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Jogi Löws Abschied vom DFB – ein Rückblick auf 15 intensive Jahre


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Jogi Löw wird verabschiedet
Högschde Disziplin


Aktualisiert am 11.11.2021Lesedauer: 5 Min.
Joachim Löw: Der frühere Bundestrainer wird am Donnerstag in Wolfsburg offiziell verabschiedet.Vergrößern des Bildes
Joachim Löw: Der frühere Bundestrainer wird am Donnerstag in Wolfsburg offiziell verabschiedet. (Quelle: Ulmer/imago-images-bilder)

Es ist so weit: Ex-Bundestrainer Joachim Löw wird offiziell vom DFB verabschiedet und für seine Leistungen geehrt. Ein Rückblick auf 15 intensive Jahre.

16. August 2006, Gelsenkirchen. 53.000 Menschen feiern auf den Rängen der Schalker Arena. "Volle Kraft voraus" ist auf Plakaten zu lesen, die die Heimmannschaft antreiben sollen. Deutschland trifft im ersten Spiel nach der Heim-WM auf Schweden.

Als um 22.33 Uhr der italienische Schiedsrichter Stefano Farina das Freundschaftsspiel abpfeift, bricht Jubel auf den Rängen aus. Das DFB-Team hat soeben den Gegner souverän mit 3:0 besiegt. Wie schon im Achtelfinale der Weltmeisterschaft (2:0) einige Wochen zuvor gelingt der deutschen Mannschaft auch an diesem Abend auf Schalke ein ungefährdeter Sieg.

Es gab nur eine Änderung: Nicht Jürgen Klinsmann stand als Cheftrainer an der Seitenlinie, sondern Joachim Löw. Der neue Mann.

Es war der erste Sieg der Ära Löw. Ein gut organisierter Auftritt, durchgeführt mit "högschder Disziplin". Löw, dem Loyalität und Ehrlichkeit so wichtig sind wie nichts anderes, steht plötzlich in der ersten Reihe.

Gut 15 Jahre später endete mit dem 0:2 in Wembley gegen England bei der Europameisterschaft seine Zeit beim DFB. Wie 2006, als Löw den bisherigen Cheftrainer Klinsmann beerbte, folgte auf ihn sein früherer Co-Trainer Hansi Flick. Das alles ist schon gut vier Monate her, trotzdem wird Löw erst am heutigen Donnerstag vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein offiziell verabschiedet und für seine Leistungen geehrt. Ein Rückblick auf 15 intensive Jahre.

Bereits vor der Europameisterschaft hatte der Schwarzwälder klargestellt, dass seine Trainerkarriere mit dem Ende beim DFB keinesfalls vorbei sei. Was seine nächste Aufgabe sein wird, ist nach wie vor unklar.

Fest steht: Die Ära Löw geht trotz des frühen Ausscheidens bei der EM in diesem Jahr als eine der erfolgreichsten in die Geschichte des deutschen Fußballs ein. Dabei stand sie schon knapp sechs Jahre nach seinem ersten Spiel gegen Schweden am Scheidepunkt.

Die Sehnsucht nach dem Titel

Das Erbe Jürgen Klinsmanns anzutreten, nachdem die Welt zu Gast bei Freunden ein berauschendes Fest feierte, war nicht die leichteste Aufgabe. Doch Löw überzeugte seine Kritiker von Anfang an. Bei seinem ersten Turnier als Hauptverantwortlicher, der EM 2008, erreichte sein Team mit starken Vorstellungen das Finale.

Erst an der Übermannschaft aus Spanien scheiterte Löws DFB-Elf. Zwei Jahre später trotzte die junge Mannschaft um Sami Khedira und Mesut Özil dem Ausfall Michael Ballacks und erreichte nach furiosen Siegen über England (4:1) und Argentinien (4:0) das WM-Halbfinale. Wie schon beim Turnier 2006 spielte sich das DFB-Team auf Platz drei. Ein passabler Erfolg, doch die Mannschaft wollte mehr. Löw wollte mehr.

Was aber folgte, war die nächste Enttäuschung. 1:2 im Halbfinale der EM 2012, gescheitert am stählernen Italiener Mario Balotelli. Löw gerät zunehmend in Kritik. Er habe sich vercoacht, hieß es. Noch größer wurde die landesweite Skepsis, als die deutsche Mannschaft im darauffolgenden Herbst in Berlin in der letzten halben Stunde des WM-Qualifikationsspiels gegen Schweden eine 4:0-Führung verspielte.

4:4 hieß es am Ende. "Ich befinde mich in Schockstarre", sagte ein konsternierter Löw nach Abpfiff vor den Kameras. Der Bundestrainer fiel in ein Loch. Von allen Seiten hagelte es Kritik. Die Zweifel wurden größer. Ist der nach außen zuweilen spröde und beratungsresistent wirkende Badener in der Lage, das DFB-Team zum ersten Titel seit der EM 1996 zu führen? Ja, ist er.

Die Erlösung von Rio

Im Sommer 2014 vollbrachte er das, was zuvor noch keinem Trainer gelungen war: Als erste europäische Mannschaft holte Deutschland den WM-Pokal auf südamerikanischem Boden. Die Elf um Schweinsteiger, Özil, Lahm, Klose und Co. kämpfte sich – angetrieben von den Enttäuschungen der vorangegangenen Jahre – ins Turnier.

