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EM | Effenberg über TV-Experten: "Ich hätte Kramer von diesem Job abgeraten"


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Effenberg über EM-Berichterstattung
"Ich hätte Kramer von diesem Job abgeraten"

  • Florian Wichert
InterviewVon Florian Wichert

Aktualisiert am 26.06.2021Lesedauer: 5 Min.
Christoph Kramer spielt nach wie vor für Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga, ist aber bei der EM erneut auch als Experte im ZDF im Einsatz. Stefan Effenberg findet seine Auftritte gut, stellt das Engagement aber dennoch infrage.Vergrößern des Bildes
Christoph Kramer spielt nach wie vor für Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga, ist aber bei der EM erneut auch als Experte im ZDF im Einsatz. Stefan Effenberg findet seine Auftritte gut, stellt das Engagement aber dennoch infrage. (Quelle: ZDF/Nadine Rupp, Ben Knabe, Dirk Staudt)
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So viele TV-Experten waren bei einer EM noch nie im Einsatz, doch die aufgeblähten Runden sehen sich harscher Kritik ausgesetzt. Stefan Effenberg nimmt sie in Schutz, vermisst dennoch Größen wie Netzer oder Hitzfeld und sieht Kramers Einsatz kritisch.

Herr Effenberg, das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" nennt die EM-Experten von ARD, ZDF und MagentaTV "Zeittotschläger auf allen Kanälen". "Bild" schreibt, Bastian Schweinsteiger sei als TV-Experte "so geeignet wie Prinz Harry als Thronfolger". Finden Sie die EM-Berichterstattung auch so schlimm?

Stefan Effenberg (52): Ich werde ganz sicher nicht in die zum Teil völlig unsachliche und unangebrachte Kritik einstimmen, die einige Experten zu Unrecht abbekommen. Und ich empfehle ihnen auch, sich das nicht alles durchzulesen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es Zeit braucht, in so eine Rolle hineinzuwachsen. Diese Zeit sollte man den EM-Experten schon geben.

Sie sind seit fast 20 Jahren TV-Experte. Bei der EM schreiben Sie Ihre Kolumne für t-online, sind aber auch bei Sport1 im "Doppelpass" zu sehen. Wie beurteilen Sie denn die Auftritte?

Mir steht es in keinster Weise zu, hier über einzelne Kollegen zu urteilen. Was mir allgemein auffällt, ist natürlich die hohe Anzahl an Experten insgesamt, verteilt auf die Sender. Durch die Viererrunden im Studio, die Gesprächspartner im Stadion und dann noch die Co-Kommentatoren sind fast so viele Experten wie Spieler im Einsatz. Wenn ich einschalte, muss ich erst mal überlegen, wer da eigentlich spricht. Das liegt nicht nur an der Anzahl an Experten, sondern auch an der Auswahl. Da sind viele neue Gesichter dabei. Zum einen ein paar große Namen, die aber vielleicht noch nicht diese jahrelange Erfahrung im TV haben, insbesondere bei großen Turnieren.

Sie meinen Kevin-Prince Boateng, Per Mertesacker oder Bastian Schweinsteiger?

Zum Beispiel.

Und zum anderen?

Zum anderen sind da die Experten, die vielleicht nicht diese ganz große Erfahrung aus ihrer aktiven Karriere mitgenommen haben. Das soll weder ein Vorwurf an die Sender sein noch an die Experten – aber das macht die Tätigkeit ebenfalls erst mal zu einer Herausforderung.

Warum?

Ich kann natürlich nur für mich sprechen, aber ich persönlich profitiere bis heute extrem davon, dass ich in meiner aktiven Karriere große Siege feiern durfte, aber auch brutale Niederlagen einstecken musste. Dass ich unter den besten Trainern spielen durfte. Dass ich weiß, wie es sich anfühlt, den entscheidenden Elfmeter zu verschießen oder zu verwandeln. Wie es ist, in der letzten Minute ein Finale zu verlieren oder zu gewinnen. Welche Anspannung vor einem K.o.-Spiel herrscht. Was es braucht, um eine Mannschaft auf Extremsituationen einzustellen. Das möchte ich als Experte auf keinen Fall missen.

Disqualifiziert es Thomas Broich, Hanno Balitsch, Peter Hyballa, Manuel Baum oder andere, wenn sie diese Erfahrungen nicht gesammelt haben?

