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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Zum Tod von Horst Eckel "Von dem Angebot hätte ich halb Vogelbach kaufen können"
Nachdem Horst Eckel zum "Helden von Bern" geworden war, bekam er plötzlich enorm viel Geld angeboten. Doch den Weltmeister von 1954 ließen die Angebote kalt. Ihn interessierte etwas anderes.
Was seine Mannschaft und er wirklich erreicht hatten, das konnte Horst Eckel an jenem 4. Juli 1954 nicht ahnen. Als der linke Außenstürmer – Flankenläufer, wie es früher hieß – nach dem dramatischen 3:2-Sieg über die haushoch favorisierten Ungarn den WM-Sieg bejubelte, da freuten sich die Spieler zwar ausgelassen über einen nie für möglich gehaltenen Sieg; dass die deutschen Fußballer damit einen deutschen Mythos begründeten, wurde ihnen wohl erst viel später bewusst.
Eckel als letzter Finalteilnehmer von 1954 gestorben
Als vorletzter Akteur der deutschen Mannschaft starb 2017 der Kölner Hans Schäfer, schon 2015 war mit Jeno Buzanszky der letzte Finalteilnehmer der Ungarn gestorben. Am Freitag starb nun auch Horst Eckel im Alter von 89 Jahren, wie der Deutsche Fußball-Bund mitteilte.
"Der Verlust von Horst Eckel ist wahnsinnig traurig – für alle Fußballfans in Deutschland, insbesondere aber für die Lauterer Anhängerschaft und Fußballgemeinde", sagte der ehemalige Nationalspieler Hans-Peter Briegel t-online. Er kannte Eckel gut und freute sich bereits auf dessen rundes Jubiläum. "Im Februar kommenden Jahres wollte er seinen 90. Geburtstag feiern, seine Tochter hatte bereits ein 'Save the Date' rausgeschickt, auch an mich. Es ist sehr traurig, dass es dazu nicht mehr kommen wird."
Mit Eckel stirbt ein Stück bundesrepublikanischer Zeitgeschichte. Der letzte Zeuge eines nie für möglich gehaltenen sportlichen Triumphes, dessen Auswirkungen weit über den Sport hinaus das Land prägen sollte. Denn das Spiel zwischen Deutschland und Ungarn war weit mehr als ein sportlicher Vergleich, es war der Kampf zweier Systeme, politisch wie fußballerisch.
Und es war einer der größten Außenseitersiege der Sportgeschichte. Der WM-Sieg wurde fortan zum Sinnbild für das, wozu eine Mannschaft imstande ist, er wurde zum Sinnbild für freundschaftlichen Zusammenhalt, unbändigen Willen und spielerische Leichtigkeit – und damit zur Antithese des Bildes, das die Welt im Jahr 1954 immer noch von Deutschland hatte.
"Das 'Wir' wurde wieder großgeschrieben"
Horst Eckel trug mit seinen schnellen Flankenläufen auf der linken Außenbahn maßgeblich dazu bei, dass der Bundesrepublik wieder so etwas wie Bewunderung zuteil wurde. Der frühere Mittelfeldakteur des 1. FC Kaiserslautern gehörte mit 22 Jahren als Jüngster jener Mannschaft von Kapitän Fritz Walter an, die das Endspiel im Dauerregen von Bern für sich entschied, während die meisten Deutschen es zu Hause vor den Radios verfolgten.
"Beim Schlusspfiff wussten wir, dass wir Weltmeister sind", erinnerte sich Eckel einmal. "Aber was das für die Leute zu Hause bedeutet, haben wir erst gemerkt, als wir wieder deutschen Boden betreten haben. Es war ein toller Empfang."
Hunderttausende säumten die Gleise und Straßen, als die Weltmeister wie im Triumphzug in die Heimat zurückkehrten. Ein Moment des Stolzes in einer ansonsten freudlosen Zeit. Bundespräsident Theodor Heuss und Kanzler Konrad Adenauer gratulierten. "Die Menschen in Deutschland haben ja nicht gesagt, die Elf vom Herberger sind Weltmeister geworden, sondern wir. Das "Wir" wurde wieder großgeschrieben und so ist es aufwärtsgegangen."
Legendäres Duell gegen Ungarns Hidegkuti
In einem Beitrag für "Die Zeit" hat Eckel einmal über das große Finale geschrieben: "Sepp Herberger sagte nach dem Spiel, dass ich schon ganz gut gespielt habe. Wenn der Trainer das sagte, war das ein großes Kompliment." Eckel bekam vor dem Endspiel den Auftrag, den ungarischen Torjäger Nandor Hidegkuti zu bewachen. "Als ich von meiner Aufgabe hörte, musste ich mich nur kurz schütteln. Dann bereitete ich mich vor", schrieb er. "Im Finale spielte ich meine Stärken aus: Ich war immer schneller, wendiger und meistens lief ich Hidegkuti die Bälle geschickt ab. Ich spielte nie Foul."