Dabei blieb nicht nur der Finalsieg nach Verlängerung gegen Argentinien im Gedächtnis, sondern insbesondere das surreal anmutende 7:1 im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien. Bereits zur Halbzeit führte Deutschland mit 5:0. Ein wahnwitziger Zwischenstand.

"Wenn ich einen sehe, der die Brasilianer verarscht, wechsele ich ihn sofort aus. Wir starten jetzt wieder bei 0:0, wollen auch die zweite Halbzeit gewinnen", soll Löw zur Pause gesagt und damit den richtigen Ton getroffen haben.

Fünf Tage später folgte die Vollendung. Weltmeister. Endlich. Der Olymp war bestiegen. All you need is Löw, die Fans lagen ihm zu Füßen. Das perfekte Ende?

Löw will mehr

Während Philipp Lahm, Per Mertesacker und Miroslav Klose ihre Nationalmannschaftskarrieren beendeten, dachte Löw nicht ans Aufhören. Doch er wusste auch, dass er die Mannschaft neu erfinden musste.

"Ich habe mich gefragt: 'Was mache ich denn jetzt eigentlich?', dann dachte ich: 'Okay, das war vielleicht jetzt der größte Erfolg, aber nun wird es richtig schwierig'", erzählte er jüngst in einem Interview mit der "Zeit". Löw war nicht weit weg von einer "depressiven Verstimmung".

Dennoch sah er das große Potenzial in der Mannschaft, die er zum vierten Stern geführt hatte. Der EM-Titel stand noch aus. Löw war fest entschlossen, sein Werk zu vollenden und auch die Europameisterschaft zu gewinnen. Eine Ära zu prägen, wie es die von Löw so geschätzten Spanier von 2008 bis 2012 getan hatten.

Doch das Vorhaben endete wie schon vier Jahre zuvor im Halbfinale. Aus gegen Gastgeber Frankreich. Wieder musste Löw den Schock erst einmal sacken lassen. Doch der Ehrgeiz, den Weltmeistertitel von Rio in Russland zu verteidigen, war ungebrochen.

Löw, mit dem Status des Weltmeistertrainers nun unantastbar, hatte es sich zum Ziel erklärt, den fünften Stern zu holen. Der Sieg beim Confederations Cup 2017 wähnte ihn auf dem richtigen Weg. Doch statt der Titelverteidigung erlebte Löw die größte Schmach seiner Nationalmannschaftskarriere: das Aus in der Gruppenphase.

Die Schmach von Kasan

Löw, der sich zuvor cool, ja fast erhaben, und locker joggend am Strand von Sotschi gab, scheiterte krachend. Das 0:2 gegen Südkorea in Kasan machte jegliche Titelträume abrupt zunichte, die Mannschaft erstickte förmlich am von Löw aufdiktierten Ballbesitzfußball. Man habe arrogant gespielt, gestand sich der Bundestrainer später ein. Das musste das Ende der 13-jährigen Ära Löw sein, waren sich einige sicher. Doch Löw möchte es wiedergutmachen. So wollte er nicht abtreten.

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Wenn ein Begriff über die Jahre mit Joachim Löw assoziiert wurde, dann der der Sturheit. Bereits nach der WM 2014 legte er sich einen Panzer zu. Seitdem wirkte er noch unnahbarer – und doch fest entschlossen. Spätestens nach dem enttäuschenden Scheitern 2018 machte sich allerdings das allumfassende Gefühl breit: Es ist Zeit für etwas Neues. Das wusste auch Löw. Also gab er noch vor der EM in diesem Jahr seinen Rücktritt bekannt.

Eine befreiende Entscheidung, denn so lag der Fokus bei der EM 2021 voll auf der Mannschaft. Das war zumindest der Plan. Gelaufen ist es anders. Das Achtelfinal-Aus gegen England war keine Tragödie, aber eine mehr als herbe Enttäuschung, an der auch der Trainer einen großen Anteil hatte.

Löw ging durch die Hintertür

Die Ära Löw endete also mit einem enttäuschenden 0:2 im Wembley-Stadion von London. Wie gerne hätte er noch einmal selbst positive deutsche Fußballgeschichte geschrieben, sich mit einem Triumph verabschiedet. Am Ende ging er durch die Hintertür.

"Ich werde Zeit brauchen, um mich nach 17 Jahren bei der Nationalmannschaft emotional freizumachen", sagte er schon vor Turnierbeginn im Sommer. Am Donnerstag folgt nun die offizielle Verabschiedung, 135 Tage nach seinem letzten Länderspiel. Erstmals wird dann auch eine Frau eine Partie der Nationalmannschaft pfeifen. Ein Signal in die Zukunft, ein Abschied von gestern.

"Verantwortung ist manchmal schon eine Last. Ich freue mich auf eine gewisse Freiheit. Es wird neue Aufgaben geben", sagte Löw bereits vor Monaten. Was auch immer auf ihn zukommen mag: Löw wird seine neue Aufgabe nur aus voller Überzeugung angehen. Ganz oder gar nicht. Mit "högschder Disziplin". Wie auch sonst.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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