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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trotz Problemen mit der Bratwurst Dieser Bayern-Star mischt die WM auf
Beim mühsamen Auftaktsieg gegen Haiti erzielte Georgia Stanway das Tor des Tages. Der Bayern-Star befindet sich wohl in der besten Verfassung seines Lebens.
Aus Sydney berichtet Noah Platschko
Die Enttäuschung stand Georgia Stanway ins Gesicht geschrieben. Die eigentlich so sichere Elfmeterschützin hatte soeben den Strafstoß vergeben, der England gegen Haiti in Führung hätte bringen können. Keeperin Kerly Théus hatte den eigentlich stark getretenen Elfmeter zur Ecke geklärt. Doch während die Haitianerinnen noch jubelten, checkte der Videoassistent die Szene – und entschied nach Ansicht der Bilder (Théus hatte sich zu früh von der Torlinie bewegt) auf Wiederholung.
Wieder schnappte sich Stanway den Ball – und machte es besser. Wieder links, doch dieses Mal links unten, unerreichbar für Théus. Es sollte der einzige Treffer der Lionesses, wie die Mannschaft der niederländischen Trainerin Sarina Wiegman genannt wird, im ganzen Spiel bleiben.
Stanway blickt auf erfolgreiche 12 Monate zurück
So feierte der Europameister von 2022 einen wackligen, aber doch gelungenen Start ins Turnier. Das Ziel bei der Frauen-WM 2023 in Australien und Neuseeland war schon zu Beginn der Gruppenphase klar: Der WM-Titel sollte angepeilt werden. Gut zwei Wochen später sind die Lionesses auf gutem Wege, auch bei der WM den Titel zu holen. Und Georgia Stanway soll dabei eine entscheidende Rolle einnehmen.
Der Weg unter die besten Teams des Turniers darf dabei durchaus als wacklig bezeichnet werden – trotz einer Gruppenphase mit neun Punkten aus drei Partien. Das Viertelfinale gegen Kolumbien drehte man mit etwas Glück noch zu seinen Gunsten (2:1), im Achtelfinale gegen Nigeria rettete man sich in Unterzahl ins Elfmeterschießen – und profitierte dabei auch von den schwachen Schüssen der Gegnerinnen.
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Apropos Elfmeter: Auch gegen Nigeria trat Stanway wieder vom Punkt an. Als allererste schnappte sie sich den Ball, übernahm Verantwortung – drosch den Ball aber halbhoch links vorbei. Ein Fehlschuss, der zu ihrem Glück erneut ohne Folgen blieb.
Der Prozess rund um die Elfmeter steht dabei exemplarisch für die erst 24-Jährige, die binnen eines Jahres zwei große Erfolge feiern durfte. Denn nach dem EM-Triumph im vergangenen Sommer sicherte sich Stanway Ende Mai auch die Meisterschaft mit dem FC Bayern, zu dem sie erst zu Beginn der abgelaufenen Saison gewechselt war.
Beim alles entscheidenden 11:1 am letzten Spieltag gegen Turbine Potsdam trug sich auch Stanway in die Torschützinnenliste ein, erzielte das zwischenzeitliche 6:0. Generell liest sich ihre Torausbeute in ihrer Debütsaison mehr als ordentlich. Sechs Tore steuerte sie in 21 Saisonspielen bei, dazu drei Vorlagen – und das als zentrale Mittelfeldspielerin.
Lediglich eine Partie verpasste die Bayern-Spielerin in der Bundesliga, und das wegen einer Gelbsperre. Trotz der Umstellung auf ein neues Team und ein neues Land avancierte sie unter dem neuen Bayern-Coach Alexander Straus sofort zur Leistungsträgerin.
Herausragende Qualifikation
"Vor meinem Wechsel nach München haben mir viele Menschen geraten, geduldig zu sein, mir in einem neuen Land mit neuer Sprache fünf, sechs Monate Zeit zu geben, um anzukommen. Letztlich war es eine Sache von ein paar Wochen", erzählte Stanway vor WM-Beginn dem "Kicker". "Ich habe meine Form von der EM nach München mitgebracht und habe mich auf dem Platz bald heimisch gefühlt."
Halbfinale
Dienstag, 15.08.
Mittwoch, 16.08.
