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Célia Šašić zu Streit um TV-Rechte bei Frauen-WM: "Diskussion muss es geben"


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Streit um Frauen-WM
Ex-DFB-Spielerin: "Wäre eine Katastrophe"

InterviewVon William Laing

Aktualisiert am 18.05.2023Lesedauer: 7 Min.
Célia Šašić: Die Ex-Nationalspielerin ist Botschafterin für die EM in Deutschland 2024.Vergrößern des Bildes
Célia Šašić: Die Ex-Nationalspielerin ist Botschafterin für die EM in Deutschland 2024. (Quelle: IMAGO/Nico Herbertz / Herbertz)

Das DFB-Pokalfinale der Frauen steht vor der Tür, und auch die Weltmeisterschaft ist nicht mehr weit weg. Ex-Nationalspielerin Célia Šašić hat dazu klare Meinungen und spricht exklusiv mit t-online darüber.

Achtmal in Folge konnte das Frauenteam des VfL Wolfsburg den DFB-Pokal gewinnen. Am Donnerstagnachmittag (um 16.45 Uhr im Liveticker bei t-online) wird nun der SC Freiburg versuchen, die Serie zu brechen.

Ex-Nationalspielerin Célia Šašić gibt im Gespräch mit t-online ihre Einschätzung zum Rekordspiel in Köln. Außerdem spricht die DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität über die anstehende Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland, den Streit um die TV-Rechte sowie über die Europameisterschaft der Männer 2024, für die sie als Botschafterin arbeitet.

t-online: Frau Šašić, der VfL Wolfsburg trifft im DFB-Pokalfinale auf den SC Freiburg. In der Liga trennen die beiden Teams 27 Punkte. Ist das Endspiel bereits vorher entschieden?

Célia Šašić: Definitiv nicht. Das Finale muss erst mal gespielt werden. Klar ist, dass der VfL großer Favorit ist. Freiburg hat in diesem Jahr erst ein Ligaspiel gewonnen, und das war im Februar. Zuletzt haben sie auch gegen Teams aus dem unteren Tabellendrittel Punkte liegen lassen. Trotzdem sprechen wir vom Pokal und ganz speziell vom Finale. Jeder, der Fußball gespielt hat, weiß, dass 90 oder 120 Minuten in einem Endspiel nicht immer eine gesamte Saison abbilden.

Der VfL Wolfsburg hat am Wochenende eine heftige 0:4-Klatsche in Frankfurt kassiert. Die Meisterschaft ist so gut wie verspielt. Mit dem Pokal- und Champions-League-Sieg könnte man die Saison noch retten. Sind angeschlagene Wölfinnen für den SC noch gefährlicher oder ein Vorteil?

Der VfL hat die zwei wirklich realistischen Titel noch in der eigenen Hand und wird sich beide nicht nehmen lassen wollen. Die Spielerinnen kennen aus den letzten Jahren die Drucksituation in einem Finale und haben auch Erfahrungen mit Rückschlägen. Sie werden eine klare Reaktion auf die 0:4-Niederlage in Frankfurt zeigen wollen. Von daher glaube ich nicht, dass die Situation gerade ein Vorteil für den SC Freiburg ist.

Mit SC-Coach Theresa Merk steht seit 13 Jahren erstmals wieder eine Frau an der Seitenlinie bei einem Pokalfinale. Wie würden Sie den Erfolg dieser jungen Trainerin hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland bewerten?

Das ist vielversprechend, vor allem wenn man sieht, wie jung Theresa Merk noch ist und was für einen Erfolg sie gleich in ihrer ersten Saison als Cheftrainerin in der Bundesliga hat. Es ist gut, dass junge Trainerinnen neue Impulse in Mannschaften und Liga geben. Ich würde mir wünschen, dass wir in Zukunft mehr Frauen auf Cheftrainerpositionen in der Liga sehen.

Über 40.000 Tickets wurden bereits für das Endspiel in Köln verkauft. Das sind mehr als doppelt so viele Karten wie im vergangenen Jahr. Was war in den letzten zwölf Monaten ausschlaggebend für diesen Boom?

Wir haben doch gesehen, wie groß die Resonanz der EM in Deutschland war. Das Finale war mit rund 18 Millionen TV-Zuschauenden die meistgesehene Sportsendung 2022. Das ist ein deutlicher Fingerzeig, wo das Interesse der Menschen liegt.

