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Stefan Effenberg: Zwei Argumente sprechen für Müller-Rücktritt aus dem DFB-Team


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Überraschende Namen
Flick wird Karrieren beenden müssen – drei Spieler wackeln

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 01.07.2021Lesedauer: 5 Min.
Hansi Flick war bei der Europameisterschaft Tribünengast, nun übernimmt er den Bundestrainer-Posten von Joachim Löw.Vergrößern des Bildes
Hansi Flick war bei der Europameisterschaft Tribünengast, nun übernimmt er den Bundestrainer-Posten von Joachim Löw. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)
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Der neue Bundestrainer Hansi Flick wird den Kader der Nationalelf filtern müssen. Welche Spieler bleiben und welche gehen sollten. Und wer jetzt DFB-Präsident werden muss.

Die Ära Joachim Löw ist beendet – nach 15 Jahren, 198 Spielen, 124 Siegen und einem Weltmeistertitel.

Aber auch nach ernüchternden und zum Teil erschreckenden letzten drei Jahren. Das frühe Aus bei der EM gegen England ist für jeden Fan eine große Enttäuschung, weil das Achtelfinale natürlich nicht der Anspruch ist. Am schlimmsten war aber sicherlich das Vorrunden-Aus bei der WM 2018. Das hat mehr wehgetan.

Es gibt ein Qualitätsproblem

Ist Joachim Löw trotzdem noch ein Held? Ich denke schon. Er hat mit dem Weltmeistertitel 2014 etwas Außergewöhnliches geschaffen und die deutsche Mannschaft zuvor bei jedem Turnier ins Halbfinale geführt. Natürlich bleibt bei den meisten erstmal die jüngere Vergangenheit im Kopf. Ich hoffe aber, dass es den Leuten gelingt, das richtig einzuordnen. Denn ich muss auch sagen: Es war in diesem Jahr und mit dieser Mannschaft einfach nicht mehr drin.

Insbesondere im Vergleich zu den erfolgreichen Löw-Jahren ist schon ein Unterschied festzustellen. Eine neue Generation. Und ja, auch ein Qualitätsproblem.

Natürlich haben elf Spieler aus dem Kader in den letzten Jahren mit dem FC Bayern oder nun mit Chelsea die Champions League gewonnen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sie nicht alle die tragenden Säulen ihrer Mannschaft waren.

Müller hat bei Bayern eine andere Rolle

Beispiel Havertz: Er hat im Finale gegen Manchester City das entscheidende Tor geschossen – allerdings in der ganzen Saison in allen Wettbewerben nur 15 Spiele über 90 Minuten absolviert.

Beispiel Werner: Er traf im Halbfinal-Rückspiel in der Champions League gegen Real Madrid, hat aber ebenfalls ein Auf und Ab durchlebt und in der Premier League beispielsweise nur sechsmal getroffen.

Beispiel Müller: Natürlich ist er eine tragende Säule der Bayern-Erfolge – und dies auch immer gewesen. Aber er hat zumindest eine ganz andere Rolle beim FC Bayern als bei der Nationalmannschaft. Er hat mit Robert Lewandowski einen Mittelstürmer, der die Räume zu nutzen weiß, die Müller reißt.

Flick ist am Ende der Fahnenstange

Deshalb sage ich auch: Löw hat aus dieser Mannschaft nahezu alles rausgeholt und nur einen klaren Fehler gemacht. Der war, dass er Jamal Musiala beim 0:2 gegen England nicht früher eingewechselt hat, sondern erst kurz vor Schluss. Musiala hätte mit seiner Unbekümmertheit noch etwas bewegen können.

Was nun?

Das größte Problem in Deutschland wird nach Löw auch der neue Nationaltrainer Hansi Flick nicht gleich lösen können: Uns fehlen Mittelstürmer. Flick befindet sich am Ende der Fahnenstange und pickt sich nur die besten Spieler aus den Vereinen heraus. Die müssen genauso wie der DFB daran arbeiten, wieder deutsche Mittelstürmer auszubilden. Aktuell sind diese Positionen bei allen Topklubs der Bundesliga mit ausländischen Spielern besetzt: mit Erling Haaland in Dortmund, Robert Lewandowski bei Bayern, André Silva bei Frankfurt und womöglich bald Leipzig, oder mit Wout Weghorst bei Wolfsburg.

Bis dahin muss Flick mit den vorhandenen Spielern auskommen.

Was aus Müller-Sicht für einen Abschied spricht

Ich fand es gut, dass Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidzic gesagt hat, dass es für Leroy Sané das Jahr der Wahrheit wird – und ihn damit unter Druck gesetzt hat. Ich persönlich denke, dass das für viele Nationalspieler gilt. Auch für Serge Gnabry, Timo Werner oder Niklas Süle, die bei der EM überhaupt nicht rein- oder stattgefunden haben.