Doch nicht nur in München, wo Kapitänin und Nationalspielerin Lina Magull zu ihren engsten Ansprechpartnerinnen gehört, läuft es für Stanway. Auch in der Nationalmannschaft kann sie an die bei der Europameisterschaft 2022 gezeigten Leistungen anknöpfen – und spielt eine herausragende Qualifikation. In neun Partien erzielt sie acht Tore und bereitet weitere elf Treffer vor. Und auch bei dieser WM scheint sie genauso weiterzumachen. Stanway ist in der Form ihres Lebens, noch nie war sie so gut.
"Es war unglaublich wichtig, dass sie den Elfmeter gegen Haiti versenkt hat – er hat uns den Sieg gebracht", lobt Cheftrainerin Wiegman auf t-online-Nachfrage ihre Mittelfeldstrategin. Bei der aktuellen WM ist Stanway stärker gefordert denn je. Denn mit der eigentlichen Kapitänin Leah Williamson, EM-Torschützenkönigin Beth Mead und Stürmerin Fran Kirby fehlen den Engländerinnen drei Top-Spielerinnen, die eine tragende Rolle beim EM-Gewinn spielten. Zudem fehlte im Halbfinale gegen Australien die wegen ihrer Roten Karte gesperrte Lauren James.
Trotz ihres jungen Alters musste Stanway also mehr Verantwortung übernehmen. Als ihre Hauptaufgabe sieht sie es, eine Verbindung zu Mitspielerin Keira Walsh herzustellen. "Keira ist kreativer als ich. Ich halte ihr und dem Team den Rücken frei, gewinne Bälle zurück und spiele ihn zu ihr. Dazu schalte ich mich gerne ins Angriffsspiel ein", beschreibt sie im "Kicker"-Interview ihre Rolle auf der Sechserposition.
Nationalspielerin Magull adelt Stanway
Doch Stanway ist aber mehr als zur eine Lieferantin. Im Viertelfinale gegen die robust aufspielenden Kolumbianerinnen war sie als Zweikämpferin vor der Viererkette gefragt. 8 von 12 Bodenzweikämpfe bestritt sie mit Erfolg. "Wir haben in weiten Phasen das Spiel kontrolliert. Der Schlüssel war, zusammenzustehen und gut zu kommunizieren – auch wenn es extrem laut war im Stadion", sagte die 24-Jährige nach Abpfiff. Als es in der Schlussphase brenzlig wurde, sorgte sie für die nötigen Befreiungsschläge in der Defensive. Zielstrebig, ehrgeizig, kämpferisch – drei Attribute, die zu der Britin passen.
Auch aus dem deutschem Team hagelt es Lob für die Britin: "Georgia ist eine hervorragende Fußballerin und Persönlichkeit. Sie spielt sehr reif, aggressiv, ist ballsicher und hat eine super Pass- und Schussqualität", schätzt DFB-Star Lina Magull gegenüber t-online die Qualitäten Stanways ein. Ein Vertrauter, der sie gut aus München kennt, beschreibt sie als gesettelt. "Sie hat eine innere Ruhe und kann deshalb auch ihre Leistung abrufen."
Im EM-Finale im vergangenen Jahr beendeten England und Stanway den deutschen Traum vom Titel. Entsprechend musste sich die Ex-Spielerin von Manchester City nach ihrem Wechsel an die Isar den ein oder anderen Spruch drücken lassen. Dem freundschaftlichen Verhältnis hat der "geklaute" Titel aber keinen Abbruch getan. "Außerhalb des Platzes ist Georgia ein unheimlich netter, familiärer und bodenständiger Mensch – mit englischem Humor", so Magull über ihre Mittelfeldpartnerin. Deutsch lernt sie ebenfalls schon, auch wenn es noch leichte Probleme bei der Aussprache des Wortes "Bratwurst" gibt.
Nun gilt der volle Fokus dem WM-Finale. Ein Elfmetertor würde da sicherlich helfen, um die Stimmung der Gastgeber ein wenig zu dämpfen. Übung sollte Georgia Stanway darin mittlerweile mehr als genug haben.
- Statistiken von Georgia Stanway
- Persönlicher Austausch mit Lina Magull
- Pressekonferenz vor England Dänemark
- Stanway-Interview im Kicker (WM-Sonderheft, Print)
- Eigene Recherche