Krisengipfel in Frankfurt Wie die Aufarbeitung des WM-Desasters läuft
Wann gibt es endlich Ergebnisse und Konsequenzen nach dem WM-Desaster? Immerhin: Die Gespräche und Analysen in der DFB-Zentrale laufen. Wie der Stand ist und wie es weitergeht.
Für Bundestrainer Joachim Löw war noch nicht "der richtige Zeitpunkt" gekommen, "sich zu äußern". DFB-Präsident Reinhard Grindel sagte nach stundenlangen Beratungen nur kurz, die Gespräche seien "sehr gut" verlaufen. Doch über Ergebnisse der mit Spannung erwarteten Analyse des historischen WM-Desasters wurde erst einmal nichts bekannt.
Löw will offenbar erst mit "Opfern" sprechen
Frühestens am Freitag nach einer turnusmäßigen Präsidiums-Sitzung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) könnten erste Konsequenzen aus dem Versagen der deutschen Nationalmannschaft in Russland präsentiert werden, heißt es aus DFB-Kreisen. Löw will nach "Bild"-Informationen zuvor aber noch mit allen Beteiligten und "möglichen Opfern" persönlich sprechen.
Am Donnerstag setzten Löw und sein Trainerstab um die beiden Assistenten Marcus Sorg und Thomas Schneider gemeinsam mit Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff die intensiven Diskussionen fort.
Am Mittwochmittag und damit deutlich früher als erwartet hatte die WM-Klausur in der DFB-Zentrale in Frankfurt/Main begonnen. Bis zum frühen Abend saßen die Verantwortlichen im Büro von Bierhoff zusammen. Grindel soll laut "Bild" bei den Debatten um die Zukunft der DFB-Auswahl rund eine Stunde dabei gewesen sein.
Grindel hält Landespräsidenten zum Schweigen an
Den ersten Etappensieg verbuchten Löw und Bierhoff indes schon am Donnerstag: Die Präsidenten der Regional- und Landesverbände des DFB sprachen dem Duo das Vertrauen aus. Die Verbände seien sich einig, "dass es an den sportlich verantwortlichen und über viele Jahre äußerst erfolgreichen Köpfen der Nationalmannschaft keinen Zweifel gibt", teilte der DFB mit. Vorausgegangen war eine Konferenz der Verbände, an der auch Bierhoff teilnahm und dabei das weitere Vorgehen erläuterte.
Grindel hatte zuvor seine Landespräsidenten offenbar per Mail angewiesen, zum Thema Löw und Nationalmannschaft öffentlich zu schweigen. Sachsens Verbandschef Hermann Winkler hatte zuletzt öffentlich Kritik an der Vorgehensweise des DFB geübt. Der 55-Jährige monierte die aus seiner Sicht verfrühte Vertragsverlängerung mit Löw schon vor der WM ebenso wie eine mangelnde Einstellung der Nationalspieler. Davon war am Donnerstag keine Rede.
"Dankbarkeit bringt Löw nicht weiter"
Auch weil die Stimmung an der Basis angespannt scheint, erhöhen die Verantwortlichen derzeit das Tempo. Laut Nationalmannschaftssprecher Jens Grittner sei das aktuelle Treffen allerdings "nicht das erste" im Zuge der dringend geforderten Aufarbeitung gewesen, "und es wird auch nicht das letzte sein". Löw und Co. befänden sich "mitten in der Arbeit".
Franz Beckenbauer empfiehlt Löw eine konsequente Linie ohne Rücksicht auf Namen. "Löw muss bei der Nominierung hart sein, Dankbarkeit bringt ihn nicht weiter", sagte der 72-Jährige der "Bild".
Personelle Konsequenzen diskutiert
Wie der SID aus gut informierten Kreisen erfuhr, ist der Bundestrainer in seiner Analyse drei Wochen nach der Katastrophe von Kasan gegen Südkorea (0:2) inhaltlich schon sehr weit gekommen. Eigene Fehler, der Neuaufbau der Mannschaft möglicherweise ohne langjährige Säulen, die Veränderung des Spielsystems – bei all diesen Themen liegen wichtige Erkenntnisse vor.
Auch erste personelle Konsequenzen sollten bei der Zusammenkunft diskutiert, aber noch nicht beschlossen werden. Neben der Besetzung des Trainerstabes standen dabei die Bereiche Scouting und Medien auf dem Prüfstand.
Deadline bleibt der 24. August
Dass Löw seine Arbeit nach dem Vorrunden-Aus fortsetze, sei "eine vernünftige Entscheidung, aber kein Neuanfang. Jogi wird einiges verändern müssen, nachdem ihm erfahrene Spieler den Einsatz verweigerten", sagte Beckenbauer.
Der Grund für die WM-Enttäuschung war laut Beckenbauer "die Einstellung. So kann man keine WM spielen", betonte der Teamchef der deutschen Weltmeister-Mannschaft von 1990: "Fußball ist in erster Linie ein Laufspiel. Es bestand aber null Bereitschaft dazu. Die Mannschaft hat eher das Gegenteil dessen gemacht, was ihr Löw aufgetragen hat."
Unabhängig von der Klausur in Frankfurt soll die abschließende, von der DFB-Spitze um Grindel eingeforderte WM-Analyse des Bundestrainers weiterhin erst am 24. August in München vorgelegt werden. Nach dem WM-Desaster hatte Löw selbst "tiefgehende Maßnahmen" angekündigt. Bierhoff sprach von Veränderungen "auf allen Ebenen".
- Nachrichtenagentur sid