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Frauenquote im Fußball - "Schon immer Männersport": Schwerer Stand der Trainerinnen


Umdenken gefordert
"Schon immer Männersport": Schwerer Stand der Trainerinnen

Von dpa
Aktualisiert am 30.03.2021Lesedauer: 6 Min.
Inka Grings, Trainerin des SV Straelen, gestikuliert beim Aufwärmen ihres Teams.Vergrößern des Bildes
Inka Grings, Trainerin des SV Straelen, gestikuliert beim Aufwärmen ihres Teams. (Quelle: Bernd Thissen/dpa./dpa)

Frankfurt/Main (dpa) - Der blonde Steppke schoss schon als Fünfeinhalbjähriger und Jüngster in der F-Jugend Tor um Tor. 156 in einer Saison, daran erinnert sich die Entdeckerin von Marco Reus genau.

Andrea Schürmann förderte beim PTSV Dortmund als Erste den heutigen Kapitän von Borussia Dortmund. Dem Fußball ist die Trainerin verloren gegangen. Aus beruflichen Gründen und weil sie den Eindruck hatte, "als Frau hätte ich da eh keine Chance gehabt", wie sie es der Deutschen Presse-Agentur erzählte.

Irgendwie typisch für die Entwicklung, die im Prinzip keine ist: Als Übungsleiterin im Nachwuchsbereich, vornehmlich bei Mädchen, tauchen Frauen noch auf der Bank auf. Den Sprung in den aktiven Männerbereich schafft kaum jemand, ins Profigeschäft fast niemand. Selbst in der Frauen-Bundesliga hat nur ein einziger Club einen weiblichen Chefcoach: die Schweizerin Nora Häuptle arbeitet beim SC Sand.

Die 37-Jährige würde sich "absolut" zutrauen, mal eine Profi-Männermannschaft zu betreuen. Viele ihrer ehemaligen Mitspielerinnen, so sagt sie in einem SWR-Interview, "wollten nach ihrem Karriereende eine Familie gründen und Abstand zum Fußball bekommen". Kolleginnen, mit denen sie arbeite, erlebe sie als sehr reflektiert und selbstkritisch. "Sie überlegen oft, ob sie für den nächsten Schritt bereit sind. Vielleicht agieren Männer eher nach dem Motto "Hauptsache, ich bin da"", sagt Häuptle.

Inka Grings übernahm 2019 als erste Frau eine Herren-Mannschaft in einer der höchsten vier Ligen, beim West-Regionalligisten SV Straelen. Nach Abstieg und Wiederaufstieg verließ sie den Club 2020 - in der Hoffnung auf einen weiteren Karriereschritt bei einer höherklassigen Männermannschaft. Doch die hat sich erstmal zerschlagen, Corona macht den Arbeitsmarkt noch schwieriger.

"Alles in allem aber halt ein steiniger Weg", sagt die 42-Jährige. Inzwischen trainiert die zweimalige Europameisterin die Frauen ihres Ex-Vereins FC Zürich.

Wie Grings sorgte auch Imke Wübbenhorst als Regionalliga-Trainerin für Schlagzeilen. Ihr Engagement bei den Sportfreunden Lotte endete im Dezember vorzeitig nach einem guten halben Jahr, derzeit kämpft sie vor dem Arbeitsgericht Rheine um eine Abfindung. Bekannt wurde die 32-Jährige auch durch ihren ironischen Spruch: "Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf."

Warum es so wenige Trainerinnen in den Männerbereich schaffen? "Es liegt daran, dass der Frauenfußball allgemein nicht so anerkannt ist in Deutschland. Ich glaube, dass deswegen gefragt wird: Warum sollte eine Frau, die - logischerweise - aus dem Frauenfußball kommt, uns hier beibringen können, wie es funktioniert?", sagt Wübbenhorst. Dabei könnten Frauen ja Teamführung genauso gut, aber das werde wenig beachtet, so die frühere Bundesliga-Spielerin.

Fehlender Mut bei den Club-Verantwortlichen sieht sie als einen Hauptgrund für die Misere. "Wenn einer einen Mann einstellt, der am besten schon in der Liga tätig war und es funktioniert nicht, dann hat er vielleicht noch mal einen Schuss frei. Wenn er aber eine Frau einstellt, dann hängt halt sein Posten direkt mit dran." Je kommerzialisierter der Fußball sei, desto schwerer würden sich die Manager und Funktionäre mit einer unkonventionellen Entscheidung tun.

Einfacher sei es, in die zweite Reihe zu rücken, zum Beispiel als Co-Trainerin oder Videoassistentin. Zumindest darauf hofft jetzt auch Wübbenhorst. Weil die wenigen Trainerinnen meist zumindest aus einem halbprofessionellen Umfeld als Spielerinnen kommen, "macht es ja auch keinen Sinn, ambitioniert eine Kreisliga-Mannschaft zu trainieren, die schlimmstenfalls noch vor jedem Spiel säuft".

Melden und zeigen, so Grings, sollten sich qualifizierte Fußball-Expertinnen, und: sich trauen und gegen den Trend stellen. "Ein Trainer-Team, eine Scoutingabteilung, ein Vorstand oder der Aufsichtsrat besteht selten aus ein oder zwei Personen. Also warum dann nicht das Team um eine weibliche Person erweitern?"

Wie einst Grings und Wübbenhorst absolviert derzeit auch Kim Kulig (30) den Fußballlehrer-Lehrgang beim Deutschen Fußball-Bund. Die Europameisterin von 2009 sowie Sabrina Eckhoff, Verbandstrainerin in Württemberg, sind die beiden einzigen Teilnehmerinnen. Kulig betreut die zweite Frauenmannschaft bei Eintracht Frankfurt, zur neuen Saison werden die beiden Assistentinnen des neuen Chefcoaches Tommy Stroot beim VfL Wolfsburg.

