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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Letzte Saison noch im DFB-Pokal 0 Punkte, 6:114 Tore: Wie kann man so schlecht spielen?

Vergangene Saison spielte der Rostocker FC noch im DFB-Pokal, nun ist er historisch schlecht. Ausschlaggebend ist ein geplatzter Investorendeal. Doch die Norddeutschen tragen ihr Schicksal mit Fassung.
0 Punkte, 6:114 Tore und abgeschlagen Tabellenletzter: Die Leistungsbilanz des Rostocker FC liest sich desaströs. Während vergleichbare Zahlen normalerweise allenfalls in der Kreisklasse anzutreffen sind, spielt der RFC in der Oberliga Nordost – der fünfthöchsten Spielklasse des deutschen Fußballs, in der namhafte Gegner wie die ehemaligen Bundesligisten Tennis Borussia sowie Tasmania Berlin antreten.
Dort kassiert Rostock Woche für Woche Niederlagen, die nicht nur am Selbstvertrauen kratzen, sondern dieses oftmals fast vernichten: 0:8 gegen den BFC Preußen aus Berlin, 0:9 gegen die Zweitvertretung von Stadtrivale Hansa und 1:12 gegen den Vorletzten Grün-Weiß Ahrensfelde – Ergebnisse wie diese dokumentieren, warum der RFC die mit Abstand schlechteste Mannschaft der fünf höchsten deutschen Fußballspielklassen ist. Und als einziger Oberligist auch nach 20 Spielen keinen einzigen Punkt geholt hat.
Vergangene Saison noch im DFB-Pokal
Dabei sah es vor nicht allzu langer Zeit noch ganz anders aus für den 1895 gegründeten Traditionsklub aus der Hansestadt. In der vergangenen Saison spielte der RFC noch im DFB-Pokal, schied dort in der ersten Runde allerdings deutlich gegen den damaligen Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Heidenheim (0:8) aus.
Zuvor hatte der ehemalige DDR-Zweitligist den Aufstieg in die Regionalliga mit Platz zwei knapp verpasst und den Landespokal Mecklenburg-Vorpommerns geholt. Möglich machte das ein für den ostdeutschen Amateurfußball äußerst ungewöhnlicher Umstand: der Einstieg eines Investors aus dem afrikanischen Land Ghana.
Kontakt zu Investor kam über ghanaischen Spieler
"Wir hatten damals schon einen Spieler aus Ghana im Verein, und über den ist der Kontakt zum Investor entstanden", erklärt Trainer Christian Blanck im NDR. Er ist so etwas wie die gute Seele des Klubs und dort seit knapp vier Jahrzehnten in unterschiedlichen Positionen aktiv.
Nach dem Aufstieg in die Oberliga im Sommer 2020 trat Richard Kings Atikpo in den Alltag des RFC. Dem ghanaischen Unternehmer aus der Öl- und Gasbranche werden gute Kontakte zur Regierung des 33-Millionen-Einwohner-Landes nachgesagt. Die Fußballbranche kennt er zudem als Vorsitzender des Erstligisten Legon Cities FC.
"Wir haben uns das als Vorstand angehört, und es klang alles sehr überzeugend. Zu Anfang lief es auch gut", skizziert Blanck den Beginn des Engagements des Geldgebers. Atikpo investierte in die im Dezember 2019 gegründete Spielbetriebs GmbH, in welche die erste Mannschaft ausgegliedert wurde. Laut "transfermarkt.de" soll er damals sogar den Kauf des Klubs erwogen haben.
Ganz sicher brachte der Unternehmer allerdings frischen Wind in den Sportpark am Damerower Weg im Südwesten der Hansestadt. Neben in der Region bekannten Spielern wie Johann Berger und Jakob Gesien stießen vor allem zahlreiche höherdekorierte Akteure zum Klub – und die kamen aus Ländern, die normalerweise eher selten in der Oberliga Nord des Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) vertreten sind.
