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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Jérôme Boateng zurück beim FC Bayern Kaum zu glauben
Jérôme Boateng trainiert beim deutschen Rekordmeister mit. Dabei verlief die Trennung 2021 unschön. Was ist seitdem passiert?
Schon ist wieder Unruhe drin beim FC Bayern. Und das selbstverschuldet. Mehr noch: Auf den deutschen Rekordmeister wird zurzeit von vielen Seiten mit Unverständnis geschaut. Sogar mit Kopfschütteln. Gut möglich, dass die Münchner eine Situation mal wieder unterschätzt haben. Wie so einige in den letzten Jahren.
Denn die Personalie Jérôme Boateng sorgt für Diskussionen, obwohl der Ex-Nationalspieler gerade erst einen Tag zurück bei seinem früheren Klub ist, nach zwei höchstens mittelmäßig verlaufenen Jahren bei Olympique Lyon. Am Sonntag gaben die Bayern bekannt, dass der Abwehrspieler vorerst bei den Profis mittrainiert. (Mehr dazu lesen Sie hier.)
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: "Den Namen Boateng in der Verbindung zu lesen, war sehr überraschend für mich", sagte Lothar Matthäus beim Pay-TV-Sender Sky. "Bayern gesteht sich damit einen Fehler ein: Man hat die Hausaufgaben in der Verteidigung nicht so erledigt, wie man es hätte tun sollen, sonst hätte man einen vierten gelernten Innenverteidiger gehabt." Matthäus erinnerte dann noch an die Trennung im Jahr 2021: "In der Vergangenheit hat Bayern Aussagen getätigt, die nicht dazu passen würden, Jérôme zurückzuholen." t-online-Kolumnist Stefan Effenberg erklärte dazu schon am Sonntagvormittag im "Doppelpass" bei Sport1: "Das sieht nicht gut aus für die Bayern-Verantwortlichen." (Mehr dazu erfahren Sie hier.)
Auch deshalb ist Boatengs Rückkehr nach München die vielleicht größte Überraschung dieser noch jungen Saison 2023/24. Und eigentlich muss die Erkenntnis reifen: Kaum zu glauben, dass die Bayern das ernst meinen. Es ist eine unerwartete Wendung im Karriereherbst des Abwehrspielers, der in den letzten Jahren seiner erfolgreichen Laufbahn neben diversen öffentlich diskutierten privaten Verfehlungen auch einige sportliche Schläge hinnehmen musste.
Schon der Abschied beim FC Bayern, zu dessen Leistungsträgern der Berliner seit 2011 fast ein Jahrzehnt lang gezählt hatte, geriet unglücklich. t-online zeichnet den Weg seitdem nach.
7. April 2021: "Jérômes Vertrag läuft im Sommer aus. Er wird nicht verlängert", erklärt Sportvorstand Hasan Salihamidžić live im Fernsehen, kurz vor dem Champions-League-Spiel der Münchner gegen PSG. Zuvor hatte der deutsche Rekordmeister bereits die Verpflichtung von Dayot Upamecano von RB Leipzig perfekt gemacht. Allein die Ablösesumme von 42,5 Millionen Euro für den jungen französischen Abwehrspieler verdeutlichte, dass da keine Ergänzung geholt wurde, sondern ein Ersatz. Der forcierte Abgang des Stammspielers stößt nicht nur dem damaligen Bayern-Trainer Hansi Flick übel auf, der sich zuvor wiederholt für Boateng öffentlich starkgemacht hatte.
Das Verhältnis zur Vereinsspitze allerdings war da schon beschädigt, die ganz große Liebesbeziehung war es wohl nie zwischen den Oberen des Klubs und dem durchaus auch eigenwilligen Fußballer mit seinen wechselnden Frisuren, seinem Faible für Mode, seinem mitunter turbulenten Privatleben.
"Back to earth"
Bereits im November 2016 hatte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge Boateng barsch angefahren. Gerade hatten sich die Bayern beim 2:3 in der Königsklasse beim russischen Underdog FC Rostow blamiert, Boateng war an gleich zwei Gegentreffern entscheidend beteiligt, musste zudem nach gut einer Stunde verletzt ausgewechselt werden.
Da entfuhr es dem Klubboss: "Jérôme muss mal wieder etwas zur Ruhe kommen. Das ist mir schon seit Sommer etwas zu viel. Es wäre in seinem Sinne und im Sinne des Klubs, wenn er mal wieder 'back to earth' kommen würde."
Boateng konterte zeitnah in der "Bild": "Ich habe nicht gut gespielt. Das liegt auch daran, dass ich nach meiner Verletzung von der EM und dem späten Einstieg in die Vorbereitung noch nicht wieder bei 100 Prozent bin. Der Grund dafür sind aber nicht irgendwelche PR- oder Lifestyle-Termine. Wer mich kennt, weiß, dass ich immer alles tue, um in Topform zu sein." Das saß.