"Im Frauenfußball war es lange Zeit einfach nicht lukrativ genug, als Trainerin zu arbeiten. Und im Männerfußball ist es schwer reinzukommen", sagt Kulig in einem Interview des Magazins "Elfen". "In den letzten Jahren tut sich in beide Richtungen einiges."

Kulig hat auch bei Frankfurts Bundesliga-Trainer Adi Hütter hospitiert, der sie als "engagiert, wissbegierig und schon sehr weit" bezeichnet. Ihr langjähriger Manager Siggi Dietrich, Vorsitzender des Ausschusses Frauen-Bundesligen beim DFB und Eintracht-Spitzenfunktionär, bezeichnet Kulig als "herausragende Persönlichkeit. Ich glaube, dass sie sehr weit kommen kann".

Höchste Spitzenkraft - wenn auch nicht bei den Männern - im deutschen Trainergeschäft ist Martina Voss-Tecklenburg. Kaum jemand weiß so genau, wie hart der Weg nach oben ist. Für die 53-Jährige ist es überfällig, dass eine Trainerin auch im Profifußball der Männer Fuß fasst. Die Zeit sei "schon lange reif, aber es wird halt noch nicht passieren", sagt sie im Podcast "kicker meets DAZN". "Das liegt immer noch daran, dass es keiner gemacht hat und noch keiner diese Tür geöffnet hat. Es ist immer noch ein sehr innerer Zirkel von Menschen, die aus dem Männerfußball kommen und im Männerfußball bleiben."

So verstanden es viele eher als Scherzfrage, als bei einer Pressekonferenz zum angekündigten Abschied von Joachim Löw kürzlich jemand von DFB-Direktor Oliver Bierhoff wissen wollte, ob für den Bundestrainer-Job auch eine Frau in Frage käme. "Beantworte du zuerst, Oliver. Möchte ich gerne hören", sagte Löw. Bierhoff, ganz DFB-Diplomat, antwortete natürlich höflich: "Ich würde nie etwas ausschließen, insofern: Ihr dürft weiter spekulieren."

Voss-Tecklenburg meint: "Ich glaube, es mangelt momentan tatsächlich an Frauen, die diesen Weg einschlagen." Derzeit kontaktiere der DFB verstärkt ehemalige oder noch aktive, erfahrene Lizenzspielerinnen, um sie davon zu überzeugen, dem Fußball nach der aktiven Karriere treu zu bleiben.

Die Deutsche Fußball Liga (DFL) startet im Zuge ihrer "Taskforce Zukunft Profifußball" eine "Diversitätsstrategie vor allem im Sinne von Karrieremöglichkeiten von Frauen im Berufsfeld Fußball". Dabei geht es aber vor allem um Arbeitsplätze nicht direkt auf dem Rasen.

Von speziellen Trainer-Seminaren für weibliche Interessenten hält Imke Wübbenhorst wenig: "Dann würde es ja heißen, die hat ja nur die Ausbildung bei den Frauen gemacht. Das würde sogar den Stellenwert jeglicher Ausbildung rapide herabsetzen", sagt sie und ergänzt: "Es gibt einfach wenig, die Interesse haben und sich auch gut auskennen."

Für den langjährigen Bundesliga-Trainer Ewald Lienen ist das alles "ein schwieriges Thema. Grundsätzlich ist Fußball schon immer ein Männersport gewesen", sagt der 67 Jahre alte Markenbotschafter des FC St. Pauli der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe einfach auf allen Ebenen viel zu wenig Beispiele für Trainerinnen. Dabei hätten Frauen oft bessere kommunikative Fähigkeiten: "Im Männerfußball reden viel zu viele von technischen Finessen, vor allem im Nachwuchs."

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Wie man die Situation ändern könnte? Auch Lienen weiß es nicht so recht und verweist darauf, dass es auch im Wirtschaftsleben nur sehr langsam voran gehe mit der Gleichberechtigung. "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht", philosophiert er. "Aber man muss den Boden dafür bereiten."

Ex-Bundesliga-Profi und Berater Christian Timm wünscht sich nicht nur für seine Klientin Inka Grings, dass Frauen in Trainerteams Erfahrungen sammeln können: "Man muss sie ja nicht gleich zum Chefcoach machen." Auf diesem Weg hätten viele Männer Karriere gemacht - zum Beispiel Hansi Flick. Der langjährige Assistent von Bundestrainer Joachim Löw fing auch beim FC Bayern als Co-Trainer an.

Wübbenhorst hat mal bei Julian Nagelsmann bei RB Leipzig ein Praktikum gemacht und von dem Startrainer einen Tipp bekommen: "Bleib authentisch, bleib du selbst, versuche dich niemals zu verstellen, auch wenn es eine Männerdomäne ist."

Sissy Raith, derzeit ohne Posten, ist längst wieder bei den Kickerinnen gelandet, zuletzt war die 60-Jährige 2018 beim FC Basel tätig. Die 58-malige Nationalspielerin und einst Trainerin der Frauen des FC Bayern München stieg 2009 mit den Herren des TSV Eching in die Landesliga auf - damals eine Sensation. Es habe "super funktioniert. Es braucht einfach jemanden im Verein, der Vertrauen hat und nicht gleich umfällt, wenn man mal ein paar Spiele verliert", sagt Raith. Sie sei mit diesem Kapitel ebenfalls noch nicht fertig: "Zwischen Kreisliga und Bundesliga gibt es ja einige Ligen."

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