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Zum journalistischen Leitbild von t-online.1860 München feiert Aufstieg Das Fußball-Märchen des Jahres
Der TSV 1860 München schafft in der Relegation das deutsche Fußball-Märchen des Jahres und kehrt in den Profifußball zurück. Nach einem dramatischen Rückspiel gegen Saarbrücken brechen in München-Giesing alle Dämme.
„Alle auf den Zaun, alle auf den Zaun“, schallte es vom prall gefüllten Rasen des Grünwalder Stadions. Die Spieler des TSV 1860 ließen sich nicht lange bitten und kletterten nach dem Abpfiff auf die Tribünenbegrenzung des altehrwürdigen Stadions, feierten mit den leidgeprüften Fans des abgestürzten Traditionsklubs – ausgelassen wie lange nicht mehr.
Minuten zuvor machten die Münchner Löwen nach einem dramatischen Relegations-Rückspiel gegen den 1. FC Saarbrücken den Aufstieg in die Dritte Liga perfekt. Dem Team von Trainer Daniel Bierofka genügte nach dem 3:2-Sieg im Hinspiel in Saarbrücken vor vier Tagen ein 2:2 (0:1) vor eigenem Publikum.
Zittern bis zur letzten Minute
Dennoch musste 1860 bis zur letzten Minute zittern. Saarbrücken schockte den Gastgeber in der 33. Minute: Jan Mauersberger fälschte einen Schuss von Marco Holz ins eigene Tor ab. Nach der Pause erhöhte der Meister der Regionalliga Südwest durch Sebastian Jacob sogar auf 2:0 (57.) und versetzte die Löwen kurzzeitig in Schockstarre.
Doch die Münchner schlugen zurück. Zunächst verwandelte der ehemalige Bundesliga-Stürmer Sascha Mölders einen Foulelfmeter (67.), musste jedoch kurze Zeit später verletzt vom Feld getragen werden. Danach sorgte Simon Seferings eine Minute nach seiner Einwechslung für das erlösende 2:2 (83.).
Mölders: „Wir waren nach dem 0:2 tot“
Nach dem Schlusspfiff gab es für die Löwen-Fans dann kein Halten mehr. Sie kletterten über die Stadionzäune und feierten knapp eine halbe Stunde lang mit Sprechchören und Fangesängen auf dem Rasen. „Sascha Mölders“ oder „Ohne Biero (Trainer Daniel Bierofka, Anm. d. Red.) wären wir gar nicht hier“, schallte es vom Spielfeld.
Torschütze Mölders konnte den Aufstieg nach dem Spiel noch gar nicht fassen. „Ich habe es noch nicht realisiert. Letztes Jahr war alles kaputt: Ich muss das jetzt für mich erstmal ordnen“, sagte er nach dem Spiel zu t-online.de: „Nach dem 0:2 waren wir tot. Saarbrücken hat das Spiel bestimmt. Aber wir haben immer dran geglaubt und es noch gedreht.“
Vor einem Jahr flogen noch Sitzschalen
Später ging die Party noch stundenlang vor dem Stadion weiter. Dort wurde die Mannschaft auf einem Bus mit der Aufschrift „Aufstiegslöwen 2018“ euphorisch gefeiert. Die Fans hatten allen Grund zum Jubeln. Nach dem tiefen Fall im Vorjahr und dem Absturz von der Zweiten Liga in die Viertklassigkeit gleicht der Aufstieg der Löwen einem Fußball-Märchen.
„Wenn man sieht, was hier heute los ist, merkt man die Bedeutung dieses Tags für den Verein. Das kann man nicht in Worte fassen. Das ist einfach nur Wahnsinn“, sagte Mölders zu t-online.de.
Rückblick: Vor knapp einem Jahr flogen nach dem verlorenen Relegationsduell gegen Jahn Regensburg noch Sitzschalen und Stangen von den Rängen, der von vielen Fans ungeliebten Allianz Arena in Fröttmaning. Die Löwen mussten den bitteren Gang in die Regionalliga Bayern antreten. Die Gegner hießen seit diesem Sommer FC Pipinsried, FV Illertissen oder TSV Buchbach.
1860 hat seine Identität wieder gefunden
Doch der Abstieg bedeutete auch die Rückkehr ins traditionsreiche Städtische Stadion an der Grünwalder Straße. Den Ort, wo der Klub 1966 zum ersten und einzigen Mal deutscher Meister wurde und 1993 und 1994 von der Dritten Liga in die Bundesliga durchmarschierte.
Und so feiert der Klub durch die Rückkehr in den Profifußball nicht nur einen lang ersehnten sportlichen Erfolg. Der Klub hat durch den tiefen Fall und die Rückkehr zu seinen Wurzeln auch seine Identität wieder gefunden. Schon während der Regionalliga-Saison waren die Heimspiele der Löwen ausverkauft.
Die Löwen-Fans scheinen wieder stolz zu sein
Die 1860-Anhänger, geplagt vom Zweitliga-Abstiegskampf der vergangenen Jahre und dem Dauer-Chaos rund um die Führungsetage und den jordanischen Investor Hasan Ismaik, scheinen wieder stolz, Löwen-Fans zu sein. Denn abseits der Rahmenbedingungen, die auch in Zukunft und durch den Aufstieg sicher nicht einfacher werden, haben sich ein Trainer und eine Mannschaft gefunden, die sich mit dem Klub offenbar identifizieren. „Diese Mannschaft hat dem Verein wieder ein Herz gegeben“, sagt auch Mölders. Das kommt bei den Anhängern gut an.
Der Nostalgie-Fußball im Grünwalder Stadion wird voraussichtlich auch in der kommenden Saison vorerst weitergehen. Im Lizenzantrag für die Dritte Liga ist das Stadion als Spielstätte mit 15.000 statt bisher 12.500 Zuschauern vorgesehen. Spätestens bei einem Aufstieg in die Zweite Liga wäre aber dann wohl wieder Schluss mit der Löwen-Nostalgie. Im Münchner Stadtteil Giesing genießt man nun erst mal den Moment.
- Eigene Beobachtungen und Recherchen