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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Traditionsduell in Liga drei FCK vs. 1860: Start in eine schicksalhafte Saison
Der 1. FC Kaiserslautern hat einen spektakulären Niedergang hinter sich, trotzdem herrscht Euphorie. Die kommende Saison wird für den Klub richtungsweisend.
Ein Gastbeitrag von Andreas Erb
Ich erinnere mich daran, dass ich vor der Partie eigens einen Fanschal kaufte, auf dem die Wappen beider Klubs ineinander verwoben dargestellt waren, damit ich auch standesgemäß jubeln konnte.
"60 und der FCK!" So besang die Lauterer Kurve die traditionelle Fanfreundschaft zwischen dem TSV 1860 München und dem 1. FC Kaiserslautern. Weltmeister Andreas Brehme, Mittelfeldstar Ciriaco Sforza und Meisterstürmer Stefan Kuntz – Namen wie diese liefen für die Roten Teufel im legendären Fritz-Walter-Stadion auf. Der FCK spielte damals, in der Saison 1994/95, im UEFA-Cup, und die Münchener Löwen waren gerade in die Erste Liga aufgestiegen.
Ein Sammelbecken abgestürzter Fußballmarken
An diesem Samstag (ab 14 Uhr im Liveticker bei t-online.de) treffen die beiden Gründungsmitglieder der Bundesliga an gleicher Stelle wieder aufeinander. Es ist ein großer Tag für Fußballnostalgiker. Allerdings geht es dann keineswegs mehr um die deutsche Meisterschaft oder die Qualifikation für einen europäischen Wettbewerb. Sondern es geht um den Saisonauftakt in der Dritten Liga an der Grenze zum Amateursport. Und um die Begegnung zweier Klubs, die beide einen spektakulären Niedergang hinter sich haben.
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Dass die Partie allerdings live im Programm der ARD übertragen wird, unterstreicht den Medienwert, den der Drittligafußball mittlerweile genießt. Die Spielklasse ist auch zu einem Sammelbecken abgestürzter, aber nach wie vor klangvoller Fußballmarken wie dem FCK geworden. Neben den Münchner Löwen spielen der Karlsruher SC, der in jener Saison 1994/95 ebenfalls zur nationalen Fußballelite gehörte, oder Hansa Rostock, die damals gerade in die Bundesliga aufstiegen, in der Liga.
Euphorie trotz Abstieg
Derweil ist bei den Fans der Roten Teufel in nostalgischer Vorfreude auf die Begegnung mit dem befreundeten Traditionsklub die Stimmung trotz des eigenen Abstiegs bemerkenswert euphorisch.
Die Klubbosse genießen einen erstaunlichen Rückhalt: Als es zuletzt darum ging, die Ausgliederung des Profibetriebs in eine Kapitalgesellschaft zu beschließen, um mit dem Verkauf von Anteilen an der Gesellschaft frisches Kapital für den auch finanziell strauchelnden FCK einsammeln zu können, votierten über 90 Prozent der Mitglieder dafür. Ein hitziger Streit, wie er anderswo über ähnliche Vorhaben geführt wird, blieb aus.
Finanziell steht der FCK weiter am Abgrund
Der große Traum von der Bundesliga, den die Vereinsführung bei der Abstimmung befeuerte, kann aber nicht darüber hinweg täuschen, wie prekär die Realität in der Pfalz ist. Wenn es um genauere Nachfragen bezüglich der Wirtschaftslage geht, gibt sich Vorstand Michael Klatt zugeknöpft.
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Man habe die Lizenz für die dritte Liga nur "auf Pump“" erhalten und dafür kurzfristig rund acht Millionen Euro auftreiben müssen, hieß es jedoch zwischenzeitlich, und man kalkuliere für die Saison mit einem Verlust von fünf Millionen Euro. Der Ausverkauf hoffnungsvoller Talente wie Willi Orban oder zuletzt Robin Koch war bislang nötig, um Millionenlöcher in der Vereinskasse zu stopfen. Dies begründet wohl auch den sportlichen Abfall des FCK.
Oberbürgermeister drängt auf Aufklärung
Die Hinterlassenschaften aus der Ära des ehemaligen FCK-Vorstands (2008 bis 2016) und heutigen U21-Nationaltrainers Kuntz belasten den Verein weiterhin schwer. Insbesondere muss im Sommer 2019 eine Fanleihe in Höhe von rund sechs Millionen Euro zurückgezahlt werden, mit der eigentlich ein Nachwuchszentrum hätte gebaut werden sollen.
Bei diversen Klubversammlungen fragten die Mitglieder aber immer wieder nach dem Verbleib dieser und anderer Mittel in Millionenhöhe. Die alte Führungsriege um Kuntz wurde nicht entlastet. Selbst der Kaiserslauterer Oberbürgermeister Klaus Weichel (SPD) drängt seit über einem Jahr auf eine Aufklärung.
Turbulente Zeiten auch bei 1860
Final geklärt hat sich all dies bislang nicht – obwohl ehemalige FCK-Bosse freimütig behaupteten, jegliche Kritik ausgeräumt zu haben. Doch nun beginnt offenbar eine neue Untersuchung: "Durch die derzeit vom neuen Aufsichtsrat des FCK eingeleitete Prüfung aller Geschäftsvorfälle seit 2008, einschließlich der Spielertransfers, wird den Intentionen des Oberbürgermeisters Rechnung getragen", heißt es aus dem Rathaus auf Anfrage.
Diese Prüfung sei noch nicht abgeschlossen. Zudem beabsichtige die Stadt, die dem FCK das Fritz-Walter-Stadion vermietet, mit dem Klub "eine Vereinbarung abzuschließen, wonach etwaige Regressforderungen gegenüber ehemals verantwortlichen Funktionsträgern des FCK an die Stadt abgetreten werden".
So läutet der Drittligaauftakt gegen die Münchener Löwen für den FCK wohl eine besonders schicksalhafte Saison ein. Auch diese Erfahrung mag eine Parallele zwischen beiden Klubs sein: Wie der FCK durchlebten die 60er in den vergangenen Jahren äußert turbulente Zeiten mit wirtschaftlichen Querelen. "60 und der FCK" – ein passender Fangesang. Übrigens: Die Bundesligapartie am 2. Dezember 1994 auf dem Betzenberg endete 1:1. Stürmer Kuntz erzielte den Ausgleich für die Lauterer. Und ich jubelte mit meinem Fanschal.
Der Autor
Der Journalist und Autor Andreas Erb begleitet das Geschehen am Betzenberg seit Jahren – mal beruflich, mal als Fan. In seinem jüngst erschienen Buch „Betze Leaks – der 1. FC Kaiserslautern zwischen Tradition und Possenspiel“, das im Verlag Die Werkstatt herausgegeben wird, zeichnet er den sportlichen und wirtschaftlichen Absturz des kultigen Traditionsvereins nach, der auch anderen Klubs ein mahnendes Beispiel sein kann.