EM-Qualifikation 14:0-Spektakel: Frankreichs "Hommage an den Fußball"
Es ist ein denkwürdiger Abend in Nizza. Die Équipe tricolore gewinnt mit einem historischen Ergebnis, mit Traumtoren und Superlativen. Aber auch einem kleinen Stimmungsdämpfer.
Frankreichs gnadenlose Fußball-Stars genossen den historischen Abend von Nizza mit jeder Faser, Erbarmen mit dem Gegner kannte das berauschte Ensemble um Kylian Mbappé nicht. Aus einem bestimmten Grund. "Wir wollen den Rekord mit dem höchsten Sieg", sagte Mbappé: "Wir wollten Geschichte schreiben und das als Kollektiv. Es gibt nichts Schöneres."
Leidtragender des französischen Torrauschs wurde die Nationalmannschaft von Gibraltar, 198. der FIFA-Weltrangliste zwischen Osttimor (197.) und den Bahamas (199.). 14:0 hieß es am Ende im in Nizza. Noch nie hatte eine europäische Mannschaft in einem Qualifikationsspiel zu einer EM oder WM höher gewonnen.
"Wir haben in der Vorbereitung gesagt: Es gibt zwei Möglichkeiten. Wir gewinnen und spielen schön. Oder wir gewinnen und spielen sehr schön", sagte Trainer Didier Deschamps. Das Ergebnis neben dem Ergebnis: Traumtore, wie der Fallrückzieher von Olivier Giroud als kürender Schlusspunkt in der Nachspielzeit, mit dem Frankreich die deutsche Nationalmannschaft mit ihrem Rekordsieg vom September 2006 in der EM-Qualifikation in San Marino ablöste. Die DFB-Elf gewann damals 13:0.
Kein Laissez-faire, kein Pardon
Oder ein Schuss aus 42 Metern von Mbappé. Insgesamt dreimal traf der 24-Jährige und kommt damit nun auf 300 Pflichtspieltreffer in seiner immer noch eher jungen Karriere. Weder Argentiniens Weltmeister Lionel Messi (36) noch Portugals Torgigant und Superstar Cristiano Ronaldo (38) oder Brasiliens Neymar (31) schafften das in diesem Alter.
Für die EM im kommenden Jahr in Deutschland war Frankreich längst schon qualifiziert. Sie hätten also auch ein bisschen Laissez-faire machen können, nachdem ausgerechnet ein Eigentor bereits in der dritten Minute das Treffer-Festival eingeleitet hatte.
Sonst denken Spieler an Urlaub oder Steuern
Ex-Bundesliga-Profi Marcus Thuram traf in der vierten Minute zum 2:0 und in der 16. Minute durfte sich Warren Zaïre-Emery mit 17 Jahren, acht Monaten und zehn Tagen als jüngster Frankreich-Debütant seit fast 110 Jahren auch noch als Torschütze feiern lassen. Getrübt wurde die Freude aber durch eine Verletzung des Teenagers nach einem Foul - der Gästespieler sah dafür die Rote Karte.
"Das ist ein Ergebnis, das nicht der Norm des modernen Fußballs entspricht", schrieb Frankreichs Sportzeitung "L"Équipe" nach dem 14:0: "Wenn alles so leicht ist, hört es immer damit auf, dass sich die Spieler ein bisschen langweilen und an andere Sachen denken wie Urlaub, Steuern, Champions League." Les Bleus hätten sich diese Gelegenheit aber nicht entgehen lassen wollen, hieß es bei "Sud Ouest".
Die Spieler hätten ihn in der Halbzeit gefragt, wo der Rekord stehe, erzählte Deschamps nach der Partie. Die Mannschaft sei "unerbittlich" gewesen, meinte "L"Équipe". Und der ehemalige französische Nationalspieler Alain Giresse schwärmte von einer "Hommage an den Fußball".
Comans Bilanz eines Rekordspiels
Frankreichs Auswahl, Weltmeister von 1998 und 2018 sowie Vizeweltmeister zuletzt in Katar, Europameister von 1984 und 2000, hatte mal im September 1995 in der EM-Qualifikation 10:0 gegen Aserbaidschan gewonnen. Seit Samstag steht in den Listen eine andere Bestmarke. "Ein perfekter Abend", meinte Bayern-Profi Kingsley Coman, zu dem er zwei Tore beigetragen hatte.
- Nachrichtenagentur dpa