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Die Kolumne von Stefan Effenberg: "Özil wird zu Recht kritisiert!"


Effenberg-Klartext
"Es stimmt: Özil kann eine Belastung sein"

Meinungt-online, Stefan Effenberg

05.09.2017Lesedauer: 5 Min.
Mesut Özil wurde viel kritisiert. Nicht ganz zu unrecht, wie Stefan Effenberg findet.Vergrößern des Bildes
Mesut Özil wurde viel kritisiert. Nicht ganz zu unrecht, wie Stefan Effenberg findet. (Quelle: imago-images-bilder)

Die deutsche Nationalmannschaft spielte sich gegen Norwegen (6:0) in einen Rausch und steht kurz vor der endgültigen Qualifikation für die WM in Russland. Wie so oft überzeugten auch gerade die Spieler, die in ihrem Klub nicht ganz unumstritten sind. Stefan Effenberg erklärt in seiner Kolumne, warum Paris trotzdem genau der richtige Verein für Julian Draxler ist

Die Kolumne von Stefan Effenberg bei t-online.de.

Jeweils ein Tor und eine Torvorlage: Julian Draxler und Mesut Özil spielten sich gestern gegen Norwegen den Frust von der Seele. Sie sind die beiden Nationalspieler, die derzeit in ihren Vereinen Paris St. Germain und beim FC Arsenal die größten Probleme haben. Aber sie haben es nun selbst in der Hand, das zu ändern.

Julian Draxler sollte auf keinen Fall zurück in die Bundesliga

Ich bin grundsätzlich für Spieler, die versuchen, sich durchzusetzen – und nicht beim ersten kleinen Widerstand sagen: „Oh Gott, da kommt ein neuer Spieler – jetzt will ich weg.“ Julian Draxler hat nun schon die ein oder andere Station hinter sich – ich gehe davon aus, dass er sich jetzt durchsetzen möchte. Trotz der Verpflichtungen von Neymar und Kylian Mbappé.

Viele sagen, er riskiere mit einem Verbleib die WM oder habe bei Paris nun keine Chance mehr. Ich sehe Julian Draxler bei PSG ehrlich gesagt hervorragend aufgehoben. Er hat dort eine tolle Entwicklung genommen, das muss man wirklich sagen. Der Wechsel hat ihm gutgetan. Nur weil Neymar kommt, sollte er nicht gleich wieder den Verein verlassen. Warum soll er nicht mit Neymar zusammen spielen? Er ist flexibel. Das hat er des Öfteren gezeigt. Wenn er jetzt gegangen wäre, hätte ich das als Flucht empfunden. Jetzt kann er zeigen und beweisen, dass er auf dem Weg ist, ein Großer zu werden.

Mbappé ist gerade 18 Jahre alt. Er muss auch erstmal bestätigen, was er in seinen jungen Jahren gezeigt hat. Das ist jetzt nochmal eine andere Situation. Der Druck wird größer – da muss so ein junger Spieler erstmal mit zurechtkommen. Draxler ist weiter als Mbappé. Und der Faktor Erfahrung ist schon enorm wichtig.

Paris ist mit Neymar, Cavani und Mbappé wirklich sehr gut aufgestellt in der Offensive. Aber das alles Entscheidende ist, was der Trainer will. Und vielleicht ist dahinter zentral Platz für Draxler. Er sollte sich nicht verstecken, war auf einem richtig guten Weg. Wenn er sich da jetzt durchsetzt, gehört er in die Kategorie Weltklasse – und das muss ja sein Ziel sein. Man muss sich auch mal durchbeißen.

Wenn der Julian bis zum Winter tatsächlich nur auf fünf Spiele kommt, dann müsste man die Situation aufgrund der WM vielleicht wirklich nochmal überdenken.

