenarbeit mit den anderen Akademien intensivieren. Die ersten Gespräche in diese Richtung wurden bereits geführt.
Wie soll diese Zusammenarbeit aussehen?
Wir wollen schauen, was regional möglich ist, was man umsetzen kann. Man muss natürlich die kulturellen und regionalen Besonderheiten der einzelnen Standorte beachten und respektieren. Aber wenn im Grunde ähnliche Ausbildungskriterien umgesetzt werden, dann ist es ja schon mal soweit, dass man nicht mehr Äpfel mit Birnen vergleichen muss. Das ist wichtig, wenn wir Spieler zu uns ins Training holen wollen. Vor allem natürlich bei den Jungs, bei denen wir uns erhoffen, dass sie später einmal Profis in einem der Teams von Red Bull werden können.
Wie sieht die Arbeit in den einzelnen Standorten wie Sao Paulo aus?
Natürlich versuchen wir, die besten Talente der Region an unsere Standorte zu bringen und sie bestmöglich auszubilden. Wenn wir in Sao Paulo oder Afrika auch so gute Möglichkeiten haben wie in Salzburg oder Leipzig, dann wird auch etwas übrigbleiben und der Red-Bull-Nachwuchs wird für die Zukunft vorbereitet sein. Aber das ist schon eine Mega-Aufgabe, keine Frage. Und wir müssen die Kräfte noch mehr bündeln, als es bisher der Fall war.
Der Aufwand mit Jugend-Akademien in vier Kontinenten ist enorm. Lohnt sich das überhaupt?
Wenn Sie den reinen betriebswirtschaftlichen Wert der Jugendarbeit sehen, dann ist es eine Rechnung, die nicht aufgeht. Aber mit der Jugendarbeit sind natürlich noch andere, sogenannte weiche Faktoren, verbunden. Wir stärken an unseren Standorten die Identifikation der Spieler mit dem Projekt und darüber hinaus auch die Marke Red Bull. Das ist zunächst einmal konkret mit Geld nicht zu bemessen. Jugendarbeit hat auch etwas mit Nachhaltigkeit zu tun. Abgesehen davon sollte es einfach auch der Auftrag sein, Jugendarbeit zu betreiben. Am Ende haben alle etwas davon, was man ja am Beispiel Deutschland sieht.
Wie meinen Sie das?
Früher wollte in Deutschland kein Mensch in die Jugendarbeit investieren, weil es einfach viel billiger war, fertige Profis meist aus dem Ausland zu kaufen. Dann wurde die Verpflichtung zur Jugendarbeit von der Liga an die Vereine herangetragen. Von der Arbeit in den neu geschaffenen Leistungszentren profitieren wir jetzt alle. Ähnlich muss man sich das Projekt bei Red Bull vorstellen.
Sollen weitere Jugend-Akademien irgendwo auf der Welt neu hinzukommen?
Es gibt schon Überlegungen in diese Richtung. Aber wir müssen zunächst die Standorte synchronisieren, die wir bereits haben. Das dauert sicherlich eine gewisse Zeit. Wenn der Laden läuft, können wir weitere Überlegungen anstellen.
Haben Sie sich ein bestimmtes Ziel gesetzt, bis wann der Laden laufen muss?
Ich muss jetzt erst einmal an den Standort Salzburg denken. Bis die Arbeit hier erste Früchte tragen wird, kann es ein wenig dauern. Ich habe im Jugendbereich aufgegeben in zeitlichen Schienen zu denken, weil die Störfaktoren hier nicht direkt abzusehen sind wie bei wissenschaftlichen Projekten oder in der Industrie. Dort arbeitet man mit Kennzahlen, wir arbeiten mit Menschen. Die haben alle ihre Eigenheiten. Man muss vorher schon Dinge einkalkulieren, die man noch gar nicht sieht. Aber ich glaube schon, dass wir innerhalb der nächsten drei Jahre, den einen oder anderen Profi für uns herausbringen.