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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bayern-Star bei der EM komplett außen vor "Das hat alles verändert"
Matthijs de Ligt gilt als Verkaufskandidat beim FC Bayern. Auch bei der EM spielt der Niederländer bisher keine Rolle. Ein Journalist aus seiner Heimat erklärt, warum das so ist.
Aus Berlin berichtet William Laing
Er galt als einer der großen Hoffnungsträger beim FC Bayern. Doch die millionenschwere Verpflichtung von Matthijs de Ligt im Sommer 2022 hat sich für die Münchner bisher nur bedingt ausgezahlt. Teilweise warfen den Niederländer Verletzungen zurück, auch sonst war er aber nicht immer erste Wahl in der Defensive. Beim FC Bayern hatte man sich offenbar mehr erwartet von dem Spieler, der einst Ajax Amsterdam als 19-jähriger Kapitän ins Halbfinale der Champions League führte. Denn: Wie der "Kicker" nun berichtet, gilt de Ligt neben Dayot Upamecano und Min-jae Kim als einer der möglichen Abgangskandidaten in der Abwehr. Vor allem, weil mit Stuttgarts Hiroki Itō bereits ein neuer Innenverteidiger verpflichtet wurde und auch DFB-Star Jonathan Tah aus Leverkusen kommen soll.
Ein Wechsel de Ligts in diesem Sommer scheint also möglich. Das Problem: Ins Schaufenster kann sich der 24-Jährige aktuell nicht stellen. Zwar ist er gerade mit den Niederlanden ins Achtelfinale der Europameisterschaft in Deutschland eingezogen, eingesetzt wurde de Ligt im Turnier aber noch keine einzige Minute.
t-online hat deshalb mit einem niederländischen Journalisten über die aktuelle Rolle von de Ligt gesprochen. Wie kommt es, dass das einst größte Talent des Landes plötzlich auch in der Nationalmannschaft keinen Fuß mehr auf den Boden bekommt? Das hat mehrere Gründe.
Sechs Weltklasse-Verteidiger: "De Ligt ist einer von ihnen"
Rypke Bakker schreibt für "nu.nl", die meistbesuchte Nachrichtenseite in den Niederlanden. "Die niederländische Nationalmannschaft ist etwas seltsam", sagt er t-online im Rahmen des EM-Spiels gegen Österreich (2:3) in Berlin. "Oranje" habe eine hervorragende Verteidigung, aber keine guten Angreifer. "Wir haben sechs Abwehrspieler, die Weltklasse sind. De Ligt ist einer von ihnen", so Bakker. "Das Problem ist: Van Dijk ist unser Kapitän, er spielt immer. Dann gibt es nur noch eine Position im Abwehrzentrum."
Heißt: Neben Liverpool-Star Virgil van Dijk streiten sich in der Theorie fünf Abwehrmänner um den zweiten Platz in der Viererkette: Micky van de Ven, Nathan Aké, Stefan de Vrij, Daley Blind und eben Matthijs de Ligt. Den Vorteil, den van de Ven und Aké haben: Sie können auch auf der Außenverteidigerposition zum Einsatz kommen. De Ligt ist lediglich im Zentrum beheimatet.
"Wenn Matthijs de Ligt ein Stürmer wäre, würde er mit seiner Qualität immer spielen", sagt Bakker und hebt erneut die qualitative Disbalance zwischen Angriff und Abwehr hervor. "Das ist das Problem der Nationalmannschaft. Das ist das Problem von de Ligt."
Van Gaal "war kein großer Fan von de Ligt"
Es ist wiederum nicht das erste Mal, dass de Ligt in der niederländischen Elf kein Land sieht. Auch Ex-Bondscoach Louis van Gaal hielt offenbar nicht viel von ihm. Der 72-Jährige, der die Niederlande zwischen 2021 und 2022 trainierte, "war kein großer Fan von de Ligt", so Bakker. Der Grund: "Er war fußballerisch nicht der beste Innenverteidiger, wenn man ihn mit Jurriën Timber von Arsenal vergleicht. Van Gaal hat gesagt, Timber passt besser ins System in der Art und Weise, wie ich spielen will." Timber ist bei dieser EM aber nicht dabei. Denn: Fast die gesamte Saison fiel er verletzungsbedingt aus.
Dennoch ist de Ligt bei der Europameisterschaft bisher nicht gefragt. Und das, obwohl Ronald Koeman, der aktuelle Trainer der Niederlande, ihn gut leiden kann. Der Coach habe de Ligt laut Bakker in seinem ersten Jahr gerne an der Seitenlinie eingesetzt, auch, weil ein anderer Abwehrmann fehlte. "De Vrij war immer verletzt. De Ligt war sehr gut", fasst Bakker zusammen.
Falscher Wechsel? Juventus-Transfer "hat alles verändert"
Mittlerweile hat der Verteidiger von Inter Mailand im Kampf um den Platz neben van Dijk die Nase aber wieder vorne. "Er ist etwas langweiliger, aber er ist fußballerisch besser", erklärt Bakker de Vrijs Vorteil gegenüber de Ligt. Dessen Wechsel 2019 von Ajax Amsterdam nach Italien sei der Grund für die fußballerischen Mängel. "Sein Transfer zu Juventus hat alles verändert", sagt Bakker. "Das war nicht gut für seine fußballerischen Fähigkeiten. Es war immer nur Verteidigung, Verteidigung, Verteidigung, aber kein Fußball spielen. Wir brauchen mehr Fußball in der Abwehr."
Beim FC Bayern schien de Ligt derweil zumindest fußballerisch wieder in die Spur gefunden zu haben. Das habe man in den Niederlanden registriert, so Bakker. Auch der Verteidiger selbst habe die Rückkehr zu alter Stärke bereits betont. "Wenn man ihn fragt, dann sagt er: Ich bin jetzt besser und ich fühle mich endlich wieder wie der alte Matthijs de Ligt", erklärt Bakker. "Aber aktuell ist das für den Trainer noch nicht gut genug."
- Gespräch mit Rypke Bakker in Berlin
- Eigene Recherche
- kicker.de: "Darum dürfte auch Kim den FC Bayern verlassen"