In der Bundesliga hat man zudem mit den Highlight-Spielen in den großen Stadien ein gutes Format gefunden. Das ist nicht nur für den Moment attraktiv, sondern zukunftsträchtig. Auch wirtschaftlich steckt da viel drin: für die Vereine, aber auch für alle Interessierten wie zum Beispiel Sponsoren. Wir brauchen weitere Investitionen, um dem Frauenfußball mehr Wachstum zu ermöglichen.

Investitionen wofür konkret?

Stellen wir uns doch mal vor, alle Bundesligavereine bei den Frauen hätten Zugriff auf die Strukturen der Nachwuchsleistungszentren. Die Mädels hätten die Möglichkeit, genauso gefördert zu werden wie die Jungs. Es geht darum, auf einem hohen Niveau eine gute Ausbildung zu genießen. Deshalb müssen die Lizenzklubs diese Strukturen weiter öffnen und zur Verfügung stellen. Es ist doch alles da.

Wie viel Rückenwind erhoffen Sie sich für die Bundesliga von der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland im Juli?

Sicherlich wird das in der kommenden Spielzeit wieder einen positiven Effekt auf die Anzahl der Zuschauerinnen und Zuschauer in der Liga haben. Die EM im vergangenen Jahr war, was die öffentliche Aufmerksamkeit angeht, Teil einer kontinuierlichen Entwicklung im Frauenfußball und kein einsames Highlight, das zufällig zustande gekommen ist.

Wie gut sind die sportlichen Chancen des DFB-Teams bei der Weltmeisterschaft?

Für die deutsche Mannschaft ist alles drin. Die Gruppe sollte normalerweise kein Problem sein. Jedes Turnier schreibt aber seine eigene Geschichte, und jede Mannschaft muss sich neu finden. Wichtig ist, eine Achse zu haben, die das Team zusammenhält: nicht nur auf, sondern auch neben dem Platz. Da hat Deutschland einen Vorteil, denn das Team ist zusammengeblieben, hat mit der EM schon ein gemeinsames Turnier auf dem Buckel.

Welche Spielerinnen sehen Sie in Australien und Neuseeland besonders in der Verantwortung, das Team zu führen?

Alexandra Popp hat aktuell einen Lauf und sendet in der Außenwirkung an die gegnerischen Teams immer ein Signal. Auch Lea Schüller ist in jedem Spiel für ein Tor gut. Mit Lina Magull und Lena Oberdorf im Mittelfeld sowie Merle Frohms im Tor hat sich innerhalb des letzten Jahres außerdem die schon angesprochene Achse herauskristallisiert. Sie alle sind Spielerinnen, die sich etabliert haben und die der Mannschaft Stabilität geben. Für ein Turnier ist es extrem wichtig, solche Fixpunkte innerhalb des Teams zu haben.

Ob die Deutschen Alex Popp und Co. im Sommer am Fernseher verfolgen können, ist derzeit allerdings unklar. Fifa und die öffentlich-rechtlichen Sender konnten sich noch nicht auf die Vergabe der TV-Rechte einigen. Ärgert Sie das?

Nein, ich finde es wichtig und gut, dass wir an einem Punkt sind, an dem wir über die Vergabe der TV-Rechte im Frauenfußball diskutieren. Das gab es jahrelang nicht. Die entscheidende Frage, die es zu beantworten gilt, lautet: Wie viel ist der Frauenfußball wert? Diese Diskussion muss es geben, und es ist gut, dass wir sie öffentlich führen.

Die WM beginnt bereits in rund zwei Monaten. Ist es nicht erst mal entscheidender, dass die TV-Rechte jetzt überhaupt vergeben werden?

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Es ist auf jeden Fall äußerst wichtig, dass die Partien gezeigt werden, für die Spielerinnen, die Fans und die gesamte Entwicklung im Frauenfußball. Offensichtlich gibt es eine Nachfrage, die Spiele zu sehen. Deshalb müssen sich die Fifa und die öffentlich-rechtlichen TV-Sender auch unbedingt einigen.

Genauso entscheidend ist aber, dass über den Wert des Turniers und der TV-Rechte, wie hoch er auch sein mag, gesprochen wird. Denn vorher stand das nie zur Debatte. Dementsprechend muss man sich jetzt mit dem Thema auseinandersetzen, weil das auch in Zukunft immer wieder relevant sein wird. Die Diskussion nicht zu führen, würde die Realität verkennen.

Wie viel sollte der Frauenfußball denn dann wert sein? ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky sprach jüngst von einem "marktgerechten Angebot" für die TV-Rechte. Der "Kicker" nennt einen Betrag von fünf Millionen Euro. Die letzten beiden Weltmeisterschaften der Männer ließen sich ARD und ZDF angeblich jeweils über 200 Millionen Euro kosten. Dabei war im vergangenen Jahr das Finale der Frauen-EM mit rund 18 Millionen TV-Zuschauern das meistgesehene Spiel. Entsprechen fünf Millionen da dem Marktwert?

