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Effenberg-Kolumne: "Bayern sollte sich von Lewandowski trennen"


Effenberg-Kolumne
"Bayern sollte Lewandowski verkaufen"

Meinungt-online, Stefan Effenberg

10.09.2017Lesedauer: 5 Min.
Robert Lewandowski ist unzufrieden. Stefan Effenberg kritisiert seine Aussagen zur Transferpolitik des FC Bayern.Vergrößern des Bildes
Robert Lewandowski ist unzufrieden. Stefan Effenberg kritisiert seine Aussagen zur Transferpolitik des FC Bayern. (Quelle: imago-images-bilder)
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Robert Lewandowski

Die Kolumne von Stefan Effenberg bei t-online.de.

Der FC Bayern müsse sich etwas einfallen lassen, um weiter Weltklassespieler zu bekommen, deren Qualität man unbedingt brauche. Man sei in den vergangenen Jahren nicht so mit dem Markt gewachsen wie Real Madrid oder Manchester United. Jetzt sei der „Abstand zu den Höchstbeträgen eben wirklich riesig". Das waren die Worte von Robert Lewandowski.

Ich finde, das ist ein Hammer!

  • Er greift zum einen die Philosophie des Vereins an. Uli Hoeneß hat ja schon mehrfach geäußert, dass sie diese Ablösesummen um 100 oder 150 Millionen Euro nicht mitgehen werden.
  • Er greift auch seine Kollegen an, die dann seiner Meinung nach offenbar nicht die Qualität haben, um das zu gewinnen, wonach er jagt: Die Champions League.

Ich selbst habe hier vor ein paar Wochen gesagt, dass der FC Bayern Gefahr läuft, den Anschluss an Paris oder Barcelona zu verlieren, wenn er nicht bereit ist, diese Summen zu zahlen. Aber: Lewandowski ist Spieler – in dieser Rolle sollte er sich solche Äußerungen gut überlegen und intern äußern. Darüber hinaus ist die Entscheidung von Uli Hoeneß nun mal unumstößlich. Und: Die Qualität des Kaders ist trotz „geringer“ Ausgaben hoch.

Nachdem das neue Nachwuchsleistungszentrum – und das hat wirklich lange gedauert – endlich fertig ist, sehe ich heute ein riesiges Potenzial in einer ganz anderen Strategie.

Dem FC Bayern Deutschland. Wenn man ihn konsequent umsetzt.

Zum einen sollte man sagen: „Wenn wir diese großen Talente in den nächsten Jahren haben, dann sollten wir die auch aufbauen.“ Und zum anderen sollte man feststellen: „Warte mal, wir haben doch so viele hochbegabte, potenzielle Weltklasse-Spieler in Deutschland – und zwar nicht 15, sondern 30 bis 40! Das haben WM, Confed Cup und U21-EM bewiesen. Vielleicht sollte man einige von denen zum FC Bayern holen.“

Das ist genau das Gegenteil von dem, was Lewandowski fordert. Aber hey, wir haben auch Superstars in Deutschland! Auch, wenn sie vielleicht noch nicht so gesehen werden. 100, 150 oder auch 200 Millionen Euro für internationale Superstars? Für diese Summe kriegst Du hier direkt fünf, sechs Spieler.

Du hast beim FC Bayern schon Neuer, Hummels, Boateng – dazu Kimmich, Rudy, Süle. Vorne noch Gnabry, der gerade verliehen ist. Und natürlich Thomas Müller. Warum nicht genau das ausbauen? Für Timo Werner wäre es ein logischer nächster Schritt, zum FC Bayern zu wechseln. Wenn Bayern kommt, kann ich mir nicht vorstellen, dass er sagt: „Ich gehe ins Ausland“ oder „Ich bleibe bei Leipzig.“ Und das wäre ein Anfang, den FC Bayern Deutschland aufzubauen.

Goretzka und Can fürs Mittelfeld, Hector für die linke Seite. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da 40 Millionen Euro als Ablöse aufgerufen werden. Brandt, Henrichs, Havertz, Demirbay, Younes und gerade Arnold, der bei Bayern eine bessere Entwicklung nehmen könnte als in Wolfsburg. Dann hast Du ein Paket um die 150 Millionen – und perspektivisch eine Mannschaft, die man erstmal schlagen muss. Das sind alles Jungs, die es verstehen, als Mannschaft zusammen zu stehen. Genau deswegen wären sie auch international erfolgreich.

