Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Ronaldo-Rumms in Manchester Auf seine Karriere gespuckt
Der Superstar benimmt sich daneben und wird von seinem Klub abgestraft. Es könnte ganz anders sein – wenn es nicht Cristiano Ronaldo wäre. Ein Kommentar.
Europameister. Fünf Titel in der Champions League. Meister in England, Spanien und Italien. Kaum eine Trophäe, die Cristiano Ronaldo in seiner nunmehr fast zwei Jahrzehnte andauernden Karriere nicht gewonnen hat. Mal ganz abgesehen von seinen individuellen Titeln.
Möglich ist, dass sich der nicht gerade unter zu wenig Selbstbewusstsein leidende Portugiese nicht nur originalgetreue Kopien all dieser Pötte und Pokale hat anfertigen lassen, sondern gerade diese persönlichen Auszeichnungen noch mal gesondert auf einem schicken Regal illuminiert: Fünf Ballons d’Or, zahlreiche Torjägertitel und, und, und. In seiner portugiesischen Heimatstadt Funchal auf der malerischen Insel Madeira wurde dem berühmtesten Sohn der Stadt sogar eine überlebensgroße Statue von zweifelhafter Schönheit gewidmet.
Mit nun 37 Jahren könnte dieser Cristiano Ronaldo also ein Star sein, der seine jungen Kollegen anleitet, der Erfahrungen aus seiner bewegten Karriere weitergibt. Der auch mal akzeptiert, nicht immer noch die allererste Wahl zu sein. Eine noch aktive Legende, die bejubelt wird, wenn sie nur von der Bank aufsteht, um sich zur Einwechslung bereitzumachen. Einer, der sich auch – nicht unverdient – im Glanze seiner Erfolge sonnen kann. Ein Elder Statesman des Sports, der langsam und würdevoll dem Sonnenuntergang Karriereende entgegenreitet, in selbstbestimmtem Tempo.
Es ist Ronaldo alles zu viel geworden
Aber nicht so mit Cristiano Ronaldo. An diesem Donnerstag ist er von Manchester United mindestens für das nächste Ligaspiel beim FC Chelsea suspendiert worden – beim 2:0-Sieg unter der Woche gegen Tottenham Hotspur hatte der stolze Altstar die Einwechslung verweigert und war schon vor Abpfiff in die Kabine geflüchtet (mehr dazu lesen Sie hier). Dass er bei den "Red Devils" aktuell nur Edelreservist ist, dass er mal nicht in der Champions League spielen kann, dass der Abschied in der letzten Transferperiode nicht geklappt hat – es ist ihm offenbar alles zu viel geworden.
United und der rührige neue Trainer Erik ten Hag, sie sahen keine andere Möglichkeit mehr, als einen der verdientesten Spieler der Klubhistorie vorerst aus dem Kader zu streichen. Kaum realistisch erscheint es aktuell, dass er und United, der Klub, bei dem er Anfang der 2000er Jahre zum Weltstar wurde, noch einmal zusammenfinden.
Cristiano Ronaldo: Alleine. Jetzt. Sofort.
Und nur einer ist schuld an dieser Entwicklung: Cristiano Ronaldo selbst. Er spuckt auf seine Karriere. Denn das Verhalten des 37-Jährigen, dem selbst seine schärfsten Kritiker stets zugestanden, ein echter Profi zu sein, ist nur eines: unprofessionell. Eines Weltstars seines Kalibers unwürdig. Wasser auf die Mühlen derer, die ihn – abseits von seinem begnadeten Können – seit Jahren schon als eitlen Pfau, als egozentrischen Selbstdarsteller, als "Ich, ich, ich"-Spieler sehen. Der wichtige Sieg im Topspiel gegen die "Spurs"? Geriet allseits in den Hintergrund, weil der große Star, dessen sportlicher Stern gar nicht mehr so hell leuchtet, unzufrieden ist.
Er steht nicht mehr im Mittelpunkt, er soll anderen zuarbeiten. Jüngere, Schnellere werden ihm vorgezogen, und das gefällt ihm gar nicht. Die Wahrheit ist jedoch: Cristiano Ronaldo ist sportlich verzichtbar geworden. Die Tempoläufe sind nicht mehr so spritzig, die Abschlüsse nicht mehr so unwiderstehlich wie einst, die genialen Momente seltener. In Ronaldos Welt aber eine Unmöglichkeit, dass etwas ist, was nicht sein darf.
Er will seine Einsatzzeit, er will weiter spielen, weiter glänzen, weiter gewinnen. Alleine! Jetzt! Sofort! Statt wie ein souveräner Routinier verhält sich der Superstar wie ein bockiges Kind, das im Supermarkt wutschnaubend auf den Boden stampft, weil es zusätzlich zum Schokoriegel auch noch unbedingt Lutscher und Eis will, aber nicht kriegt.
Man muss kein Ronaldo-Fan sein, um seine Leistungen auf dem Platz über fast zwei Jahrzehnte anzuerkennen. Man muss aber auch kein Ronaldo-Kritiker sein, um zu sagen: So ein unwürdiges Theater hätte er nicht nötig gehabt. Und zu fragen: Was soll das eigentlich?
Aber Cristiano Ronaldo kann offenbar nicht aus seiner Haut. Er ist halt so, mag man schulterzuckend konstatieren. Und ja, offenbar ist er wirklich so.
Wenn das nur nicht so verdammt schade wäre. Traurig. Fast kann er einem leidtun.