Überhaupt nicht. Wie gesagt: Ich bin lediglich überzeugt, dass Erfahrung als Spieler auf höchstem Niveau dabei sehr hilft. Genauso gibt es aber viele andere Qualifikationen, die jemanden zu einem guten Experten machen. Jürgen Klopp hat nie auf allerhöchstem Niveau gespielt, aber 2006 und 2008 bei der WM und dann bei der EM extrem davon profitiert, ausgebildeter Fußballlehrer zu sein. Das sind die von Ihnen genannten Experten allesamt auch. Oder nehmen wir Oliver Kahn.

Der war ZDF-Experte und ist nun Vorstandsvorsitzender beim FC Bayern.

Er hat natürlich die Erfahrung aus seiner herausragenden aktiven Karriere, aber auch seine Management-Ausbildung war für die Expertentätigkeit extrem wertvoll. Am Ende ist es doch so: Die Sender müssen für sich entscheiden, wen sie als Experten möchten – und die Experten, ob sie sich das zutrauen. Die Zuschauer und auch die Sender selbst müssen dann im Nachhinein bewerten, ob sie da Potenzial sehen oder nicht. Denn, das muss ich zugeben: Natürlich vermisse auch ich Experten, bei denen ich gar nicht weghören kann – weil ich weiß, dass sie alles selbst erlebt haben und jedes ihrer Worte einen Erkenntnisgewinn mit sich bringt.

An wen denken Sie?

Ich meine damit Günter Netzer, Ottmar Hitzfeld, Franz Beckenbauer, Karl-Heinz Rummenigge – oder auch Lothar Matthäus, Mehmet Scholl oder eben Kahn. Als Zuschauer giere ich nach dem, was sie sagen und würde mich nicht trauen, den Ton abzustellen, damit ich nichts verpasse. Die strahlen natürlich auch eine ganz besondere Selbstsicherheit aus, einfach aufgrund ihres unerschöpflichen Wissens.

Die Sender können Hitzfeld und Netzer natürlich schlecht vor die Kamera zerren, wenn die nicht wollen.

Vollkommen richtig. Die Frage ist natürlich immer, ob sie Lust und Zeit – oder sich womöglich auch zur Ruhe gesetzt haben. Und wenn sie nun mal nicht zur Verfügung stehen, braucht es neue Gesichter und genau die erleben wir gerade.

Sie wollen eigentlich nicht über einzelne Kollegen urteilen, aber vielleicht gibt es zumindest jemanden, der Ihnen Freude bereitet?

Ich finde, dass Christoph Kramer das grundsätzlich sehr gut macht und sicher ein großes Talent für die Expertentätigkeit mitbringt. Ich mag ihn auch als Typen total. Fakt ist in meinen Augen aber auch: Wäre ich sein Berater, hätte ich ihm von dieser Aufgabe abgeraten und empfohlen, erst nach der Karriere oder zumindest zum Ende hin Experte zu werden.

Wenn er als Spieler noch vier bis sechs Jahre auf dem Platz vor sich hat, im TV aber bereits die Leistung seiner Kollegen bewertet, kann ihm das auf die Füße fallen. Nähe ist zwar gut, ein gewisser Abstand aber genauso wichtig. Den hat Christoph nicht.

Reichen Erfahrung und die richtige Balance aus Nähe und Abstand also, um ein guter Experte zu sein?

Natürlich ist die Vorbereitung wichtig. In den Tagen oder in der Woche vor einem Einsatz lese ich alles, was mir weiterhilft – und schaue mir Spiele und Statistiken an. Die Zuschauer wollen unterhalten und informiert werden – das ist meine Aufgabe als Experte. Und ob das besser oder schlechter gelingt, hat natürlich auch damit zu tun, wie viel Freude mir die Tätigkeit macht. Ich habe 2004 das erste Mal als Co-Kommentator gearbeitet und direkt einen Mega-Spaß verspürt. Seitdem bin ich als Experte im TV tätig – früher bei Premiere, Sky, heute bei Sport 1. Wer das als Notnagel sieht, weil er gerade keinen Trainerjob hat, sich aber im Gespräch halten will, wird diese Freude wahrscheinlich nicht empfinden.

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Sie setzen nicht darauf, noch mal als Trainer tätig zu werden?

Ich möchte nicht ausschließen, noch mal irgendwann als Trainer zu arbeiten – wenn, dann allerdings nur im Ausland. Ich sage aber ganz deutlich: Ich bin nicht auf der Suche nach einem Trainerjob, sondern sehr zufrieden mit meinem Leben und meiner Expertentätigkeit – bei Sport 1 und natürlich t-online.

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