Die größte Aufgabe für Hansi Flick wird es nun, den Kader zu filtern, viele Gespräche zu führen und zu schauen, wen er für den Neuaufbau braucht – und wer überhaupt gewillt ist, den Weg mitzugehen. Wenn Manuel Neuer sich bereiterklärt, sollte er dabei sein. Gleiches gilt für Toni Kroos, Mats Hummels oder Thomas Müller. Bei Hummels und Müller hat es sich aus DFB-Sicht als richtig erwiesen, sie zurückzuholen. Insbesondere bei Müller gibt es allerdings aus seiner Sicht auch zwei Argumente, die für einen Rücktritt sprechen.

Zieht Müller die Konsequenzen?

Der Gedanke kommt vielleicht zunächst überraschend, aber: Zum einen hat er in den vergangenen Jahren sehr davon profitiert, nicht die Belastung der Länderspielreisen in den Knochen zu haben und sich entsprechend auf Bayern konzentrieren zu können. Zum anderen fehlt ihm in der Nationalmannschaft ein Partner wie Lewandowski – den er aufgrund des Mittelstürmer-Mangels auch nicht bekommen wird in den nächsten zwei, drei Jahren. Das bedeutet: Müller kann seine Stärken in der Nationalelf nicht optimal ausspielen und wird im zunehmenden Alter zudem mit der Belastung zu kämpfen haben. Er kann natürlich nur selbst entscheiden, ob er daraus die Konsequenzen zieht.

Was muss noch passieren?

Joshua Kimmich wird künftig in der Nationalmannschaft zentral spielen müssen als Führungsspieler des FC Bayern auf dieser Mittelfeldposition. Musiala sollte langsam zum Stammspieler aufgebaut werden. Dazu sollte Flick vielleicht mit Mittelfeldspieler Florian Wirtz, Rechtsverteidiger Ridle Baku und Lukas Nmecha aus der U21 neue Spieler einbauen. Nmecha hat bei der U21-EM in sechs Spielen vier Tore geschossen und auch im Finale gegen Portugal den entscheidenden Treffer erzielt. In der abgelaufenen Saison hat er in 41 Spielen 21-mal in Belgien für Anderlecht getroffen. Und Baku könnte vielleicht als Rechtsverteidiger den Weg für Kimmich ins Zentrum freimachen.

Dazu wird Flick sicher auch darüber nachdenken, Jerome Boateng zurückzuholen.

Das Leistungsprinzip muss wieder gelten

Aber: Flick wird auch Karrieren in der Nationalmannschaft von sich aus beenden müssen. Ob die von Sané, Werner, Gnabry oder anderen Spielern – die gesamte Offensive ist zumindest auf dem Prüfstand, nachdem die Torausbeute und Performance bei dem Turnier sehr überschaubar war. Deutschland hat kein einziges echtes Stürmertor geschossen in vier Spielen – lediglich Havertz als gelernter Mittelfeldspieler, als er im Angriff gespielt hat.

Entscheidend ist, dass das Leistungsprinzip wieder gilt – ohne Wenn und Aber. Denn das hat Löw teilweise außer Kraft gesetzt.

Was ist dann drin in den kommenden Jahren?

Den Titel bei der Weltmeisterschaft 2022 halte ich für unrealistisch. Das Ziel sollte sein, bei der Europameisterschaft 2024 wieder durchzustarten und den Titel ins Visier zu nehmen. Natürlich sollte die Nationalmannschaft 2022 auf einem guten Weg sein, drei Jahre wird es aber mindestens brauchen, um wieder titelfähig zu sein. Dann müssen Kai Havertz, Leon Goretzka oder Jamal Musiala natürlich den nächsten Schritt gegangen sein.

Matthäus ist der perfekte DFB-Präsident

Wichtig ist auch: Der Neustart mit Flick muss auch ein Neustart für den ganzen DFB sein. Der größte Sportverband der Welt hat kein gutes Bild abgegeben, indem er ohne einen echten Präsidenten in die Europameisterschaft gegangen ist, sondern nur mit einer Interimslösung. Diese Baustelle sollten die Verantwortlichen schleunigst schließen.

Es gibt weiterhin kaum Kandidaten, die dafür in Frage kommen. Sowohl Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge als auch Christian Seifert haben entweder selbst kein Interesse oder werden vom DFB nicht als Kandidaten angesehen. Deshalb sollte sich der Verband aus meiner Sicht dringend mit Lothar Matthäus beschäftigen. Mehr Kompetenz bekommt er nicht. Und es braucht jetzt einfach einen Chef an der Spitze, der die nächsten Aufgaben angehen und den DFB wieder in ein besseres Licht rücken kann. Matthäus ist der perfekte DFB-Präsident.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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