Wenn der FC Bayern diese Strategie fahren möchte, dann muss er sie auch ganz durchziehen. Dann muss sich Bayern von den ausländischen Topspielern in den nächsten Jahren konsequent trennen, auch von Lewandowski. Der könnte nach Paris gehen, wo ja diese Summen bezahlt werden. Oder Barcelona. Dann hat er auch einen Verein, der das macht, was er möchte.

Ein großer Profiteur dieser Strategie wäre Thomas Müller!

Wenn Du so jemanden in deinen Reihen hast, musst du ihm das Vertrauen zu hundert Prozent geben – damit er seine Spielweise, seine Unbekümmertheit ausspielen kann. Bei den Fans ist er zu hundert Prozent unantastbar. Und zwar nicht nur bei Bayern. Diesen Witz, diesen Charme, den er versprüht: Das haben sogar die Dortmunder geliebt, die ja sonst nicht unbedingt mit den Bayern auf einer Wellenlänge sind. Er war frei, locker und hat erfrischende Interviews gegeben – das sieht man jetzt alles gar nicht mehr.

Ich finde das schade und bin ein Stück weit traurig.

Van Gaal und Heynckes haben ihm das Vertrauen noch gegeben. Bei Guardiola kippte das. Er ließ ihn in wichtigen Spielen auch mal draußen aus taktischen Gründen. Bei Ancelotti setzt sich das fort.

Das Vertrauen spürt er zurzeit nicht und deshalb ist seine Spielweise auch nicht mehr die, die ihn so gefährlich gemacht hat. „Ich denke nicht nach. Ich lebe von meiner Unbekümmertheit und meinem Instinkt, von der Qualität“ – das sind ganz wichtige Faktoren, die ein Stück weit verloren gegangen sind.

Wenn er sogar in Frage gestellt wird, ist das ein ganz schmaler Grat, auf dem sich der FC Bayern in der Personalie bewegt. Ich sehe das nicht im Hinblick auf die WM. Ich bin mir sicher, dass er dabei sein wird und auch dabei sein muss.

Aber: Er wird am Mittwoch 28 Jahre alt. Damit ist er in einem Alter, in dem er sich spätestens im Dezember hinsetzen und fragen muss: „Ich habe noch fünf oder sechs Jahre vor mir – will ich mir das die nächsten Jahren antun, wenn ich das Vertrauen nicht spüre?“ Der Junge ist ja auch nie verletzt. Der hatte einmal Schnupfen, das war‘s. Angebote gab es in der Vergangenheit schon, und die wird es immer wieder geben.

Irgendwann wird der FC Bayern nicht mehr sagen können: „Er ist unverkäuflich.“ Wenn der Spieler kommt und sich mit seiner Situation auseinandersetzt, die immer schlechter wird, dann muss Thomas Müller eine eigene Entscheidung treffen: Weg vom Verein. Zu seinen Gunsten.

Woran messen wir ihn? An den Toren? Auch! Aber seine Vorlagen und die Lücken, die er reißt, die machen ihn aus. Er hat die Champions League gewonnen, den Weltpokal, die WM, diverse Meisterschaften und Pokale. Er ist fit – und deswegen ist es so schwer zu verstehen, warum er in dieser für ihn schwierigen Situation steckt. Es kann nur so sein, dass dieser Spielertyp nicht wirklich gewollt ist. Natürlich werden die Verantwortlichen das Thema immer runterfahren, aber das wird nicht mehr lange funktionieren.

Der Trainer ist der Hauptverantwortliche, das ist klar. Die spannende Frage ist, wie Ancelotti mit der Situation umgeht. Die Mittel- und langzeitverletzten Spieler kommen alle wieder. Wie sagt er ihnen, dass sie auf der Bank oder Tribüne sitzen? Die wichtigen Spiele werden immer zeigen, wem der Trainer wirklich vertraut und wer welches Standing hat. Das Pokalspiel in Leipzig, die Spiele gegen Paris in der Champions League – da sehen wir, auf wen er setzt.

Für mich ist Thomas Müller die spannendste Personalie weltweit in dieser Saison.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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