Knapp am Regionalliga-Aufstieg gescheitert
Mit Marcis Erglis aus Lettland, dem Esten Aleksandr Kulinitš, Aviv Bitton aus Israel, dem Kroaten Nino Stojanovic oder Augustin Walter aus Chile ging es für den Klub sportlich massiv aufwärts. Dem angestrebten Aufstieg in die Regionalliga stand nur die – finanziell auf einem anderen Level agierende – Hansa-Reserve im Weg. Dazu kam nach über 80 Jahren die zweite Qualifikation der Vereinsgeschichte für den DFB-Pokal.
Doch auf dem sportlichen Höhepunkt zog sich der Investor plötzlich zurück – was etwas mit der Schuldenkrise in Ghana zu tun hatte, wie der NDR berichtet. Der Klub konnte in der Folge die Gehälter, die laut "Ostsee-Zeitung" teilweise vierstellig gewesen sein sollen, nicht mehr bezahlen.
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"Der Investor war dann irgendwann nicht mehr da. Vorher blieben auch schon Zahlungen aus, wie ich mir von Spielern berichten ließ. Die finanziellen Mittel waren nicht mehr da, die Spieler dann weg, und wir mussten mit anderen Spielern arbeiten", beschreibt Klub-Urgestein Blanck.
Rasante sportliche Talfahrt
Das hatte zur Folge, dass es für den RFC sportlich rasant bergab ging. Deshalb stand eigentlich schon in der vergangenen Saison der Abstieg an – den der Klub gerne realisiert hätte. Doch weil keiner der Aufsteiger die sportliche Aufwertung wahrnehmen wollte, mussten die Hansestädter wohl oder übel dort verharren. Sie wären lieber eine Liga tiefer angetreten.
Entsprechend ist der Kader zusammengestellt. Statt wie einst aus teuren Legionären besteht er aus Spielern der Region sowie der eigenen Jugend. Dass diese weit hinter dem sportlichen Niveau der Oberliga zurückhängen, ist dabei eingepreist.
"Wir setzen auf eine interne und verlässliche Lösung, um genug Zeit zu haben, etwas Nachhaltiges aufbauen zu können", erklärte der Vorstandsvorsitzende Henry Karper dem "Nordkurier". Schon im vergangenen Sommer hatte er betont, den Verein "wieder auf gesunde Beine stellen" zu wollen.
Nach dem unverhofften Geldsegen aus Ghana, durch den sich der Klub finanziell in ganz anderen Dimensionen bewegen konnte, ist das gar nicht so einfach. "Wir sind immer noch dabei, die Strukturen zurückzufahren, die vor zwei bis drei Jahren aufgebaut wurden", sagte der Vereinsboss der "Ostsee-Zeitung".
Trainer Blanck bleibt trotz aller frustrierenden Ergebnisse optimistisch. "Wir sehen diese Halbserie jetzt als Lernprozess, als die längste Vorbereitung der Geschichte auf die Verbandsliga in der nächsten Saison", erklärt der 46-Jährige. Ein Blick auf die derzeitigen Statistiken lässt vermuten, wie hart dieser Lernprozess ist.
- ndr.de: Der Rostocker FC: Ein deutsch-ghanaischer Fußball-Krimi
- nordkurier.de: RFC-Keeper Thorben Zunker pariert beim Spitzenreiter zwei Elfmeter
- ostsee-zeitung.de: Investor aus Ghana steckte hohe Beträge in Rostocker FC: Der Erfolg war groß – bis er verschwand (kostenpflichtig)
- nordkurier.de: Auch Trainer Jens Dowe wirft beim Rostocker FC hin
- nordkurier.de: Bei Oberligist Rostocker FC versucht sich der nächste Trainer
- ardmediathek.de: Aufstieg und Fall des Rostocker FC (Video)
- kicker.de: Rostocker FC – 1. FC Heidenheim
- kicker.de: Drei Tore, kein Punkt: Der Rostocker FC ist das deutsche Oberliga-Schlusslicht
- instagram.com: Account rfc1895
- transfermarkt.de: Klubprofil des Rostocker FC