Die Zahlen möchte ich nicht kommentieren. Natürlich stehen wir aber im Vergleich zu den Männern in einem großen Missverhältnis.

Was passiert, wenn die öffentlich-rechtlichen TV-Sender und die Fifa sich nicht rechtzeitig einigen können?

Ich hoffe nicht, dass es so kommt. Wenn es keine Einigung gibt, wäre das für den Sport und alle Parteien sehr schlecht. Ich rede dabei nicht nur von der Fifa und den Fernsehanstalten. Für die Spielerinnen, die Vereine und für alle, die sich für den Fortschritt im Frauenfußball einsetzen, wäre das eine Katastrophe.

Die Fifa will bei der WM der Frauen 2027 die gleichen Prämien ausschütten wie bei den Männern 2026. Ein richtiger Schritt?

Ja, ein weiterer in Richtung Gleichberechtigung. Ich sehe das als lobenswertes Ziel. Genau da wollen wir mit dem Frauenfußball hin.

Bundeskanzler Scholz forderte nach der EM 2022 zudem den DFB auf, die Titelprämien der Frauen an die der Männer anzugleichen. Wie ist da der aktuelle Stand im Hinblick auf die WM im Sommer?

Es gibt noch keine Zahlen, die verhandelt wurden. Ich sehe das jedoch genauso wie der Bundeskanzler und empfinde es als notwendig, die Prämien anzupassen. Wenn wir immer wieder von Equal Pay sprechen, müssen wir auch in diesem Bereich zusammenfinden.

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg sprach im vergangenen Jahr im "Sportstudio" davon, dass Equal Play, also dieselben Voraussetzungen für Mädchen und Frauen im Sport, erst mal wichtiger sei als Equal Pay. Hat Sie recht?

Das eine schließt das andere nicht aus. Wir müssen nicht darauf warten, dass Equal Play da ist, um Equal Pay zu bekommen.

Sie selbst sind DFB-Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität. Mit Blick auf die vielen männlichen Präsidiumsmitglieder fragt man sich: Ist der DFB noch immer ein Macho-Verein?

Vier von 14 Mitgliedern im DFB-Präsidium sind Frauen. Das ist schon mal ein Anfang und auch ein Fortschritt. Klar ist aber, dass die Strukturen im Fußball noch immer sehr von Männern dominiert werden. Als Vizepräsidentin für Gleichstellung und Diversität sehe ich meine Aufgabe auch darin, dieses Thema in Zukunft anzugehen und die Änderung von festgefahrenen Strukturen einzufordern.

Wie sieht für Sie der DFB der Zukunft aus?

Beim DFB sprechen wir von einem gemeinnützigen Verband, dessen Aufgabe es ist, der Gesellschaft zu dienen. Das ist ein entscheidender Aspekt, den wir im Fokus haben sollten. Da liegt mir persönlich viel dran. Auch mit Blick auf die EM der Männer im kommenden Jahr sollten wir uns Themen wie Chancengerechtigkeit, Gleichstellung, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit weiter annähern.

Sie sprechen die Europameisterschaft 2024 in Deutschland an, für die Sie Botschafterin sind. Wie kann der DFB die Menschen im Land nach dem ernüchternden Abschneiden bei den letzten Großturnieren wieder für die Männer-Nationalmannschaft begeistern?

Aus sportlicher Sicht brauchen wir natürlich eine Mannschaft, die zu alter Stärke zurückfindet und mit der sich die Menschen wie zum Beispiel beim WM-Titel 2014 identifizieren können.

Eine EM kommt außerdem nicht alle Tage. Sie ist eine riesige Chance. Wir haben im nächsten Jahr die Möglichkeit, eine Zeitenwende einzuläuten und neue Maßstäbe für künftige Turniere zu setzen.

Was muss für Sie passieren, damit wir nach dem Finale im Sommer 2024 von einem erfolgreichen Turnier in Deutschland sprechen?

Ich würde mir eine DFB-Elf wünschen, die das Land begeistert. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass die Mannschaft das Turnier gewinnen muss. Es geht um eine DFB-Elf, die die Menschen erreicht und Identitätsmomente stiftet. Bei den vergangenen Turnieren konnte man bei anderen Teams sehen, wie das funktioniert und was für eine Wirkung das hatte.

Verwendete Quellen
  • Videointerview mit Célia Šašić
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