Flick stellte sich schützend vor Boateng
Im Frühling 2021 ist Ehrenpräsident Uli Hoeneß dran. Boateng würde er zur EM "nicht mitnehmen", rät er dem damaligen Bundestrainer Joachim Löw während seines kurzlebigen Expertenjobs bei RTL. Und legt nach: "Ich würde ihm empfehlen, den Verein zu verlassen."
Flick stellt sich wenige Tage später vor den Ungewollten: Er kenne es vom FC Bayern so, "dass man seine Spieler unterstützt" – und hält ein Plädoyer für Boateng. "Jérôme hat hart an sich gearbeitet, um wieder auf dieses Niveau zu kommen. Er kann jeder Mannschaft guttun." Wenige Tage später erklärt Salihamidžić das Aus.
Am 22. Mai 2021 läuft Jérôme Boateng zum letzten Mal für die Bayern auf, wird am letzten Spieltag der Saison beim 5:2 gegen den FC Augsburg nach 61 Minuten ausgewechselt. Weint bittere Tränen. Es ist vorbei. Nach 10 Jahren, 363 Pflichtspielen, 2 Champions-League-Siegen, 9 deutschen Meisterschaften, 5 DFB-Pokal-Siegen und 2 Klub-Weltmeisterschaften.
"Ich weiß, er wäre gerne auch in München geblieben, auch aufgrund seiner Familie", sagt der ebenfalls scheidende Flick nach der Partie. In seiner Mannschaft sei Boateng der konstanteste Verteidiger gewesen, und überhaupt: "Einer der besten Innenverteidiger Deutschlands" verlasse nun den Klub. "Ich hoffe, dass er einen guten Verein erwischt."
"Die Reise geht weiter"
Den findet er. Anfang September 2021, die Saison läuft schon, unterschreibt der vereinslose Boateng in Lyon, erhält einen Vertrag bis 2023. "Die Reise geht weiter", twittert er von seiner Vorstellung beim Klub. Den Ausschlag für "OL" gibt nicht zuletzt ein Telefonat mit Unterstützer Flick.
"Ich habe ihn nach seiner Meinung und seinem Rat gefragt", erklärt Boateng bei Sport1. "Das mache ich aber immer, weil ich zu Hansi schon immer ein gutes Verhältnis habe. Wir haben viele Titel miteinander gewonnen. Bei der Nationalmannschaft und beim FC Bayern. Er hat einen großen Anteil an meiner Karriere, weil er mich kennt und meinen Weg seit meiner Jugend begleitet."
Doch die Reise in Lyon, sie geht zunächst nur ein knappes halbes Jahr zügig weiter. Ist Boateng in der Hinrunde der Ligue 1 2021/22 noch fester Bestandteil der Startelf, kommt er im zweiten Halbjahr nur noch elfmal zum Einsatz, des Öfteren für Kurzeinsätze. Trainer Peter Bosz setzt nicht mehr auf den Neuzugang.
"L'Équipe" berichtet von mehreren verbalen und sogar handgreiflichen Auseinandersetzungen Boatengs mit Teamkollegen, auch mit Bosz selbst habe der ehemalige Nationalspieler lautstark über dessen Taktik gestritten. "Ich kann nicht viel sagen", meint Bosz Mitte Februar 2022 nach dem 2:0 in der Liga gegen Nizza, bei dem Boateng zum ersten Mal ganz im Aufgebot fehlt. "Für mich war er einfach nicht bereit zu spielen." Unstimmigkeiten habe man durch ein Gespräch aus der Welt schaffen können.
Allerdings: Bis Saisonende ändert sich an Boatengs Situation nichts. Im Sommer 2022 steht er gleich mehrfach vor einem Wechsel in die Türkei. Meister Trabzonspor soll interessiert gewesen sein, doch das Gerücht zerschlägt sich schnell wieder. Zum Saisonstart fällt Boateng dann zumindest offiziell aufgrund muskulärer Probleme aus, verpasst die ersten zehn Ligaspiele.
Erst als der glücklose Bosz im Oktober 2022 gehen muss und durch Laurent Blanc ersetzt wird, schöpft er neue Hoffnung: Blanc holt ihn zurück in den Kader, er absolviert vier Spiele in Folge, eines davon über 90 Minuten – doch es ist nur ein kurzes Hoch. Ab dem 14. Spieltag kommen nur noch vier weitere Einsätze bis Saisonende hinzu. Mitte Mai 2023 dann ist klar: Boateng wird Lyon nach zwei Jahren verlassen.
t-online schreibt damals: "Wie es für den gebürtigen Berliner weitergehen könnte, ist noch unklar." Allerdings: Ein Karriereende komme für den Verteidiger nicht infrage, stattdessen sei "ein Wechsel in die USA eine Option". Nun kamen die Bayern.
- Leistungsdaten von Jérôme Boateng bei transfermarkt.de
- L'Equipe: Peter Bosz défend Thiago Mendes
- Flick: Boateng "wäre gerne in München geblieben"
- Sport 1: Flick adelt Boateng: "Einer der besten in Deutschland"
- Sport 1: Jérome Boateng schießt gegen Rummenigge zurück
- Jérôme Boateng über seinen Wechsel nach Lyon