Hans-Peter Briegel über Eckel: "Ich habe oft in Kaiserslautern mit Horst Eckel diskutiert und ihn für seine angenehme Ruhe und Zurückhaltung sehr geschätzt. Er war ein kritischer Beobachter des heutigen Fußballs."
Eckel galt als strebsam, bescheiden, mannschaftsdienlich, diszipliniert, bodenständig. Solange alle Weltmeister von 1954 noch lebten, stand er immer im Schatten der großen Namen: eines Helmut Rahn, eines Toni Turek und vor allem seines Trauzeugen Fritz Walter. Zuletzt aber blieb nur noch der zurückhaltende Eckel übrig, um dieses Jahrhundertteam bei jeder Gelegenheit zu repräsentieren. In einem kleinen Raum in seinem Heimatort Vogelbach hatte er viele Erinnerungen an seine Karriere gesammelt. Bezeichnend für ihn war, dass auch ein Foto des von ihm so respektierten ungarischen WM-Kapitäns Ferenc Puskas an der Wand hing.
Enormes Angebot aus England ließ ihn kalt
Mit heutigen Weltmeistern ist Eckels fußballerische Karriere nicht mehr zu vergleichen. Der zweimalige deutsche Meister (1951 und 1953) wechselte nur einmal den Verein: vom 1. FC Kaiserslautern zum SV Röchling Völklingen im Saarland (1960).
Dem Lauterer Stadtmagazin "insider" erzählte er einmal die Geschichte eines Vertragsangebots aus England. "Wir spielten gegen Preston North End und nach dem Spiel baten mich die Vereinsoberen zum Gespräch. Ich hörte mir alles an und sagte dann ab. Was sollte ich als junger Mann in England? Von dem Angebot hätte ich damals halb Vogelbach kaufen können."
Das Angebot hätte Eckel die damals enorme Einmalzahlung in Höhe von 150.000 D-Mark sowie 6000 D-Mark Monatsgehalt eingebracht. Auch Fritz und Ottmar Walter seien solche Angebote aus England ins Haus geflattert, berichtete Eckel. Sie hätten im Mutterland des Fußballs sogar 10.000 DM im Monat verdienen können. Doch sie blieben lieber ihrem Heimatverein, dem 1. FC Kaiserslautern, treu. Und weil Eckel die Gesellschaft der Walter-Brüder schätzte, blieb er auch in der Pfalz, wo er für seine Flankenläufe und Tore weiterhin 320 Mark im Monat verdiente.
"Nach 20 Minuten musste er schon vom Platz"
Von denen schoss er einige. 64 Treffer gelangen ihm in seinen 213 Spielen, dazu bereitete er etliche vor. "Ich habe alles erreicht, was ein Fußballer erreichen kann. Vielleicht wäre es heutzutage anders, aber Geld war nicht so wichtig."
Nach seiner Zeit als Fußballer studierte der gelernte Werkzeugmacher auf dem zweiten Bildungsweg Kunst und Sport und arbeitete ab 1973 als Realschullehrer. Den sportlichen und wirtschaftlichen Abstieg seines 1. FC Kaiserslautern verfolgte er mit Sorge und als er in Corona-Zeiten nicht mehr ins Fritz-Walter-Stadion konnte, schmerzte ihn das sehr. Zuletzt war er auch gesundheitlich angeschlagen.
"Noch im Sommer war Horst Eckel in Landau bei einem Spiel der Lotto-Traditionself dabei – nach 20 Minuten musste er leider schon wieder gehen, weil es ihm nicht mehr so gut ging", berichtete Fußballer Briegel t-online.
Im Oktober 2020, kurz bevor Fritz Walter 100 Jahre alt geworden wäre, gab Eckel der Deutschen Presse-Agentur ein Interview. Ein "Held von Bern" genannt zu werden, hat ihn immer gestört. "Ich bin doch ein ganz normaler Mensch geblieben", sagte er. Er hoffe, dass er seinen Freund Fritz Walter irgendwann mal im Himmel wiedersehe. "Dann machen wir weiter mit dem Fußball, wie wir es früher gemacht haben. Es war eine schöne Zeit."
- Eigene Recherche
- Nachrichtenagentur dpa
- Stadtmagazin "Insider"