Aber auch dann würde ich ihm strikt davon abraten, in die Bundesliga zurückzukehren. Bei Wolfsburg lief es zuvor nicht so, wie er sich das gewünscht hat, das war der falsche Verein für ihn. Da war Draxler falsch beraten. Der Schritt nach Paris dagegen ist für seine Weiterentwicklung enorm wichtig gewesen. „Ich gehe zurück nach Deutschland, da spiele ich sicher“ – das ist für mich der falsche Weg. Du lernst so viel im Ausland. Ich kann das aus eigener Erfahrung nur empfehlen.

Ob mit oder ohne Draxler in der Startelf: Paris ist jetzt absoluter Topfavorit auf den Champions-League-Titel. Das war schon in den vergangenen Jahren das Ziel – dementsprechend haben sie eingekauft. Und jetzt sind nochmal absolute Hochkaräter dazugekommen. Die Spieler haben jetzt den Anspruch, die Champions League zu gewinnen. Wenn sie etwas anderes aussprechen, nimmt das niemand für voll. Auch wenn dort ab März/April natürlich auch andere Faktoren eine Rolle spielen. Du brauchst Glück und deine Topstars in Top-Verfassung. Ronaldo war in der letzten Saison in unfassbar guter Form und hat alle Gegner von Real Madrid alleine abgeschossen. Auf der anderen Seite wäre Paris nicht die erste Mannschaft, die trotz einer Star-Truppe scheitert. Eine Garantie gibt es eben nicht.

Gerrard hat Recht mit seiner Kritik an Mesut Özil

Unvergleichbar mehr Kritik ist in der letzten Zeit auf Mesut Özil eingeprasselt. Ich muss sagen: nicht ganz zu Unrecht.

Ich habe Spiele gesehen von Mesut, da sage ich: Von ihm muss mehr kommen. Ich kann mich sehr gut an Spiele gegen Bayern München in der Champions League erinnern. Da waren viele enttäuscht – und insbesondere auch Joachim Löw. Steven Gerrard hat gesagt, Özils Körpersprache lasse zu wünschen übrig, er lasse seine Mannschaft im Stich und sei auswärts sogar eine Belastung. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Das muss Özil aber auch selbst wissen und erkennen. Er ist jetzt keine 20 Jahre mehr jung, sondern wird im Oktober 29.

Es ist klar, dass er kein Spieler ist, den Du ins defensive Mittelfeld stellst, der alles abräumt. Aber wenn nach vorne nicht viel geht, musst du trotzdem für die Mannschaft arbeiten. Das erwartet man grundsätzlich von einem Fußballprofi – ob der Özil heißt oder sonst wie. Er hat halt eine Körpersprache, die mit Ball fantastisch aussieht und leichtfüßig – genau so haben wir ihn gegen Norwegen gesehen. Aber gegen den Ball muss er zulegen. Ob einer wirklich beißt und es unbedingt will, das sieht man an der Körpersprache, da gebe ich Gerrard Recht.

Man wartet seit Jahren auf eine Verbesserung. Man wünscht sich, dass eine Entwicklung kommt – bisher vergeblich. Jogi Löw wird Gespräche mit Mesut geführt haben, aber er muss das einfach auch selbst erkennen. Und wenn er das nicht leisten kann, wird sich das Löw zumindest gegen offensivstarke Gegner nicht ewig anschauen. Wenn er eine Offensivkraft opfert für das Spiel, dann könnte es auch mal Özil treffen Die Alternativen sind da, das hat man gesehen beim Confed Cup und bei der U21-EM. Vom Potenzial her gibt es kaum Nationen, die mehr Möglichkeiten haben.

Klar ist auch: Wenn er konstant seine Leistungen bringt, ist Özil nicht wegzudenken.

Löw macht das auch genau richtig, indem er öffentlich Druck macht und sagt: „Niemand hat einen Freifahrtschein“. Manuel Neuer kann sich vielleicht verletzten und ist trotzdem dabei. Alle anderen nicht. Es geht einzig und allein um den Erfolg. Nur, weil jemand jahrelang für den DFB gespielt hat, kommt er nicht mit zur WM. Die Zeiten sind endgültig vorbei.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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