Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Bleibt er bei Bayern? "Neuers Verhalten ist feige und peinlich"
Im Ringen um einen neuen Vertrag haben die Bemühungen des FC Bayern einen Dämpfer bekommen. Neuer äußerte öffentlich deutliche Kritik
Manuel Neuer ist "irritiert" und verärgert. So etwas habe der Nationaltorhüter in seinen neun Jahren beim FC Bayern noch nicht erlebt. "Nie", betont der Nationaltorhüter, "ist etwas nach außen gedrungen." Jetzt aber stünden "ständig Details aus den aktuellen Gesprächen in den Medien, die oft nicht einmal stimmen", so Neuer in einem gemeinsamen Interview mit seinem Berater Thomas Kroth in der "Bild am Sonntag". Das sei etwas, "das den Bereich Wertschätzung betrifft".
Es geht natürlich um die Gespräche über eine mögliche Verlängerung des Vertrags mit dem Kapitän des FC Bayern und der deutschen Nationalmannschaft über 2021 hinaus. Neuer soll laut "Bild" einen Fünf-Jahres-Vertrag bis 2025 mit einem Jahresgehalt über 20 Millionen Euro fordern, Bayern angeblich nur drei Jahre Vertragslänge und weniger Gehalt bieten. Im Interview nun bezeichnen Neuer und Kroth diese Zahlen als falsch. Das Thema Gehalt sei "ja nicht auf eine Zahl zu reduzieren, sondern deutlich komplexer", so Kroth, der auch sagt: "Ich kann klar sagen, dass wir in den Gesprächen, die ich mit Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn geführt habe, immer flexibel waren, was die Laufzeit betrifft."
Was bleibt, sind viele Fragen: Was haben Kroth und Neuer nun gefordert? Warum hat Neuer es nicht gleich gesagt, wenn die angeblichen Forderungen wirklich nicht stimmen? Wer hat die Informationen geleakt? Werden sich Bayern und Neuer überhaupt noch einig? Warum muss diese Diskussion mitten in der Corona-Krise geführt werden? Und vor allem:
Ist das Verhalten von Manuel Neuer aktuell angemessen?
Ja, denn Neuer muss man den roten Teppich ausrollen
Manuel Neuer genießt auf der ganzen Welt hohes Ansehen: Er ist Weltmeister und Bayern-Kapitän. Vereine in anderen Ländern würden ihm den roten Teppich ausrollen, um auch nur die Chance zu haben, mit ihm für viele Jahre einen Vertrag zu schließen. Nicht so der FC Bayern.
Neuer fehlt es aktuell an Wertschätzung. Und seine Reaktion darauf ist nachvollziehbar. Denn es sind gleich zwei Dinge, die kein Weltstar in den letzten Jahren der Karriere erleben sollte:
1. Er will seinen Vertrag vorzeitig verlängern und dafür angeblich pro Jahr 20 Millionen Euro kassieren. Doch die Zahlen sind zweitrangig. Viel wichtiger: Warum sind diese publik geworden? Die Neuer-Seite kann kein Interesse daran gehabt haben. War es die Gegenseite? Sicher keine gute Grundlage für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit.
2. Und dann wurde zuvor noch Torwart Alexander Nübel verpflichtet. Seitdem kursiert das Gerücht, dass der Noch-Schalker die Garantie auf eine bestimmte Anzahl an Spielminuten beim FC Bayern hat. Selbst wenn das nicht stimmt: Die Diskussion über die Stammposition im Bayern-Tor wird einem Weltklassemann wie Neuer nicht gerecht.
Neuer hat so viel für diesen Verein geleistet. Ihn jetzt zu vergraulen, wäre der größte Bayern-Fehler seit dem Verkauf von Toni Kroos.
Nein, Neuer verhält sich eines Kapitäns unwürdig
Können Sie sich vorstellen, wie ein Matthäus, Beckenbauer oder Kahn mit seinem jeweiligen Berater ein Interview gibt, um mangelnde Wertschätzung in Vertragsverhandlungen zu beklagen? Nein? Kein Wunder. Seinen Berater vorzuschieben, ist nicht nur eines Kapitäns des FC Bayern und der Nationalelf unwürdig. Es ist feige und peinlich.
Zumal es bei Neuer nicht das erste Mal ist. Im Juli 2019 ließ er Berater Kroth in der "Süddeutschen" verkünden, dass der Bayern-Kader für die Champions League "noch nicht entsprechend aufgestellt ist". Kroth drohte mit einem Neuer-Abschied. Der Torwart selbst schwieg. Wie immer, wenn es brenzlig wird.
Hat er als Kapitän der Nationalelf die Chance, sich zu einem gesellschaftlich relevanten Thema zu äußern, sagt Neuer: nichts. Brennt es beim DFB, weil Mesut Özil nach der WM 2018 Rassismus-Vorwürfe erhebt, macht Neuer erst mal: nichts.
Und auch der Zeitpunkt der aktuellen Kritik ist eine Katastrophe. Mitten in der schlimmsten Krise seit dem zweiten Weltkrieg geht es in Deutschland für viele um ihre Existenz. Für Neuer geht es um die Frage, ob er 16 oder 20 Millionen Euro im Jahr bekommt. Und wenn die lancierten Forderungen wirklich nicht stimmen sollten, hätte er das auch gleich sagen können – ohne Berater.
Wer hat recht?
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