Bundesliga-Aufsteiger Mission Klassenerhalt: Arminia als "gallisches Dorf"
Scheffau am Wilden Kaiser (dpa) - Über den Trainingsplatz von Arminia Bielefeld mit Blick auf die Tiroler Alpen schallt reichlich Gejohle und Gelächter.
Torjäger Fabian Klos und Co. versuchen sich samt Betreuerstab ausgiebig an der Herausforderung, den Ball an die Latte zu lupfen. Bei aller intensiven Vorbereitung auf die Mission Klassenerhalt in der Bundesliga soll der Spaß im Trainingslager im beschaulichen Scheffau am Wilden Kaiser nicht zu kurz kommen. Mittendrin ist auch Trainer Uwe Neuhaus, ein Baumeister des Erfolgs.
Bis Sonntag feilt er mit dem krassen Außenseiter in Österreich an der Form, die nächste Saison wird auch für Neuhaus eine neue Erfahrung sein. Als 60-Jähriger ist er spät erstmals Chefcoach in der ersten Liga. Ein lustiger Zufall, auch als Spieler erreichte er die höchste Klasse erst mit 30. Für die 90 wünsche er ihm, dass er dann nicht mehr auf dem Fußballplatz steht, sagt Sportchef Samir Arabi schmunzelnd. "Wahrscheinlich wird er viel Zeit auf Sylt verbringen und hoffentlich seine Arminia in der Bundesliga verfolgen."
Die Ausgangslage für die kommende Saison ist schlecht, doch die Arminia will keinesfalls so enden wie der große Rivale SC Paderborn, der als Aufsteiger gleich wieder runter musste. "Warum sollten wir nicht das zweite Wunder schaffen?", meint Geschäftsführer Markus Rejek. Mit den Torjägern Klos (21 Treffer) und Andreas Voglsammer (12), der in Scheffau verletzt fehlt, wurde Arminia Bielefeld überraschend souverän Zweitliga-Meister. Für die Bundesliga setzt der Club wie stets auf das Kollektiv. Das demonstriert der Club auch in Scheffau, rund 20 Kilometer von Kitzbühel entfernt, wo die Spieler im Nobelhotel "Kaiserlodge" in Vierer-Appartements wohnen und selbst der Pressesprecher mit in die Challenge auf dem Platz eingebunden wird.
Der Teamgeist muss fehlende sportliche Qualität ausgleichen. "Wenn wir beides nicht haben, haben wir gar keine Chance", räumt Arabi ein. "Die reine Faktenlage ist eindeutig", sagt der 41-Jährige: "Wir sind das gallische Dorf im Vergleich zur ganzen Bundesliga."
Bei der Verteilung der TV-Gelder sind die Bielefelder mit 29,80 Millionen Euro abgeschlagen Letzter, selbst zu einem Club wie dem FC Augsburg (42,87 Millionen Euro) klafft laut "Kicker" eine deutliche Lücke. Ein wenig "Spielmasse" für Neue ist laut Rejek noch vorhanden, ein Innenverteidiger und ein Mittelfeldspieler sollen noch kommen.
"Wir werden kein Risiko eingehen bei Transfers, um die Chance zu erhöhen, in der Liga zu bleiben", mahnt Arabi: "Natürlich wäre der eine oder andere Spieler mit Erfahrung nicht nachteilig, aber es ist für uns auf dem Markt aktuell nicht bezahlbar."
Vor drei Jahren stand der damals mit 30 Millionen Euro verschuldete Club vor der Insolvenz, ehe ein "Bündnis Ostwestfalen" den Absturz verhinderte. Die erneute Hilfe des Bündnisses für Verstärkungen ist jetzt kein Thema. "Weil das nicht die Intention des Bündnisses war und ist, und auch nicht unsere Erwartungshaltung", begründet Arabi.
Unweit der Bierbank, auf der der Sportchef Platz genommen hat, verfolgen wenige Fans das Training. Dass in der Liga aufgrund der Corona-Krise ausgerechnet bei der Bundesliga-Rückkehr der Arminia nach elf Jahren länger keine Fans zugelassen sind, schmälert laut Arabi die Chancen auf den Klassenerhalt. "Das ist sicher momentan ein Handicap, mit dem wir als Aufsteiger extrem zu kämpfen haben", sagt er. Die Rückkehr der Fans sei definitiv ein entscheidender Faktor. Als Beispiel führt er Union Berlin auf, das in der vergangenen Saison auch dank der Heim-Atmosphäre gegen Dortmund und Gladbach gewann.
Trotz allem vermittelt die Mannschaft Optimismus, sie nimmt die Außenseiterrolle als Ansporn. "Es glauben nicht viele an uns, aber wir in der Mannschaft glauben daran", sagt Marcel Hartel. Der 24-Jährige ist einer von nur rund einer Handvoll Spielern mit Bundesliga-Erfahrung.